Auf einer Burg von Joseph von Eichendorff

Eingeschlafen auf der Lauer
Oben ist der alte Ritter;
Drüber gehen Regenschauer,
Und der Wald rauscht durch das Gitter.
 
Eingewachsen Bart und Haare,
Und versteinert Brust und Krause,
Sitzt er viele hundert Jahre
Oben in der stillen Klause.
 
Draußen ist es still und friedlich,
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Alle sind ins Tal gezogen,
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Waldesvögel einsam singen
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In den leeren Fensterbogen.
 
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Eine Hochzeit fährt da unten
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Auf dem Rhein im Sonnenscheine,
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Musikanten spielen munter,
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Und die schöne Braut die weinet.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Auf einer Burg“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
75
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das vorgelegte Gedicht „Auf einer Burg“ stammt von Joseph von Eichendorff, einem Hauptvertreter der Hochromantik, geboren am 10. März 1788 und verstorben am 26. November 1857.

Beim ersten Eindruck wirkt das Gedicht wie eine melancholische Rückbesinnung auf vergangene Zeiten. In einfachen Worten geht es um einen alten Ritter, der eingewachsen und versteinert, verschlafen auf einer mittelalterlichen Burg hockt, während draußen das Leben und die Zeit fortschreiten.

Die Erzählung des lyrischen Ichs zeigt Kontraste und sorgt für Dramatik. Es stellt den schlafenden, gesteinigten und zurückgelassenen Ritter, in der oberen Klause der Burg, dar. Dieser Ritter scheint mehrere hundert Jahre alt zu sein und ist von der heutigen Welt entrückt. In schwingendem Gegensatz dazu ist unten im Tal das aktive und Lebensbejahende, symbolisiert durch eine fröhliche Hochzeitsgesellschaft. Hier stosst die Welt der Vergangenheit und des Stillstands auf die Welt der Gegenwart und des Fortschritts.

Formal besteht das Gedicht aus vier Strophen mit jeweils vier Versen. Die Sprache ist relativ einfach und beschreibend, und doch werden starke Bilder hervorgerufen, die reiche Gefühle anregen und eine kraftvolle Atmosphäre schaffen. Eichendorff nutzt natürliche Phänomene wie die Regenschauer und den rauschenden Wald, um die Atmosphäre zu intensivieren und Symbolik zu erzeugen.

Der Wald, das Symbol der Romantik, stellt hier die mystische Verbindung zwischen Vergangenheit (dem Ritter) und der Gegenwart (der Hochzeit) dar und ist gleichzeitig die Grenze zwischen den beiden Welt. Der trauernde Klang der Waldvögel deutet auf die Vergänglichkeit des Lebens und die Melancholie der zurückgelassenen Dinge hin. Der weinende Braut ist der Ausdruck des lyrischen Ichs des Schmerzes darüber, dass das Leben vergeht und neue Zeiten Altes zurücklassen.

Das Gedicht ist eine Reflexion über Zeit, Vergänglichkeit und die Unausweichlichkeit des Fortschritts, vermischt mit einer subtilen Sehnsucht nach der Vergangenheit. Es handelt von der Kluft zwischen der alten und der neuen Welt und dem unaufhaltsamen Fluss der Zeit, der alles mit sich reißt.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Auf einer Burg“ ist Joseph von Eichendorff. Eichendorff wurde im Jahr 1788 geboren. Im Zeitraum zwischen 1804 und 1857 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Romantik zu. Der Schriftsteller Eichendorff ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein andauerte. Insbesondere auf den Gebieten der Literatur, Musik oder der bildenden Kunst hatte diese Epoche umfangreiche Auswirkungen. Bis in das Jahr 1804 hinein spricht man in der Literatur von der Frühromantik, bis 1815 von der Hochromantik und bis 1848 von der Spätromantik. Die Zeit der Romantik war für die Menschen in Europa von bedeutenden Umbrüchen geprägt. Die Französische Revolution (beginnend im Jahr 1789) zog weitreichende Folgen für ganz Europa nach sich. Auch der Fortschritt in Technik und Wissenschaft, der den Beginn des industriellen Zeitalters einläutete, verunsicherte die Menschen und prägte die Gesellschaft. Als Merkmale der Romantik sind die Weltflucht, die Verklärung des Mittelalters, die Hinwendung zur Natur, die Betonung subjektiver Gefühle und des Individuums, der Rückzug in Fantasie- und Traumwelten oder die Faszination des Unheimlichen zu benennen. Wichtige Symbole sind die Blaue Blume oder das Spiegel- und Nachtmotiv. Strebte die Klassik nach harmonischer Vollendung und Klarheit der Gedanken, so ist die Romantik von einer an den Barock erinnernden Maß- und Regellosigkeit geprägt. Die Romantik begreift die schöpferische Phantasie des Künstlers als unendlich. Zwar baut sie dabei auf die Errungenschaften der Klassik auf. Deren Ziele und Regeln möchte sie aber hinter sich lassen.

Das 75 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 16 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Weitere Werke des Dichters Joseph von Eichendorff sind „Abschied“, „Antwort“ und „Auch ein Gedicht?“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Auf einer Burg“ weitere 395 Gedichte vor.

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