Abschied von Joseph von Eichendorff

O Thäler weit, o Höhen,
O schöner, grüner Wald,
Du meiner Lust und Wehen
Andächt’ger Aufenthalt!
Da draußen, stets betrogen,
Saust die geschäft’ge Welt,
Schlag’ noch einmal die Bogen
Um mich, du grünes Zelt!
 
Wenn es beginnt zu tagen,
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Die Erde dampft und blinkt,
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Die Vögel lustig schlagen,
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Daß dir dein Herz erklingt:
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Da mag vergehn, verwehen
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Das trübe Erdenleid,
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Da sollst du auferstehen
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In junger Herrlichkeit!
 
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Da steht im Wald geschrieben,
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Ein stilles, ernstes Wort
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Von rechtem Thun und Lieben,
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Und was des Menschen Hort.
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Ich habe treu gelesen
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Die Worte, schlicht und wahr,
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Und durch mein ganzes Wesen
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Ward’s unaussprechlich klar.
 
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Bald werd’ ich dich verlassen
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Fremd in der Fremde geh’n,
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Auf buntbewegten Gassen
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Des Lebens Schauspiel seh’n;
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Und mitten in dem Leben
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Wird deines Ernst’s Gewalt
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Mich Einsamen erheben,
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So wird mein Herz nicht alt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.2 KB)

Details zum Gedicht „Abschied“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
144
Entstehungsjahr
1810
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Abschied“ wurde von Joseph von Eichendorff, einem der bedeutendsten Lyriker der deutschen Romantik, verfasst und ist vermutlich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden.

Beim ersten Lesen des Gedichts fällt die starke Naturverbundenheit auf, die typisch für die Romantiker war. Die Natur erscheint hier nicht nur als lebendiger, emotionaler Gegenpol zur geschäftigen Welt, sondern auch als Quelle von Ruhe und Erkenntnis.

Das lyrische Ich drückt seine tiefe Zuneigung zur Natur aus, die ihm als Zuflucht und Erkenntnisquelle dient. Anfangs beschreibt es die Schönheit und Ruhe der Natur als Kontrast zur „geschäft’gen Welt“. Es beschreibt, wie der Morgen das „trübe Erdenleid“ vertreibt und durch die Schönheit der Natur dessen „Herz erklingt“. Veränderungen, die durch die Morgenstimmung in der Natur hervorgerufen werden, führen zu einer Auferstehung des lyrischen Ichs in „junger Herrlichkeit“. In der dritten Strophe äußert das lyrische Ich, dass es in der Natur eine Art Offenbarung erlebt hat, durch die sein „ganzes Wesen ... unaussprechlich klar“ wird. Schließlich kommt es zur Erkenntnis, dass es die Natur verlassen und sich in die bunte Welt der Menschen begeben muss. Dennoch ist es davon überzeugt, dass die in der Natur gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen es stärken und sein Herz jung halten werden.

Formal besteht das Gedicht aus vier Strophen mit jeweils acht Versen. Die Sprache ist bildhaft und poetisch, was zur emotionalen Wirkung des Gedichts beiträgt. Durch die Verwendung von personifizierenden Metaphern wie „du grünes Zelt“ wird die Natur als belebtes Wesen dargestellt, was den romantischen Charakter des Gedichts unterstreicht.

Das Gedicht ist also typisch für die Romantik und spiegelt viele ihrer zentralen Themen wider: die Flucht vor der Realität in die Natur, die Erhebung der Natur zur emotionalen und spirituellen Autorität sowie die Auseinandersetzung mit dem städtischen Leben und dem fortschreitenden Zeitalter der Industrialisierung.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Abschied“ des Autors Joseph von Eichendorff. 1788 wurde Eichendorff geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1810. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Romantik zuordnen. Bei dem Schriftsteller Eichendorff handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein dauerte und sich insbesondere auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik äußerte. Auch die Gebiete Geschichte, Philosophie und Theologie sowie Naturwissenschaften und Medizin waren von ihren Auswirkungen betroffen. Bis in das Jahr 1804 hinein spricht man in der Literatur von der Frühromantik, bis 1815 von der Hochromantik und bis 1848 von der Spätromantik. Die Welt, die sich durch die einsetzende Industrialisierung und Verstädterung mehr und mehr veränderte, verunsicherte die Menschen. Die Französische Revolution in den Jahren 1789 bis 1799 hatte ebenfalls Auswirkungen auf die Romantik. Als Merkmale der Literatur der Romantik sind die Weltflucht, die Verklärung des Mittelalters, die Hinwendung zur Natur, die Betonung subjektiver Gefühle und des Individuums, der Rückzug in Fantasie- und Traumwelten oder die Faszination des Unheimlichen aufzuführen. Bedeutende Symbole der Romantik sind die Blaue Blume oder das Spiegel- und Nachtmotiv. Die äußere Form von romantischer Dichtung ist völlig offen. Kein starres Schema grenzt die Literatur ein. Dies steht ganz im Gegensatz zu den strengen Normen der Klassik. In der Romantik entstehen erstmals Sammlungen so genannter Volkspoesie. Bekannte Beispiele dafür sind Grimms Märchen und die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn. Doch bereits unmittelbar nach Erscheinen der Werke wurde die literarische Bearbeitung (Schönung) durch die Autoren kritisiert, die damit ihre Rolle als Chronisten weit hinter sich ließen.

Das Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 144 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Joseph von Eichendorff sind „In Danzig“, „Kurze Fahrt“ und „Lied“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Abschied“ weitere 395 Gedichte vor.

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