Frisch auf! von Joseph von Eichendorff

Ich saß am Schreibtisch bleich und krumm,
Es war mir in meinem Kopf ganz dumm
Vor Dichten, wie ich alle die Sachen
Sollte aufs allerbeste machen.
Da guckt am Fenster im Morgenlicht
Durchs Weinlaub ein wunderschönes Gesicht,
Guckt und lacht, kommt ganz herein
Und kramt mir unter den Blättern mein.
Ich, ganz verwundert: »Ich sollt dich kennen«
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Sie aber, statt ihren Namen zu nennen:
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»Pfui, in dem Schlafrock siebst ja aus
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Wie ein verfallenes Schilderhaus!
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Willst du denn hier in der Tinte sitzen
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Schau, wie die Felder da draußen blitzen!«
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So drängt sie mich fort unter Lachen und Streit,
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Mir tat's um die schöne Zeit nur leid.
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Drunten aber unter den Bäumen
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Stand ein Roß mit funkelnden Zäumen.
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Sie schwang sich lustig mit mir hinauf,
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Die Sonne draußen ging eben auf,
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Und eh ich mich konnte bedenken und fassen,
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Ritten wir rasch durch die stillen Gassen,
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Und als wir kamen vor die Stadt,
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Das Roß auf einmal zwei Flügel hatt,
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Mir schauerte es recht durch alle Glieder:
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»Mein Gott, ist's denn schon Frühling wieder?«
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Sie aber wies mir, wie wir so zogen,
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Die Länder, die unten vorüberflogen,
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Und hoch über dem allerschönsten Wald
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Machte sie lächelnd auf einmal halt.
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Da sah ich erschrocken zwischen den Bäumen
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Meine Heimat unten, wie in Träumen,
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Das Schloß, den Garten und die stille Luft,
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Die blauen Berge dahinter im Duft,
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Und alle die schöne alte Zeit
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In der wundersamen Einsamkeit.
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Und als ich mich wandte, war ich allein,
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Das Roß nur wiehert' in den Morgen hinein,
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Mir aber war's, als wär ich wieder jung,
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Und wußte der Lieder noch genung!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.7 KB)

Details zum Gedicht „Frisch auf!“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
266
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das hier analysierte Gedicht „Frisch auf!“ wurde von Joseph von Eichendorff verfasst, einem bedeutenden Dichter der Romantik, der von 1788 bis 1857 lebte. Das Gedicht spielt also in einer Zeit der tiefgreifenden sozialen, politischen und wirtschaftlichen Veränderungen, die von zunehmenden Industrialisierung und städtischen Wachstum gekennzeichnet ist.

Beim ersten Lesen fällt auf, dass das Gedicht eine märchenhafte, fast traumhafte Atmosphäre aufweist. Die Beschreibungen von natürlichen und ländlichen Szenen, das plötzliche Erscheinen eines schönen Gesichts und eines Pferdes mit funkelnden Zäumen, das plötzliche Fliegen über die Stadt - all das fügt sich zu einer erzählenden, fantastischen Geschichte zusammen.

Inhaltlich erzählt das Gedicht von einer Begegnung des „lyrischen Ichs“ mit einer unbekannten Frau, die es aus seiner monotonen Schreiberei herauszieht und zu einem Abenteuer auf einem Pferd, das sich in ein fliegendes Wesen verwandelt, einlädt. Diese Reise führt das lyrische Ich weg von der Enge des Schreibtischs und der Stadt, in die Freiheit der Natur und letztendlich zurück zu seiner geliebten Heimat. Hier scheint sich das lyrische Ich nach den glücklicheren Zeiten und der verlorenen Vergangenheit zu sehnen, was sich in der Erkenntnis äußert, dass es sich „wieder jung“ fühlt und noch genug Lieder (Gedichte) zu schreiben hat.

In puncto Form und Sprache verwendet Eichendorff einen einfachen Versmaß und einen direkten, lebendigen Stil, der durch den Einsatz von Dialog und die genaue Beschreibung von Ereignissen gekennzeichnet ist. Dies trägt zur Lebendigkeit der erzählten Geschichte bei und ermöglicht es dem Leser, sich leicht in die Situationen und Gefühle des lyrischen Ichs hineinzuversetzen. Eichendorffs Sprache zeichnet sich durch seine Fähigkeit, komplexe Emotionen und Empfindungen auf einfache, unmittelbare Weise auszudrücken, aus.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Frisch auf!“ ein typisches Beispiel für Eichendorffs romantische Poesie ist: Es bringt seinen Wunsch nach Freiheit, Abenteuer, Natur und Heimkehr zum Ausdruck, verpackt in einer traumhaften, fast märchenhaften Erzählung. Zugleich ist es ein Plädoyer für die künstlerische Inspiration und die Macht der Poesie, die es ermöglicht, aus dem Alltag auszubrechen und über sich hinauszuwachsen. Es ist eine Hommage an die Schönheit der Natur und ein Aufruf, das Leben voll und ganz zu leben.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Frisch auf!“ ist Joseph von Eichendorff. Im Jahr 1788 wurde Eichendorff geboren. In der Zeit von 1804 bis 1857 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Romantik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Eichendorff ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik war eine Epoche der europäischen Literatur, Kunst und Kultur. Sie begann gegen Ende des 18. Jahrhunderts und dauerte in der Literatur bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Literaturepoche der Romantik (ca. 1795–1848) lässt sich in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) aufgliedern. Die Welt, die sich durch die beginnende Verstädterung und Industrialisierung mehr und mehr veränderte, verunsicherte die Menschen. Die Französische Revolution in den Jahren 1789 bis 1799 hatte ebenfalls bedeutende Auswirkungen auf die Romantik. Weltflucht, Hinwendung zur Natur, Verklärung des Mittelalters (damalige Kunst und Architektur wurde nun wieder geschätzt), Rückzug in Fantasie- und Traumwelten, Betonung des Individuums und romantische Ironie sind typische Merkmale der Romantik. Die Themen der Romantik zeigen sich in verschiedenen Motiven und Symbolen. Beispielsweise gilt die Blaue Blume als das zentrale Motiv der Romantik. Sie symbolisiert Sehnsucht und Liebe und verbindet Natur, Mensch und Geist. Die Nacht hat ebenfalls eine besondere Bedeutung in der Romantik. Sie ist der Schauplatz für viele weitere Motive dieser Epoche: Vergänglichkeit, Tod und nicht alltägliche, obskure Phänomene. Im ebenfalls in dieser Epoche zu findenden Spiegelmotiv zeigt sich die Hinwendung der Romantik zum Unheimlichen. Die Stilepoche kennzeichnet sich vor allem durch offene Formen in Gedichten und Texten. Phantasie ist für die Romantiker das Maß aller Dinge. Die Trennung zwischen Poesie und Wissenschaft, zwischen Traum und Wirklichkeit soll durchbrochen werden. Die Schriftsteller der Romantik streben eine Verschmelzung von Kunst und Literatur an. Ihr Ziel ist es, alle Lebensbereiche zu poetisieren.

Das vorliegende Gedicht umfasst 266 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 40 Versen. Joseph von Eichendorff ist auch der Autor für Gedichte wie „Abschied“, „Antwort“ und „Auch ein Gedicht?“. Zum Autor des Gedichtes „Frisch auf!“ haben wir auf abi-pur.de weitere 395 Gedichte veröffentlicht.

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