Abschiedstafel von Joseph von Eichendorff
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So rückt denn in die Runde! |
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Es schleicht die Zeit im Dunkeln, |
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Sie soll uns rüstig finden |
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Und heiter, stark und gut! |
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Gar viel ist zu vollbringen, |
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Gar vieles muß mißlingen. |
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So mag die letzte Stunde |
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Nachleuchten uns und funkeln! |
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Wo unsre Pfad sich winden, |
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Wir sind in Gottes Hut. |
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Dem Bruder meines Lebens, |
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Der, fern, mit mir zusammen, |
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Sei denn aus Herzensgrunde |
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Das erste Glas gebracht! |
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Ich brauch ihn nicht zu nennen, |
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Er aber wird mich kennen. |
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Viel Land trennt uns vergebens, |
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Ihm soll dies Wort, die Stunde, |
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Durch alle Adern flammen, |
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Wie ich an ihn gedacht! |
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Zu dir nun, heitre Schöne, |
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Wend ich mich voll Gedanken. |
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Wie sie zu dir sich wenden, |
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Muß ich so fröhlich sein. |
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So weit Poeten wohnen, |
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So weit der Wälder Kronen, |
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So weit kunstreiche Töne |
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Die heiteren Gedanken |
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Und Himmelsgrüße senden: |
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Ist alles mein und dein. |
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Laß nie die Schmach mich sehen, |
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Daß auch dein Herz, der Lüge |
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Des andern Volks zum Raube, |
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Bereuend feig und hohl, |
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An Licht und Schmuck mag zagen! |
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Nicht wahr ist, was sie sagen: |
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Daß Lieb und Lust vergehen, |
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Nicht wahr, daß uns betrüge |
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Der schöne, freud'ge Glaube, |
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Und also lebe wohl! |
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Ihr aber, klug Gesellen, |
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Die mit hier in dem Kreise, |
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Wohl quält ihr mich seit Jahren |
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Mit weisem Rat und Wort. |
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Stoßt an, es sei vergessen! |
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Im Meere, ungemessen, |
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Sind viele tausend Wellen |
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Und tausend Schiffe fahren, |
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Ein jedes seine Reise, |
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Komm jedes in seinen Port! |
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Vom Berg hinabgewendet, |
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Seh ich die Ströme, Zinnen, |
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Der Liebsten Schloß darunter |
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Nun, Morgenlohe, hülle |
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In Glorie dein Reich! |
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Dir, tieflebend'ge Fülle, |
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Schleudr ich das Glas hinunter, |
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Mir schwindeln alle Sinnen, |
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So wend ich mich geblendet, |
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Gott segne dich und euch! |
Details zum Gedicht „Abschiedstafel“
Joseph von Eichendorff
6
60
281
1788 - 1857
Romantik
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Abschiedstafel“ stammt von dem deutschen Dichter und Schriftsteller Joseph von Eichendorff, der im 19. Jahrhundert, während der Epoche der Romantik, lebte.
Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht feierlich und nachdenklich. Es ist stark geprägt von metaphysischen und spirituellen Elementen, was typisch für Eichendorffs Dichtung und die literarische Romantik ist.
In dem 60-zeiligen Gedicht, das aus sechs Strophen mit jeweils zehn Versen besteht, nimmt das lyrische Ich Abschied von verschiedenen Menschen in seinem Leben. Es wird deutlich, dass das lyrische Ich eine starke spirituelle Bindung zu Gott und gesellschaftlichen Normen und Werten sowie zu bestimmten Personen in seinem Leben hat. Eichendorff thematisiert in dem Gedicht die Vergänglichkeit der Zeit, den Tod, aber auch das Leben und die Verbundenheit zu anderen Menschen.
Das lyrische Ich möchte dem Leser vermitteln, dass es trotz der Unbeständigkeit des Lebens und der eventuell bevorstehenden eigenen Sterblichkeit optimistisch und positiv in die Zukunft blickt. Es betont die Lebensfreude und den Glauben an Gott und die Menschlichkeit und drückt gleichzeitig seine Liebe und Wertschätzung für nahestehende Personen aus.
Sprachlich ist das Gedicht geprägt von bildhafter und metaphorischer Sprache. Die Form ist gekennzeichnet durch einen regelmäßigen Rhythmus und ein durchgängiges Reimschema. Darüber hinaus zeichnet sich das Gedicht durch eine effektive Verwendung von Alliterationen und Assonanzen aus und ist in einer feierlichen, erhobenen Sprache verfasst.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Eichendorffs „Abschiedstafel“ ein kraftvolles, emotionales und philosophisches Gedicht ist, das die Unvermeidlichkeit des Todes und die Vergänglichkeit des Lebens akzeptiert, aber gleichzeitig den Optimismus, die Lebensfreude und den Glauben an die Menschlichkeit hervorhebt. Es ist ein Statement an das Leben und ein Appell an die Leser, das Leben zu feiern und zu genießen, unabhängig von dessen Vergänglichkeit.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Abschiedstafel“ ist Joseph von Eichendorff. Geboren wurde Eichendorff im Jahr 1788 . Zwischen den Jahren 1804 und 1857 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Romantik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Eichendorff handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.
Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein dauerte und sich insbesondere auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik äußerte. Auch die Gebiete Geschichte, Theologie und Philosophie sowie Naturwissenschaften und Medizin waren von ihren Auswirkungen betroffen. Die Romantik kann in drei Phasen unterteilt werden: Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848). Die Zeit der Romantik war für die Menschen in Europa von bedeutenden Umbrüchen geprägt. Die Französische Revolution (1789 - 1799) zog weitreichende Folgen für ganz Europa nach sich. Auch der Fortschritt in Technik und Wissenschaft, der den Beginn des industriellen Zeitalters einläutete, verunsicherte die Menschen und prägte die Gesellschaft. In der Romantik gilt das Mittelalter als das Ideal und wird verherrlicht. Die Kunst und Architektur der Zeit des Mittelalters werden geschätzt, gepflegt und gesammelt. Missstände dieser Zeit bleiben außen vor und scheinen bei den Schriftstellern in Vergessenheit geraten zu sein. So ist gerade die Verklärung des Mittelalters ein zentrales Merkmal der Romantik. Des Weiteren sind die Weltflucht, die Hinwendung zur Natur und die romantische Ironie weitere zentrale Merkmale dieser Epoche. Die grundsätzlichen Themen waren Seele, Gefühle, Individualität und Leidenschaft. In der Literatur wurden diese Themen unter anderem durch Motive der Sehnsucht, Todessehnsucht, Fernweh oder Einsamkeit in der Fremde manifestiert. Die Stilepoche kennzeichnet sich vor allem durch offene Formen in Texten und Gedichten. Phantasie ist für die Schriftsteller der Romantik das Maß aller Dinge. Die Trennung zwischen Wissenschaft und Poesie, zwischen Wirklichkeit und Traum soll durchbrochen werden. Die Schriftsteller der Romantik streben eine Verschmelzung von Kunst und Literatur an. Ihr Ziel ist es, alle Lebensbereiche zu poetisieren.
Das vorliegende Gedicht umfasst 281 Wörter. Es baut sich aus 6 Strophen auf und besteht aus 60 Versen. Der Dichter Joseph von Eichendorff ist auch der Autor für Gedichte wie „Lied“, „Mondnacht“ und „Morgengebet“. Zum Autor des Gedichtes „Abschiedstafel“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 395 Gedichte vor.
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