Anklänge von Joseph von Eichendorff

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Liebe, wunderschönes Leben,
Willst du wieder mich verführen,
Soll ich wieder Abschied geben
Fleißig ruhigem Studieren?
 
Offen stehen Fenster, Türen,
Draußen Frühlingsboten schweben,
Lerchen schwirrend sich erheben,
Echo will im Wald sich rühren.
 
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Wohl, da hilft kein Widerstreben,
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Tief im Herzen muß ich's spüren:
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Liebe, wunderschönes Leben,
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Wieder wirst du mich verführen!
 
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2
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Hoch über stillen Höhen
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Stand in dem Wald ein Haus,
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So einsam war's zu sehen
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Dort übern Wald hinaus.
 
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Ein Mädchen saß darinnen
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Bei stiller Abendzeit,
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Tät seidne Fäden spinnen
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Zu ihrem Hochzeitskleid.
 
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3
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Jagdlied
 
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Durch schwankende Wipfel
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Schießt güldener Strahl,
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Tief unter den Gipfeln
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Das neblige Tal.
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Fern hallt es am Schlosse,
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Das Waldhorn ruft,
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Es wiehern die Rosse,
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In die Luft, in die Luft!
 
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Bald Länder und Seen
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Durch Wolkenzug
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Tief schimmernd zu sehen
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In schwindelndem Flug,
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Bald Dunkel wieder
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Hüllt Reiter und Roß,
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O Lieb, o Liebe
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So laß mich los!
 
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Immer weiter und weiter
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Die Klänge ziehn,
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Durch Wälder und Heiden
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Wohin, ach wohin?
45 
Erquickliche Frische
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Süß-schaurige Lust!
47 
Hoch flattern die Büsche,
48 
Frei schlägt die Brust.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.2 KB)

Details zum Gedicht „Anklänge“

Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
171
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Anklänge“ wurde von Joseph von Eichendorff verfasst, einer zentralen Figur der deutschen Romantik, der von 1788 bis 1857 lebte.

In der ersten Strophe präsentiert Eichendorff ein lyrisches Ich, das von der Liebe und dem Leben in seiner Schönheit und Verführungskraft spricht. Die Frage, ob es dem Studieren oder der Liebe nachgeben soll, lässt einen Konflikt andeuten. In der zweiten Strophe wird das Bild einer frühlingshaften Landschaft gemalt, die zum Aufbrechen einlädt.

In der dritten Strophe erkennt das lyrische Ich, dass es der Verführung des Lebens nicht widerstehen kann und es tief im Herzen fühlt. Diese Liebe zum Leben und die Unfähigkeit, ihr zu widerstehen, sind wiederkehrende Themen in Eichendorffs Werken und repräsentieren typische romantische Ideale.

In der vierten Strophe erzählt das lyrische Ich von einem einsamen Haus im Wald und einem Mädchen, das im Inneren sitzt und ihr Hochzeitskleid spinnt. Diese Strophe hat einen melancholischen Ton und könnte die Sehnsucht des lyrischen Ich nach Liebe und Zugehörigkeit symbolisieren.

In den verbleibenden Strophen ist das lyrische Ich auf einer Jagd eingebunden, es beschreibt die Landschaft und seine Gefühle dabei. Das Gedicht endet mit der Bildsprache von Klängen, die in der Ferne verschwinden, und den Gefühlen von Erfrischung und süßer Angst.

Formal ist das Gedicht in neun Strophen unterteilt, wobei die Anzahl der Verse variiert. Der Reim ist teilweise gebrochen und die Sprache ist tendenziell schlicht und dennoch bildhaft, was den romantischen Charakter des Gedichts unterstreicht. Die wiederholte Verwendung starker Verben wie 'verführen', 'schweben', 'erheben' und 'rühren' verleiht dem Gedicht eine dynamische und lebendige Atmosphäre.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Anklänge“ ein klassisches romantisches Gedicht ist, in dem die Liebe zum Leben und die Natur, die Flucht aus der Zivilisation und die Sehnsucht nach Romantik zentrale Themen sind.

Weitere Informationen

Joseph von Eichendorff ist der Autor des Gedichtes „Anklänge“. 1788 wurde Eichendorff geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1804 und 1857. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Romantik zu. Eichendorff ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Der Romantik vorausgegangen waren die Epochen der Weimarer Klassik und der Aufklärung. Die Literaturepoche der Romantik ist zeitlich vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein einzuordnen. Besonders auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik hatte diese Epoche Auswirkungen. Die Romantik kann in drei Phasen unterteilt werden: Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848). Die Zeit der Romantik war für die Menschen in Europa von Umbrüchen geprägt. Die Französische Revolution (beginnend im Jahr 1789) zog weitreichende Folgen für ganz Europa nach sich. Auch der Fortschritt in Wissenschaft und Technik, der den Beginn des industriellen Zeitalters einläutete, verunsicherte die Menschen und prägte die Gesellschaft. Weltflucht, Hinwendung zur Natur, Verklärung des Mittelalters (damalige Kunst und Architektur wurde nun wieder geschätzt), Rückzug in Fantasie- und Traumwelten, Betonung des Individuums und romantische Ironie sind typische Merkmale der Romantik. Die Themen der Romantik zeigen sich in verschiedenen Motiven und Symbolen. Beispielsweise gilt die Blaue Blume als das zentrale Motiv der Romantik. Sie symbolisiert Sehnsucht und Liebe und verbindet Natur, Mensch und Geist. Die Nacht hat ebenfalls eine besondere Bedeutung in der Romantik. Sie ist der Schauplatz für zahlreiche weitere Motive dieser Epoche: Vergänglichkeit, Tod und nicht alltägliche, obskure Phänomene. Im ebenfalls in dieser Epoche zu findenden Spiegelmotiv zeigt sich die Hinwendung der Romantik zum Unheimlichen. Die Romantik stellt die Freiheit der Phantasie sowohl über den Inhalt als auch über die Form des Werkes. Eine Konsequenz daraus ist ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Lyrik und Epik. Die starren Regeln und Ziele der Klassik werden in der Romantik zurückgelassen. Eine gewisse Maß- und Regellosigkeit in den Werken ist zu beobachten.

Das Gedicht besteht aus 48 Versen mit insgesamt 9 Strophen und umfasst dabei 171 Worte. Joseph von Eichendorff ist auch der Autor für Gedichte wie „Kurze Fahrt“, „Lied“ und „Mondnacht“. Zum Autor des Gedichtes „Anklänge“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 395 Gedichte vor.

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