Das Flügelroß von Joseph von Eichendorff
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Ich hab nicht viel hienieden, |
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Ich hab nicht Geld noch Gut; |
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Was vielen nicht beschieden, |
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Ist mein; - der frische Mut. |
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Was andre mag ergötzen, |
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Das kümmert wenig mich, |
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Sie leben in den Schätzen, |
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In Freuden lebe ich. |
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Ich hab ein Roß mit Flügeln |
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Getreu in Lust und Not, |
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Das wiehernd spannt die Flügel |
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Bei jedem Morgenrot. |
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Mein Liebchen! wie so öde |
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Wird's oft in Stadt und Schloß |
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Frisch auf und sei nicht blöde, |
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Besteig mit mir mein Roß! |
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Wir segeln durch die Räume |
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Ich zeig dir Meer und Land, |
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Wie wunderbare Träume |
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Tief unten ausgespannt. |
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Hellblinkend zu den Füßen |
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Unzähl'ger Ströme Lauf |
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Es steigt ein Frühlingsgrüßen |
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Verhallend zu uns auf. |
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Und bunt und immer wilder |
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In Liebe, Haß und Lust |
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Verwirren sich die Bilder |
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Was schwindelt dir die Brust? |
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So fröhlich tief im Herzen, |
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Zieh ich all' himmelwärts, |
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Es kommen selbst die Schmerzen |
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Melodisch an das Herz. |
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Der Sänger zwingt mit Klängen |
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Was störrig, dumpf und wild, |
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Es spiegelt in Gesängen |
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Die Welt sich göttlich mild. |
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Und unten nun verbrauset |
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Des breiten Lebens Strom, |
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Der Adler einsam hauset |
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Im stillen Himmelsdom. |
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Und sehn wir dann den Abend |
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Verhallen und verblühn, |
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Im Meere, kohle labend, |
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Die heil'gen Sterne glühn: |
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So lenken wir hernieder |
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Zu Waldes grünem Haus, |
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Und ruhn vom Schwung der Lieder |
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Auf blühndem Moose aus. |
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O sterndurchwebtes Düstern, |
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O heimlich stiller Grund! |
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O süßes Liebesflüstern |
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So innig Mund an Mund! |
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Die Nachtigallen locken, |
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Mein Liebchen atmet lind, |
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Mit Schleier zart und Locken |
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Spielt buhlerisch der Wind. |
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Und schlaf denn bis zum Morgen |
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So sanft gelehnt an mich! |
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Süß sind der Liebe Sorgen, |
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Dein Liebster wacht für dich. |
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Ich halt die blühnden Glieder, |
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Vor süßen Schauern bang, |
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Ich laß dich ja nicht wieder |
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Mein ganzes Leben lang! |
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Aurora will sich heben, |
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Du schlägst die Augen auf, |
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O wonniges Erbeben, |
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O schöner Lebenslauf! |
Details zum Gedicht „Das Flügelroß“
Joseph von Eichendorff
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68
303
1788 - 1857
Romantik
Gedicht-Analyse
Der Autor dieses Gedichts ist Joseph von Eichendorff, einen der bekanntesten Dichter der deutschen Romantik, der von 1788 bis 1857 lebte. Das Gedicht trägt den Namen „Das Flügelroß“ und wurde wahrscheinlich im 19. Jahrhundert verfasst, da dies die Blütezeit von Eichendorffs Schaffen war.
Beim ersten Lesen fällt auf, dass das Gedicht sehr fröhlich und erhebend ist. Es spricht von Freude, Liebe und Abenteuerlust, trotz der Tatsache, dass das lyrische Ich keinen materiellen Reichtum hat. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte lässt sich der Inhalt des Gedichts wie folgt zusammenfassen: Das lyrische Ich besitzt trotz seines materiellen Mangels einen unerschütterlichen und frischen Mut. Es hat ein „Roß mit Flügeln“, wahrscheinlich ein bildhafter Ausdruck für seine unbändige Freiheit und Kreativität, mit dem es durch die Welt streift und sein Liebchen zu Abenteuern aufruft. Reisen, Schönheit der Natur und Liebe machen sein Leben reich und erfüllt. Es endet mit einem 'wonnigen Erbeben' und dem 'schönen Lebenslauf', was auf die Zufriedenheit und Dankbarkeit des Ichs hindeutet.
Formal besteht das Gedicht aus sechzehn Strophen mit jeweils vier Versen, also insgesamt 64 Versen. Oft handelt es sich um einen Kreuzreim (ABAB), der das Gedicht flüssig und melodisch macht. Die Sprache von Eichendorff ist geprägt von Bildern und Metaphern, die Freiheit, Abenteuerlust, Natur und Liebe symbolisieren. Die wiederholte Verwendung des Verbs „leben“ zeigt die Lebensbejahung des lyrischen Ichs. Es gibt auch einige wiederkehrende Motive, wie die Natur (z.B. das „Frühlingsgrüßen“, „Waldes grünem Haus“), die Reise (z.B. „segeln durch die Räume“, „Meer und Land“) und die Liebe (z.B. „Liebesflüstern“, „Liebes Sorgen“). Diese Motive sind typisch für die Romantik, welche eine Rückzugsoption aus der industrialisierten Gesellschaft aufzeigen wollte.
Insgesamt ist „Das Flügelroß“ eine Ode an die Lebensfreude, Abenteuerlust und Liebe – trotz oder vielleicht gerade wegen des Mangels an materiellem Reichtum. Es zeigt typische Merkmale der Romantik wie die Sehnsucht nach der Ferne, die Betonung der Gefühle, die Verherrlichung der Natur und die Flucht in die Phantasie.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Das Flügelroß“ des Autors Joseph von Eichendorff. 1788 wurde Eichendorff geboren. Im Zeitraum zwischen 1804 und 1857 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Romantik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Eichendorff ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.
Die Romantik war eine Epoche der europäischen Literatur, Kunst und Kultur. Sie begann gegen Ende des 18. Jahrhunderts und dauerte in der Literatur bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Bis in das Jahr 1804 hinein spricht man in der Literatur von der Frühromantik, bis 1815 von der Hochromantik und bis 1848 von der Spätromantik. Zu großen gesellschaftlichen Umbrüchen führte die Industrialisierung. Die neue Maschinenwelt förderte Verstädterung und Landflucht. Die zuvor empfundene Geborgenheit war für die Lyriker der Romantik in Auflösung begriffen. In der Romantik gilt das Mittelalter als das Ideal und wird verherrlicht. Die Kunst und Architektur der Zeit des Mittelalters werden geschätzt, gepflegt und gesammelt. Übel und Missstände dieser Zeit bleiben außen vor und scheinen bei den Schriftstellern in Vergessenheit geraten zu sein. So ist gerade die Verklärung des Mittelalters ein zentrales Merkmal der Romantik. Des Weiteren sind die Weltflucht, die Hinwendung zur Natur und die romantische Ironie weitere zentrale Merkmale dieser Epoche. Die grundsätzlichen Themen waren Seele, Gefühle, Individualität und Leidenschaft. In der Literatur wurden diese Themen unter anderem durch Motive der Sehnsucht, Todessehnsucht, Fernweh oder Einsamkeit in der Fremde materialisiert. Die Stilepoche kennzeichnet sich vor allem durch offene Formen in Gedichten und Texten. Phantasie ist für die Schriftsteller der Romantik das Maß aller Dinge. Die Trennung zwischen Wissenschaft und Poesie, zwischen Wirklichkeit und Traum soll durchbrochen werden. Die Schriftsteller der Romantik streben eine Verschmelzung von Kunst und Literatur an. Ihr Ziel ist es, alle Lebensbereiche zu poetisieren.
Das 303 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 68 Versen mit insgesamt 16 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Joseph von Eichendorff sind „Lied“, „Mondnacht“ und „Morgengebet“. Zum Autor des Gedichtes „Das Flügelroß“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 395 Gedichte vor.
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