Der Gefangene von Joseph von Eichendorff
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In goldner Morgenstunde, |
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Weil alles freudig stand, |
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Da ritt im heitern Grunde |
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Ein Ritter über Land. |
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Rings sangen auf das beste |
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Die Vöglein mannigfalt, |
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Es schüttelte die Äste |
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Vor Lust der grüne Wald. |
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Den Nacken, stolz gebogen, |
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Klopft er dem Rösselein |
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So ist er hingezogen |
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Tief in den Wald hinein. |
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Sein Roß hat er getrieben, |
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Ihn trieb der frische Mut: |
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»Ist alles fern geblieben, |
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So ist mir wohl und gut!« |
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Mit Freuden mußt er sehen |
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Im Wald ein' grüne Au, |
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Wo Brünnlein kühle gehen, |
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Von Blumen rot und blau. |
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Vom Roß ist er gesprungen, |
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Legt' sich zum kühlen Bach, |
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Die Wellen lieblich klungen, |
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Das ganze Herz zog nach. |
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So grüne war der Rasen, |
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Es rauschte Bach und Baum, |
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Sein Roß tät stille grasen, |
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Und alles wie ein Traum. |
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Die Wolken sah er gehen, |
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Die schifften immerzu, |
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Er konnt nicht widerstehen |
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Die Augen sanken ihm zu. |
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Nun hört' er Stimmen rinnen, |
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Als wie der Liebsten Gruß, |
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Er konnt sich nicht besinnen |
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Bis ihn erweckt' ein Kuß. |
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Wie prächtig glänzt' die Aue! |
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Wie Gold der Quell nun floß, |
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Und einer süßen Fraue |
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Lag er im weichen Schoß. |
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»Herr Ritter! wollt Ihr wohnen |
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Bei mir im grünen Haus: |
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Aus allen Blumenkronen |
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Wind ich Euch einen Strauß! |
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Der Wald ringsum wird wachen, |
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Wie wir beisammen sein, |
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Der Kuckuck schelmisch lachen, |
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Und alles fröhlich sein.« |
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Es bog ihr Angesichte |
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Auf ihn, den süßen Leib, |
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Schaut' mit den Augen lichte |
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Das wunderschöne Weib. |
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Sie nahm sein'n Helm herunter, |
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Löst' Krause ihm und Bund, |
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Spielt' mit den Locken munter, |
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Küßt' ihm den roten Mund. |
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Und spielt' viel süße Spiele |
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Wohl in geheimer Lust, |
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Es flog so kühl und schwüle |
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Ihm um die offne Brust. |
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Um ihn nun tät sie schlagen |
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Die Arme weich und bloß, |
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Er konnte nichts mehr sagen, |
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Sie ließ ihn nicht mehr los. |
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Und diese Au zur Stunde |
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Ward ein kristallnes Schloß, |
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Der Bach ein Strom, gewunden |
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Ringsum, gewaltig floß. |
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Auf diesem Strome gingen |
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Viel Schiffe wohl vorbei, |
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Es konnt ihn keines bringen |
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Aus böser Zauberei. |
Details zum Gedicht „Der Gefangene“
Joseph von Eichendorff
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332
1788 - 1857
Romantik
Gedicht-Analyse
Das zu analysierende Gedicht „Der Gefangene“ wurde von Joseph von Eichendorff verfasst, einem der bedeutenden deutschen Lyriker der Romantik, der von 1788 bis 1857 lebte. Daher ist es zeitlich der Epoche der Romantik zuzuordnen – einer Zeit, in der Gefühle, Fantasie und Natur eine besondere Rolle spielten.
Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht heiter und märchenhaft. Es erzählt eine Geschichte in Versen und beschwört beeindruckende, teils verwunschene Naturbilder hervor.
Inhaltlich geht es um einen Ritter, der in den frühen Morgenstunden über das Land reitet. Besonders wird die frohe und lebendige Natur hervorgehoben. Der Ritter zieht in den Wald hinein. Auf einer grünen Aue ruht er sich aus und schläft an einem Bach ein. Er wacht auf, als er von einer schönen Frau geküsst wird. Sie lädt ihn ein, auf der Aue zu bleiben. Sie spielt mit seinen Haaren und küsst ihn. Dann wird die Aue zu einem Kristallschloss umgewandelt und ein Strom entsteht. Viele Schiffe passieren den Strom, aber keines kann ihn aus dieser verwunschenen Stelle befreien.
Das lyrische Ich könnte hier als der Erzähler und nicht als Hauptcharakter gesehen werden. Es vermittelt die Geschichte insgesamt sehr lebendig und detailreich. Die Geschichte könnte symbolisch für die Sehnsucht nach Liebe, Geborgenheit und Harmonie mit der Natur stehen. Gleichzeitig wird jedoch auch die Kehrseite dieser Romantisierung deutlich: Abgeschiedenheit und die Unmöglichkeit, dieser Traumwelt zu entkommen.
Die 18 Strophen des Gedichts bestehen jeweils aus vier Versen. Dieser recht strenge Aufbau steht im Gegensatz zu der fantasievollen und wenig reglementierten inhaltlichen Ebene. Der strenge Aufbau könnte die traditionelle Rolle des Ritters und die bestehenden gesellschaftlichen Normen der Zeit widerspiegeln.
Die Sprache des Gedichts ist einfach und klar, aber gleichzeitig sehr bildhaft und poetisch. Es enthält viele Naturbeschreibungen und vermittelt eine intensive Atmosphäre. Insgesamt lässt sich „Der Gefangene“ von Eichendorff als typisches Beispiel für die Epoche der Romantik bezeichnen.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Der Gefangene“ des Autors Joseph von Eichendorff. Geboren wurde Eichendorff im Jahr 1788 . Im Zeitraum zwischen 1804 und 1857 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Eichendorff ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.
Die Romantik ist eine Epoche der Kulturgeschichte, zeitlich anzusiedeln vom späten 18. Jahrhundert bis spät in das 19. Jahrhundert hinein. Auf die Literatur bezogen: von 1795 bis 1848. Sie hatte verschiedenste Auswirkungen auf Literatur, Kunst, Musik und Philosophie jener Zeit. Bis in das Jahr 1804 hinein spricht man in der Literatur von der Frühromantik, bis 1815 von der Hochromantik und bis 1848 von der Spätromantik. Die Zeit der Romantik war für die Menschen in Europa von bedeutenden Umbrüchen geprägt. Die Französische Revolution (1789 - 1799) zog weitreichende Folgen für ganz Europa nach sich. Auch der Fortschritt in Technik und Wissenschaft, der den Beginn des industriellen Zeitalters einläutete, verunsicherte die Menschen und prägte die Gesellschaft. Als Merkmale der Literatur der Romantik sind die Weltflucht, die Verklärung des Mittelalters, die Hinwendung zur Natur, die Betonung subjektiver Gefühle und des Individuums, der Rückzug in Fantasie- und Traumwelten oder die Faszination des Unheimlichen aufzuführen. Bedeutende Symbole der Romantik sind die Blaue Blume oder das Spiegel- und Nachtmotiv. Die äußere Form von romantischer Dichtung ist völlig offen. Kein starres Schema grenzt die Literatur ein. Dies steht ganz im Gegensatz zu den strengen Normen der Klassik. In der Romantik entstehen erstmals Sammlungen so genannter Volkspoesie. Bekannte Beispiele dafür sind Grimms Märchen und die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn. Doch bereits unmittelbar nach Erscheinen wurde die literarische Bearbeitung (Schönung) durch die Autoren kritisiert, die damit ihre Rolle als Chronisten weit hinter sich ließen.
Das 332 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 72 Versen mit insgesamt 18 Strophen. Die Gedichte „In Danzig“, „Kurze Fahrt“ und „Lied“ sind weitere Werke des Autors Joseph von Eichendorff. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Gefangene“ weitere 395 Gedichte vor.
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