Der Wachtturm von Joseph von Eichendorff

Ich sah im Mondschein liegen
Die Felsen und das Meer,
Ich sah ein Schifflein fliegen
Still durch die Nacht daher.
 
Ein Ritter saß am Steuer,
Ein Fräulein stand am Bord,
Im Winde weht' ihr Schleier,
Die sprachen kein einzig Wort.
 
Ich sah verfallen grauen
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Das hohe Königshaus,
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Den König stehn und schauen
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Vom Turm ins Meer hinaus.
 
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Und als das Schiff verschwunden,
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Er warf seine Krone nach,
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Und aus dem tiefen Grunde
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Das Meer wehklagend brach.
 
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Das war der kühne Buhle,
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Der ihm sein Kind geraubt,
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Der König, der verfluchet
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Der eignen Tochter Haupt.
 
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Da hat das Meer mit Toben
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Verschlungen Ritter und Maid,
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Der König starb da droben
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In seiner Einsamkeit.
 
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Nun jede Nacht vor Sturme
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Das Schiff vorüberzieht,
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Der König von dem Turme
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Nach seinem Kinde sieht.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.2 KB)

Details zum Gedicht „Der Wachtturm“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
129
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Der Autor dieses Gedichts ist Joseph von Eichendorff, ein deutscher Lyriker und Schriftsteller der Romantik, geboren 1788 und gestorben 1857.

Auf den ersten Blick erzeugt das Gedicht „Der Wachtturm“ eine mystische und gleichzeitig tragische Atmosphäre. Es erzählt eine Geschichte von Liebe, Verlust und Sehnsucht.

Das lyrische Ich schildert die Szene, wie es vom Wachtturm aus eine Szenerie bei Mondschein beobachtet: Ein kleines Schiff, auf dem sich ein Ritter und ein Fräulein befinden, gleitet still durch die Nacht. Das Paar spricht kein Wort. Der König, der vom Wachtturm auf das Meer blickt, sieht sein zerfallendes Königshaus und schließlich auch das verschwindende Schiff. Aus Verzweiflung wirft er seine Krone ins Meer und stirbt einsam.

Es wird enthüllt, dass der Ritter der Geliebte war, der die Tochter des Königs entführt hatte, was den König zur Verfluchung seiner eigenen Tochter veranlasst hatte. Das Meer verschlingt das Paar und der König stirbt in seiner Einsamkeit. Jede Nacht zieht das Geisterschiff vorbei und der König vom Turm sucht nach seiner Tochter.

Das Gedicht ist im Stil der Romantik geschrieben und zeichnet sich durch seinen bildhaften und emotionalen Ausdruck aus. Es hat eine klare Struktur: Sieben Strophen mit je vier Versen, die ein einheitliches Versmaß aufweisen. Die Sprache ist schlicht und dennoch ausdrucksstark. Eichendorff verwendet Metaphern, um die Stimmung und die Gefühle der Charaktere widerzuspiegeln. Der Mondschein, das stille Meer, das stumme Paar und der verfallene Königspalast sind starke Bilder, die die Melancholie und die Verzweiflung der Geschichte einfangen.

Insgesamt handelt es sich bei „Der Wachtturm“ um ein romantisch-melancholisches Gedicht, das eine tragische Liebesgeschichte erzählt. Es zeigt die Konsequenzen von Stolz und Starrsinn und thematisiert die unbezwingbare Kraft von Liebe und Sehnsucht. Durch die stimmungsvolle Sprache und die ausdrucksstarken Bilder vermittelt es ein tiefes Gefühl von Trauer und Verlust, aber auch von unauslöschlicher Liebe.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Der Wachtturm“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joseph von Eichendorff. Der Autor Joseph von Eichendorff wurde 1788 geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1804 und 1857. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Der Schriftsteller Eichendorff ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein dauerte und sich insbesondere auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik äußerte. Aber auch die Gebiete Geschichte, Theologie und Philosophie sowie Medizin und Naturwissenschaften waren von ihren Auswirkungen betroffen. Die Literatur der Romantik (ca. 1795–1848) lässt sich in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) aufgliedern. Die Epoche der Romantik entstand in Folge politischer Krisen und gesellschaftlicher Umbrüche. In ganz Europa fand ein Übergang von der feudalen zur bürgerlichen Gesellschaft statt. Gleichzeitig bildete sich ein bürgerliches Selbstbewusstsein heraus. Industrialisierung und technologischer Fortschritt sind prägend für diese Zeit. Die zentralen Motive der Literatur der Romantik sind das Schaurige, Unterbewusste, Fantastische, Leidenschaftliche, Individuelle, Gefühlvolle und Abenteuerliche, welche die Grenzen des Verstandes sprengen und erweitern sollen und sich gegen das bloße Nützlichkeitsdenken sowie die Industrialisierung richten. Die Schriftsteller der Romantik sehnen sich nach der Einheit von Geist und Natur. Ein Hinwenden zum Mittelalter ist erkennbar. So werden Kunst und Architektur dieser vergangenen Zeit geschätzt. Die Missstände dieser Zeit bleiben jedoch unerwähnt. Die Romantik stellt die Freiheit der Phantasie sowohl über den Inhalt als auch über die Form des Werkes. Eine Konsequenz daraus ist ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Lyrik und Epik. Die starren Regeln und Ziele der Klassik werden in der Romantik zurückgelassen. Eine gewisse Maß- und Regellosigkeit in den Werken ist zu beobachten.

Das vorliegende Gedicht umfasst 129 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 28 Versen. Die Gedichte „Auch ein Gedicht?“, „Der Isegrimm“ und „Der verliebte Reisende“ sind weitere Werke des Autors Joseph von Eichendorff. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Wachtturm“ weitere 395 Gedichte vor.

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