Zauberblick von Joseph von Eichendorff

Die Burg, die liegt verfallen
In schöner Einsamkeit
Dort saß ich vor den Hallen
Bei stiller Mittagszeit.
 
Es ruhten in der Kühle
Die Rehe auf dem Wall
Und tief in blauer Schwüle
Die sonn'gen Täler all.
 
Tief unten hört ich Glocken
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In weiter Ferne gehn,
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Ich aber mußt erschrocken
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Zum alten Erker sehn.
 
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Denn in dem Fensterbogen
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Ein' schöne Fraue stand,
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Als hütete sie droben
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Die Wälder und das Land.
 
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Ihr Haar, wie 'n goldner Mantel,
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War tief herabgerollt;
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Auf einmal sie sich wandte,
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Als ob sie sprechen wollt.
 
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Und als ich schauernd lauschte
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Da war ich aufgewacht,
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Und unter mir schon rauschte
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So wunderbar die Nacht.
 
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Träumt ich im Mondesschimmer?
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Ich weiß nicht, was mir graut,
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Doch das vergeß ich nimmer,
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Wie sie mich angeschaut!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.3 KB)

Details zum Gedicht „Zauberblick“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
126
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht ist „Zauberblick“ von Joseph von Eichendorff, einem bekannten deutschen Schriftsteller und bedeutenden Lyriker der Romantik. Eichendorff lebte von 1788 bis 1857, was das Gedicht zeitlich in die Epoche der Romantik einordnet, die zwischen dem späten 18. und dem frühen 19. Jahrhundert stattfand.

Der erste Eindruck des Gedichts ist von einer ruhigen und malerischen Atmosphäre geprägt, wobei das Bild einer verlassenen Burg in einer schönen Einsamkeit skizziert wird. Die Natur scheint in Harmonie mit der zerfallenen Struktur zu leben, wobei die Ruhe und Einsamkeit des Ortes in den Vordergrund gerückt werden.

Inhaltlich beschreibt das lyrische Ich seine Beobachtungen und Erfahrungen in und um eine verfallene Burg. Es sitzt dort in der Stille der Mittagszeit, bewundert die umliegende Natur und hört entfernte Glocken. Plötzlich sieht es im Fensterbogen eine schöne Frau, die das Land zu beschützen scheint. Ihre goldenen Haare wirken wie ein Mantel. Sie dreht sich dann weg und es scheint, als würde sie sprechen. Das weckt das lyrische Ich aus dem, was sich als Traum herausstellt. Obwohl nun die Nacht eingebrochen ist, kann das lyrische Ich den Blick der Frau nicht vergessen.

Im Gedicht wird ein Gefühl der Einsamkeit, Ruhe und Sehnsucht deutlich. Der erwachende Traum und die erschreckende Schönheit der Frau könnten symbolisch für die unerreichbaren Sehnsüchte und Träume des lyrischen Ichs stehen, eine gängige Thematik in der Romantik.

In Bezug auf die Form folgt das Gedicht einer konsequenten Struktur von sieben Strophen zu je vier Versen, ein sogenanntes Vierheber. Es folgt einem regelmäßigen Reimschema (abab), was typisch für die formstrenge Dichtung dieser Epoche ist.

Die Sprache des Gedichts ist relativ einfach und verständlich, wobei Eichendorff Bilder und Metaphern verwendet, um die Atmosphäre und Emotionen zu beschreiben. Er nutzt Visualisierungen, wie die der verfallenen Burg, der goldenen Haare der Frau oder der sonnigen Täler, um sowohl die Umgebung als auch die Stimmung des lyrischen Ichs darzustellen. Auch die Verwendung von Naturlandschaften steht in der Romantik oft symbolisch für innere Gefühlszustände oder Sehnsüchte.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Zauberblick“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joseph von Eichendorff. Der Autor Joseph von Eichendorff wurde 1788 geboren. Im Zeitraum zwischen 1804 und 1857 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Bei Eichendorff handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis spät in das 19. Jahrhundert hinein andauerte. Insbesondere in den Bereichen der Literatur, Musik oder der bildenden Kunst hatte diese Epoche umfangreiche Auswirkungen. Die Epoche wird in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) unterschieden. Die Zeit der Romantik war für die Menschen in Europa von Umbrüchen geprägt. Die Französische Revolution (1789 - 1799) zog weitreichende Folgen für ganz Europa nach sich. Auch der Fortschritt in Technik und Wissenschaft, der den Beginn des industriellen Zeitalters einläutete, verunsicherte die Menschen und prägte die Gesellschaft. Als Merkmale der Literatur der Romantik sind die Weltflucht, die Verklärung des Mittelalters, die Hinwendung zur Natur, die Betonung subjektiver Gefühle und des Individuums, der Rückzug in Fantasie- und Traumwelten oder die Faszination des Unheimlichen aufzuführen. Bedeutende Symbole der Romantik sind die Blaue Blume oder das Spiegel- und Nachtmotiv. Die äußere Form von romantischer Dichtung ist völlig offen. Kein starres Schema grenzt die Literatur ein. Dies steht ganz im Gegensatz zu den strengen Normen der Klassik. In der Romantik entstehen erstmals Sammlungen so genannter Volkspoesie. Bekannte Beispiele dafür sind Grimms Märchen und die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn. Doch bereits unmittelbar nach Erscheinen wurde die literarische Bearbeitung (Schönung) durch die Autoren kritisiert, die damit ihre Rolle als Chronisten weit hinter sich ließen.

Das vorliegende Gedicht umfasst 126 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 28 Versen. Der Dichter Joseph von Eichendorff ist auch der Autor für Gedichte wie „Mondnacht“, „Morgengebet“ und „Ostern“. Zum Autor des Gedichtes „Zauberblick“ haben wir auf abi-pur.de weitere 395 Gedichte veröffentlicht.

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