Ostern von Theodor Storm

Es war daheim auf unserm Meeresdeich;
Ich ließ den Blick am Horizonte gleiten,
Zu mir herüber scholl verheißungsreich
Mit vollem Klang das Osterglockenläuten.
 
Wie brennend Silber funkelte das Meer,
Die Inseln schwammen auf dem hohen Spiegel,
Die Möwen schossen blendend hin und her,
Eintauchend in die Flut die weißen Flügel.
 
Im tiefen Kooge bis zum Deichesrand
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War sammetgrün die Wiese aufgegangen;
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Der Frühling zog prophetisch über Land,
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Die Lerchen jauchzten und die Knospen sprangen.
 
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Entfesselt ist die urgewalt'ge Kraft,
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Die Erde quillt, die jungen Säfte tropfen,
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Und alles treibt, und alles webt und schafft,
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Des Lebens vollste Pulse hör ich klopfen.
 
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Der Flut entsteigt der frische Meeresduft;
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Vom Himmel strömt die goldne Sonnenfülle;
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Der Frühlingswind geht klingend durch die Luft
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Und sprengt im Flug des Schlummers letzte Hülle.
 
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O wehe fort, bis jede Knospe bricht,
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Daß endlich uns ein ganzer Sommer werde;
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Entfalte dich, du gottgebornes Licht,
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Und wanke nicht, du feste Heimaterde!
 
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Hier stand ich oft, wenn in Novembernacht
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Aufgor das Meer zu gischtbestäubten Hügeln,
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Wenn in den Lüften war der Sturm erwacht,
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Die Deiche peitschend mit den Geierflügeln.
 
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Und jauchzend ließ ich an der festen Wehr
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Den Wellenschlag die grimmen Zähne reiben;
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Denn machtlos, zischend schoß zurück das Meer
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Das Land ist unser, unser soll es bleiben!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.4 KB)

Details zum Gedicht „Ostern“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
209
Entstehungsjahr
1817 - 1888
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das vorgelegte Gedicht ist „Ostern“ von Theodor Storm, einem bedeutenden deutschen Schriftsteller des Realismus, der im 19. Jahrhundert lebte und arbeitete.

Auf den ersten Blick ist das Gedicht eine detaillierte und farbenfrohe Beschreibung einer Frühlingslandschaft zu Ostern. Es wird eine Atmosphäre des Aufblühens und der Wiedererweckung vermittelt, die der Leser fast physisch spüren kann.

Das lyrische Ich steht auf einem Deich, der die Heimat vom Meer trennt, und lässt seinen Blick über die Landschaft schweifen. Dabei nimmt er ein intensiv lebendiges Panorama wahr: die Natur erwacht in all ihrem Glanz - das Meer glitzert, die Möwen fliegen auf und ab, die Wiesen sind in frischem Grün getaucht und die Osterglocken läuten mit vollem Klang. Im weiteren Verlauf des Gedichts wird das lyrische Ich angesichts der kraftvollen und unermüdlichen Prozesse der Natur zum Nachdenken angeregt.

Storm verwendet eine sehr bildliche und emotionale Sprache, um die Schönheit, Kraft und Unendlichkeit der Natur darzustellen. Gleichzeitig betont das lyrische Ich die Verbundenheit und Zugehörigkeit zur Heimat („Das Land ist unser, unser soll es bleiben!“).

In Bezug auf die Form weist das Gedicht eine strenge Struktur auf: es besteht aus acht gleich strukturierten Strophen mit jeweils vier Versen. Die strenge Form steht im Kontrast zur lebendigen und bewegten Beschreibung der Natur. Dies verleiht dem Gedicht eine gewisse Ernsthaftigkeit und Tiefe.

Insgesamt stellt „Ostern“ eine Hommage an das Erwachen des Lebens und der Natur dar. Storm betont die Kraft und Schönheit der Natur und ihre Fähigkeit zur ständigen Wiedererweckung und Veränderung. Gleichzeitig unterstreicht das lyrische Ich die Verbundenheit zur Heimat und den Wunsch, sie zu bewahren.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Ostern“ ist Theodor Storm. Geboren wurde Storm im Jahr 1817 in Husum. Zwischen den Jahren 1833 und 1888 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Realismus zuordnen. Bei Storm handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 209 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 32 Versen. Der Dichter Theodor Storm ist auch der Autor für Gedichte wie „Abschied“, „Abseits“ und „Bettlerliebe“. Zum Autor des Gedichtes „Ostern“ haben wir auf abi-pur.de weitere 131 Gedichte veröffentlicht.

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