Im Herbste 1850 von Theodor Storm

Und schauen auch von Turm und Tore
Der Feinde Wappen jetzt herab,
Und rissen sie die Trikolore
Mit wüster Faust von Kreuz und Grab;
 
Und müßten wir nach diesen Tagen
Von Herd und Heimat bettelnd gehn
Wir wollen's nicht zu laut beklagen;
Mag, was da muß, mit uns geschehn!
 
Und wenn wir hülfelos verderben,
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Wo keiner unsre Schmerzen kennt,
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Wir lassen unsern spätsten Erben
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Ein treu besiegelt Testament;
 
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Denn kommen wird das frische Werde,
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Das auch bei uns die Nacht besiegt,
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Der Tag, wo diese deutsche Erde
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Im Ring des großen Reiches liegt.
 
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Ein Wehe nur und eine Schande
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Wird bleiben, wenn die Nacht verschwand:
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Daß in dem eignen Heimatlande
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Der Feind die Bundeshelfer fand;
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Daß uns von unsern eignen Brüdern
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Der bittre Stoß zum Herzen drang,
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Die einst mit deutschen Wiegenliedern
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Die Mutter in den Schlummer sang;
 
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Die einst von deutscher Frauen Munde
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Der Liebe holden Laut getauscht,
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Die in des Vaters Sterbestunde
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Mit Schmerz auf deutsches Wort gelauscht.
 
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Nicht viele sind's und leicht zu kennen
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O haltet ein! Ihr dürft sie nicht
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In Mitleid noch im Zorne nennen,
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Nicht in Geschichte noch Gedicht.
 
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Laßt sie, wenn frei die Herzen klopfen,
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Vergessen und verschollen sein,
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Und mischet nicht die Wermutstropfen
36 
In den bekränzten deutschen Wein!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.4 KB)

Details zum Gedicht „Im Herbste 1850“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
206
Entstehungsjahr
1817 - 1888
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht wurde vom deutschen Schriftsteller Theodor Storm verfasst und trägt den Titel „Im Herbste 1850“. Dieses Jahr ist von besonderer Bedeutung, da zu dieser Zeit in Deutschland die Revolution von 1848/49 scheiterte, was zur Enttäuschung der Liberalen und Patrioten führte.

Erster Eindruck: Das Gedicht wirkt bedrückend und nachdenklich. Es scheint, dass das lyrische Ich im Interesse von Deutschland und der Einheit des Landes eine ernste Botschaft überbringt.

Inhalt/Analyse des lyrischen Ich: Das Gedicht handelt von der gegenwärtigen nationalen Krise und dem drohenden Verlust der Heimat. Es wünscht allerdings nicht, dass man diese Situation beklagt, sondern es akzeptiert, was auch immer die Zukunft bringen mag. Es vermittelt die Hoffnung auf bessere Tage, in denen Deutschland wieder vereint sein wird. Allerdings gibt es eine dauerhafte „Schande“ und „Wehe“, da es Deutsche gab, die auf der Seite des Feindes standen. Dieser „Verrat“ wird als besonders hart und schmerzhaft empfunden. Trotzdem soll man diese „Verräter“ weder in Mitleid noch Zorn erwähnen, und sie sollten vergessen werden, um das Gedenken an Deutschland nicht zu trüben.

Form und Sprache: Das Gedicht besteht aus acht Strophen mit je vier Versen, bis auf die fünfte Strophe welche acht Verse hat. Es nutzt einfache, leicht verständliche und nah an Alltagssprache liegende Ausdrücke. Das Gedicht behält trotz der dunklen Thematik eine poetische Schönheit durch den Einsatz von Metaphern und Symbolik. Es verwendet das Symbol der Trikolore, um Deutschland darzustellen, und das des Kreuzes und Grabes, um den Verrat zu symbolisieren.

Zusammenfassend ist „Im Herbste 1850“ ein patriotisches Gedicht, das den Schmerz und die Enttäuschung nach dem Scheitern der Revolution zum Ausdruck bringt, aber auch Hoffnung auf einen zukünftigen Tag der Einheit Deutschlands ausdrückt. Es kritisiert die Deutschen, die ihre Landsleute verraten haben, doch dazu aufruft, diese zu vergessen und nicht zu verurteilen. Es ist somit ein Aufruf an das lyrische Kollektiv, die Lage zu akzeptieren und hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken.

Weitere Informationen

Theodor Storm ist der Autor des Gedichtes „Im Herbste 1850“. Im Jahr 1817 wurde Storm in Husum geboren. Zwischen den Jahren 1833 und 1888 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Bei Storm handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 206 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 36 Versen. Weitere Werke des Dichters Theodor Storm sind „Abseits“, „Bettlerliebe“ und „Die Stadt“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Im Herbste 1850“ weitere 131 Gedichte vor.

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