Gräber an der Küste von Theodor Storm
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Mit Kränzen haben wir das Grab geschmückt, |
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Die stille Wiege unsrer jungen Toten; |
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Den grünsten Efeu haben wir gepflückt, |
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Die spätsten Astern, die das Jahr geboten. |
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Hier ruhn sie waffenlos in ihrer Gruft, |
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Die man hinaustrug aus dem Pulverdampfe; |
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Vom Strand herüber weht der Meeresduft, |
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Die Schläfer kühlend nach dem heißen Kampfe. |
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Es steigt die Flut; vom Ring des Deiches her |
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Im Abendschein entbrennt der Wasserspiegel; |
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Ihr schlafet schön! Das heimatliche Meer |
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Wirft seinen Glanz auf euren dunklen Hügel. |
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Und rissen sie die Farben auch herab, |
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Für die so jung ihr ginget zu den Bleichen, |
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Oh, schlafet ruhig! Denn von Grab zu Grab |
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Wehn um euch her der Feinde Wappenzeichen. |
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Nicht euch zum Ruhme sind sie aufgesteckt; |
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Doch künden sie, daß eure Kugeln trafen, |
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Daß, als ihr euch zur ew'gen Ruh gestreckt, |
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Den Feind ihr zwanget, neben euch zu schlafen. |
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Ihr aber, denen ohne Trommelschlag |
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Durch Feindeshand bereitet ward der Rasen, |
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Hört dieses Lied! und harret auf den Tag, |
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Daß unsre Reiter hier Reveille blasen! |
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Doch sollte dieser heiße Lebensstreit |
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Verlorengehn wie euer Blut im Sande |
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Und nur im Reiche der Vergangenheit |
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Der Name leben dieser schönen Lande: |
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In diesem Grabe, wenn das Schwert zerbricht, |
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Liegt deutsche Ehre fleckenlos gebettet! |
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Beschützen konntet ihr die Heimat nicht, |
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Doch habt ihr sterbend sie vor Schmach gerettet. |
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Nun ruht ihr, wie im Mutterschoß das Kind, |
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Und schlafet aus auf heimatlichem Kissen; |
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Wir andern aber, die wir übrig sind, |
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Wo werden wir im Elend sterben müssen! |
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Schon hatten wir zu festlichem Empfang |
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Mit Kränzen in der Hand das Haus verlassen; |
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Wir standen harrend ganze Nächte lang, |
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Doch nur die Toten zogen durch die Gassen. |
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So nehmet denn, ihr Schläfer dieser Gruft, |
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Die spätsten Blumen, die das Jahr geboten! |
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Schon fällt das Laub im letzten Sonnenduft |
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Auch dieses Sommers Kranz gehört den Toten. |
Details zum Gedicht „Gräber an der Küste“
Theodor Storm
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1817 - 1888
Realismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Gräber an der Küste“ wurde von Theodor Storm geschrieben, der von 1817 bis 1888 lebte. Damit kann das Werk in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts eingeordnet werden, in welcher Storm einige seiner bekanntesten Arbeiten schuf.
Bereits beim ersten Lesen wird deutlich, dass das lyrische Ich einen Friedhof an der Küste beschreibt, auf dem junge Soldaten begraben liegen, die im Krieg gefallen sind. Die melancholische und traurige Stimmung, die das Gedicht ausstrahlt, ist stark und bewegend.
Inhaltlich geht es um das lyrische Ich, das die Gräber der jungen Soldaten schmückt und reflektiert. Es wird die sinnlose Verschwendung des jungen Lebens im Krieg und die heroischen, jedoch verzweifelten, Versuche der jungen Männer, ihre Heimat zu verteidigen, thematisiert. Die Tragik und das Leid, das damit einhergeht, wird deutlich in den bildhaften Beschreibungen des Meeres, des Grabes und der allgemeinen Umgebung zum Ausdruck gebracht.
Formal handelt es sich um ein lyrisches Gedicht, bestehend aus elf Strophen mit je vier Versen. Die Sprache ist klar und deutlich, aber gleichzeitig bildhaft und emotional. Besonders auffallend ist die wiederholte Verwendung von Naturbildern, wie dem Grün des Efeus oder dem Duft des Meeres, die einerseits zur Veranschaulichung der Szenerie dienen, andererseits aber auch symbolisch gelesen werden können. So steht der Efeu beispielsweise für das ewige Leben und das Meer fungiert oft als Metapher für den Tod und das Unbekannte. Auch die wiederholte Erwähnung der Kränze und der Blumen kann als Symbol für Ehre und Respekt, aber auch für Vergänglichkeit und Tod interpretiert werden.
Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass Storm in „Gräber an der Küste“ den Tod junger Soldaten lamentiert und gleichzeitig die Tragik von Krieg und Gewalt aufzeigt. Trotz der dunklen Thematik schafft es Storm dabei, durch seinen poetischen Stil und die einfühlsame Sprache, das Gedicht zu einem berührenden und gleichzeitig nachdenklich stimmenden Leseerlebnis zu machen.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Gräber an der Küste“ ist Theodor Storm. Der Autor Theodor Storm wurde 1817 in Husum geboren. In der Zeit von 1833 bis 1888 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Realismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Storm ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 298 Wörter. Es baut sich aus 11 Strophen auf und besteht aus 44 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Theodor Storm sind „Juli“, „Knecht Ruprecht“ und „Käuzlein“. Zum Autor des Gedichtes „Gräber an der Küste“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 131 Gedichte vor.
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