Das Wunder der Natur, das überweise Tier von Andreas Gryphius
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Das Wunder der Natur, das überweise Tier, |
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Hat nichts, das seiner Zungen sei zu gleichen. |
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Ein wildes Vieh entdeckt mit stummen Zeichen |
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Des innern Herzens Sinn; mit Worten herrschen wir! |
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Der Türme Last und was das Land beschwert, |
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Der Schiffe Bau, und was die See durchfährt, |
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Der Sternen große Kraft, |
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Was Luft und Flamme schafft, |
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Was Chloris läßt in ihren Gärten schauen, |
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Was das gesetzte Recht von allen Völkern will, |
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Was Gott der Welt ließ von sich selbst vertrauen, |
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Was in der Blüte steht, was durch die Zeit verfiel, |
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Wird durch dies Werkzeug nur entdecket. |
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Freundschaft, die Tod und Ende schrecket, |
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Die Macht, die wildes Volk zu Sitten hat gezwungen |
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Des Menschen Leben selbst beruht auf seiner Zungen. |
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Doch nichts ist, das so scharf als eine Zunge sei! |
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Nichts, das so tief uns Arme stürzen könne! |
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O daß der Himmel stumm zu werden gönne |
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Dem, der mit Worten frech, mit Reden viel zu frei! |
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Der Städte Graus, das leichenvolle Feld, |
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Der Schiffe Brand, das Meer durch Blut verstellt, |
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Die schwarze Zauberkunst, |
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Der eiteln Lehre Dunst, |
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Die Macht, durch Gift den Parzen vorzukommen, |
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Der Völker grimmer Haß, der ungeheure Krieg, |
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Der Zank, der Kirch und Seelen eingenommen, |
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Der Tugend Untergang, der grimmen Laster Sieg |
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Ist durch der Zungen Macht geboren, |
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Durch welche Lieb und Treu verloren. |
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Wie manchen hat die Zung in seine Gruft gedrungen! |
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Des Menschen Tod beruht auf jedes Menschen Zungen! |
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Lernt, die ihr lebt, den Zaum in eure Lippen legen, |
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In welchen Heil und Schaden wohnet |
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Und was verdammt und was belohnet! |
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Wer Nutz durch Worte sucht, soll jedes Wort erwägen. |
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Die Zung ist dieses Schwert, |
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So schützet und verletzt; |
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Die Flamme, so verzehrt |
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Und eben wohl ergetzt, |
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Ein Hammer, welcher baut und bricht, |
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Ein Rosenzweig, der räucht und sticht, |
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Ein Strom, der tränket und ertränket, |
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Die Arznei, welch' erquickt und kränket, |
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Die Bahn, auf der es oft gefehlet und gelungen. |
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Dein Leben, Mensch! und Tod hält stets auf deiner Zungen! |
Details zum Gedicht „Das Wunder der Natur, das überweise Tier“
Andreas Gryphius
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46
323
1616 - 1664
Barock
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Das Wunder der Natur, das überweise Tier“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Andreas Gryphius. Gryphius wurde im Jahr 1616 in Glogau geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1632 und 1664. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Barock zu. Bei dem Schriftsteller Gryphius handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.
Die Literaturepoche des Barock folgt auf die Epoche der Renaissance und des Humanismus und umfasst den Zeitraum von circa 1600 bis 1720. Der Begriff leitet sich von dem portugiesischen Wort „barocco“ ab. Der Begriff stammt aus der Juweliersprache und bedeutet „seltsam geformte, schiefrunde Perle“. Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) hat die Epoche des Barocks in hohem Maße geprägt. Der Krieg war eine Katastrophe von unvorstellbarem Ausmaß. Die Bevölkerung litt unter den Kämpfen, Hungersnöten und vornehmlich unter der Pest, an der viele Menschen starben. Die Anzahl der Menschen in Deutschland ging um etwa ein Drittel zurück. Die Epoche des Barocks in der deutschen Literaturgeschichte wurde von Gegensätzen geprägt. Dabei standen vorrangig das Jenseits und das Diesseits oder das Sein und der Schein im Mittelpunkt der barocken Dichtung. Von Gegensätzen gezeichnet war auch das Leben der Bevölkerung. So lebte der überwiegende Teil der Bevölkerung in Armut, Adelige hingegen lebten einen luxuriösen und verschwenderischen Lebensstil. Die Zeit des Barocks stellte einen Wandel von lateinischer zu deutschsprachiger Literatur dar. Die bedeutendste Literaturform des Barocks war dabei die Lyrik. Das Sonett war die häufigste Form eines Gedichts, die Verwendung fand. Autoren und Werke sind zahlreich in dieser Zeit. Andreas Gryphius, Martin Opitz oder Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen sind typische Vertreter der Zeit des Barocks.
Das vorliegende Gedicht umfasst 323 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 46 Versen. Andreas Gryphius ist auch der Autor für Gedichte wie „An Jolinden“, „An den gecreutzigten Jesum“ und „An den gefangenen Dicaeus“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Das Wunder der Natur, das überweise Tier“ weitere 461 Gedichte vor.
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