An Jolinden von Andreas Gryphius

Was habt ihr / das ihr mögt an euch eur eigen nennen!
Die Schminck ists / die euch so bluttrotte Lippen macht:
Die Zähne sind durch Kunst in leeren Mund gebracht.
Man weiß das Meisterstück / wordurch die Wangen brennen.
Eur eingekauftes Haar kan auch ein Kind’ erkennen.
Der schlimme Schweiß entdeckt deß Halses falsche Pracht.
Vnd die polirte Stirn wird billich außgelacht
Wenn sich der Salben Eys will bey den Runtzeln trennen.
 
Gemahlte / sagt mir doch / wer seyd ihr / vnd wie alt?
10 
Ihr meyn ich / sechzehn Jahr / drey Stunden die Gestalt.
11 
Ihr seyd von Haus’ vnd sie ist über See ankommen.
12 
Ihr schätzt euch trefflich hoch / vmbsonst! der Maler hat
13 
Noch für ein schöner Bild / das feil war in der Stadt
14 
Vnd länger bleibt / denn ihr / drey Kronen nur genommen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.2 KB)

Details zum Gedicht „An Jolinden“

Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
14
Anzahl Wörter
128
Entstehungsjahr
1658
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „An Jolinden“ gehört zu den Werken des Barockdichters Andreas Gryphius, der im 17. Jahrhundert (1616-1664) lebte. Seine Dichtungen sind in erster Linie durch die Erfahrungen des Dreißigjährigen Kriegs und seinen tiefen christlichen Glauben geprägt.

Der erste Eindruck von „An Jolinden“ ist eher negativ, da das lyrische Ich scharf die Künstlichkeit und Eitelkeit einer Frau, wohl Jolinde, kritisiert.

In einfachen Worten geht es in dem Gedicht um die Kritik an der körperlichen Eitelkeit und dem Behauptungslügner der Frauen. Gryphius wirft der angesprochenen Frau vor, ihre Schönheit nicht der Natur, sondern kosmetischen Hilfsmitteln wie Schminke, gefärbten Haaren und Zahnprothesen zu verdanken. Er kritisiert ihre Künstlichkeit und Scheinheiligkeit und spottet über ihre altersbedingten makelte Schönheit. Er argumentiert zynisch, dass ihre Geltungssucht und Kontrolle ihr nur Schande bringt, denn ein vom Maler gemaltes Porträt bleibt länger schön und kostet weniger.

Die Form des Gedichtes zeigt Merkmale von Sonetten, weswegen man von einer Sonettenform sprechen kann. Die Umgangssprache des 17. Jahrhunderts ist inhaltlich an ein höfisches Publikum gerichtet und die Ironie ergibt einen weiteren interessanten Aspekt der Sprache des Gedichts.

Die Sprache und Form des Gedichts zeigen, dass Gryphius mit scharfem Gewürz und sardonischem Humor gesellschaftliche Missstände und weibliche Eitelkeit kritisiert. Dabei verwendet er eine veraltet anmutende Diktion, die dem historischen Kontext entspricht und spiegelt die Stilrichtung des Barock wider, die durch emotionale Intensität und Vergänglichkeitsgedanken geprägt ist. Die genutzte Ironie und Übertreibung verdeutlicht seine Missbilligung des oberflächlichen Schönheitswahns und regt zum Nachdenken an.

Weitere Informationen

Das Gedicht „An Jolinden“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Andreas Gryphius. Der Autor Andreas Gryphius wurde 1616 in Glogau geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1658. Der Erscheinungsort ist Breßlau. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Bei Gryphius handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die deutsche Literaturepoche des Barock folgt auf die Epoche der Renaissance und des Humanismus und umfasst den Zeitraum von etwa 1600 bis 1720. Der Begriff leitet sich von dem portugiesischen Wort „barocco“ ab. Der Begriff stammt aus der Juweliersprache und bedeutet „seltsam geformte, schiefrunde Perle“. Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) hat die Epoche des Barocks stark geprägt. Der Krieg war eine Katastrophe von unvorstellbarem Ausmaß. Die Bevölkerung litt unter den Kämpfen, Hungersnöten und vor allem unter der Pest, an der viele Menschen starben. Die Anzahl der Menschen Deutschlands ging um etwa 30 Prozent zurück. Die Dichter thematisierten die Gegensätze in fast allen Lebensbereichen. Das wird auch als Antithetik bezeichnet. Thematisch folgten die Dichter der Antithetik und stellten in ihren Werken Gegensätze in den Mittelpunkt – etwa Diesseits und Jenseits, Sein und Schein oder Verfall und Blüte. Die Literaturepoche des Barocks war die erste Epoche, die in Deutschland zur Folge hatte, dass Gedichte von nun an nicht mehr auf Latein, sondern erstmals auch in deutscher Sprache herausgegeben wurden. Eine besondere zur Zeit des Barock priorisierte Form der Lyrik bildete das sogenannte Sonett. Zu den bekanntesten Schriftstellern des Barocks gehören: Grimmelshausen, Andreas Gryphius, Martin Opitz, Casper von Lohenstein, Caspar Ziegler und Paul Fleming.

Das Gedicht besteht aus 14 Versen mit insgesamt 2 Strophen und umfasst dabei 128 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Andreas Gryphius sind „An den gefangenen Dicaeus“, „An die Sternen“ und „An die Welt“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „An Jolinden“ weitere 463 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Andreas Gryphius

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Andreas Gryphius und seinem Gedicht „An Jolinden“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Andreas Gryphius (Infos zum Autor)

Zum Autor Andreas Gryphius sind auf abi-pur.de 463 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.