An den gefangenen Dicaeus von Andreas Gryphius

DEr Mutter enger Leib hilt erstlich dich gefangen /
Als deine Seele ward in Fleisch vnd Bein verstrickt:
So bald du dieses Licht / das süsse Licht erblickt /
Bist du in neue Band vnd Kercker eingegangen.
Was ist die grosse Welt? ein Blockhaus / da verlangen /
Vnd Angst vnd schwere Noth mit strängen Fesseln drückt /
Wenn vns der freye Tod / auß diesen Ketten rückt /
Denn nimbt die Grufft in Hafft / die gantz erblaßten Wangen.
Was ist die Freyheit doch / die nirgend wird gefunden?
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Du bist eh’ als du bist / vnd weil du bist / gebunden;
11 
Du bindest dich selb-selbst in Furcht vnd Sorgen eyn.
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Doch! wer mit schnellem Geist kan durch die Wolcken rennen /
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Vnd Stricke / die verlust vnd Hoffnung würckt / zutrennen;
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Kan / ob ihn Diamant gleich bünde / freye seyn.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „An den gefangenen Dicaeus“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
14
Anzahl Wörter
126
Entstehungsjahr
1658
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Das vorgegebene Gedicht trägt den Titel „An den gefangenen Dicaeus“ und wurde von Andreas Gryphius verfasst, einem der bekanntesten Vertreter des Barocks im 17. Jahrhundert.

Auf den ersten Blick sticht das Gedicht durch seine formale Struktur, den sogenannten Sonnet, sowie durch seine alte deutsche Orthographie ins Auge. Es scheint, das lyrische Ich befasst sich mit der universalen menschlichen Erfahrung von Begrenzung und Freiheit.

Inhaltlich beschreibt das lyrische Ich eine Auffassung des Lebens, die durch Prädestination und Unfreiheit geprägt ist. Der Mensch kommt demzufolge in die Welt hinein, ist von Beginn an gefangen - zunächst im Mutterleib, dann in eigenen Sorgen und Ängsten. Die Welt wird dabei als gruselige Einengung, als Gefängnis mit Angst, Not und Fesseln dargestellt.

Die allgegenwärtige Unfreiheit des Menschen wird im letzten Terzett des Sonnetts jedoch etwas gebrochen. Hier spricht das lyrische Ich davon, dass jemand, der mit seinem Geist durch die Wolken laufen und die Stricke der Verlust und Hoffnungslosigkeit durchtrennen kann, obwohl er von Diamanten gebunden ist, frei sein kann. Diese Verse scheinen darauf hinzudeuten, dass wahre Freiheit in der Selbsttranszendenz liegt, im geistigen Überwinden der irdischen Fesseln.

Formal handelt es sich bei dem Gedicht um ein Sonett, eine streng geregelte Gedichtform mit 14 Versen, die in zwei Quartette und zwei Terzette unterteilt sind. Stilmittel wie Metaphern und Vergleiche sind prägend für das Gedicht, ebenso wie die alte Sprache.

Die Sprache des Gedichts ist komplex und bildhaft, sie lässt viele Interpretationen zu. Mit der Verwendung von religiösen Begriffen (wie Tod und Hoffnung) sowie starken Bildern (wie Fesseln, Kerker und Wolken) schafft es Gryphius, tiefe emotionale und philosophische Themen in einem überschaubaren Rahmen von 14 Versen zu verhandeln. Dabei durchzieht ein gewisser Fatalismus das Gedicht, ein Grundthema der barocken Dichtung, die sich stark mit Vergänglichkeit, Tod und dem Sinn des Lebens befasst.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „An den gefangenen Dicaeus“ ist Andreas Gryphius. 1616 wurde Gryphius in Glogau geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1658 entstanden. Erschienen ist der Text in Breßlau. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Barock zu. Gryphius ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Der die Jahre 1600 bis 1720 umfassende Zeitraum gilt als Literaturepoche des Barocks, die sich im deutschen Sprachraum während und nach dem Dreißigjährigen Krieg entfaltete. Der Dreißigjährige Krieg begann 1618 und endete im Jahr 1648. Als Bezeichnung der Epoche wird das aus dem Portugiesischen stammende Wort „Barock“ erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts genutzt. Die Bevölkerung Europas entwickelte sich nach dem Dreißigjährigen Krieg in unterschiedliche Richtungen. Der Krieg stellte ein besonders prägendes Ereignis dar. Aber auch die Pest übte einen starken Einfluss auf die Verhältnisse der damaligen Zeit aus. Der Barock zeichnet sich vordergründig durch die Antithetik, also einem von Widersprüchen und Gegensätzen geprägtem Bewusstsein, aus. Durch die Antithetik kommt es in der Epoche des Barocks vermehrt zur Verwendung von Gegensatzpaaren, wie zum Beispiel: Jenseits und Diesseits, Wollust und Tugend oder Weltverneinung und Weltzugewandtheit. Die Literaturepoche des Barocks stellte einen Wandel von lateinischer zu deutscher Literatur dar. Die wichtigste Literaturform des Barocks war dabei die Lyrik. Das Sonett war die häufigste Gedichtform, die genutzt wurde. Die Autoren gehörten in der Regel dem Gelehrtenstand an: Theologen, Akademiker, Adelige und Beamte. Berühmte Schriftsteller des Barocks sind beispielsweise Martin Opitz, Andreas Gryphius, Daniel Caspar von Lohenstein, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau und Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen.

Das Gedicht besteht aus 14 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 126 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Andreas Gryphius sind „An sich Selbst“, „Auff den Sontag deß ernehrenden Versorgers / oder VII. Sontag nach dem Fest der H. Dreyeinigkeit / Marc. 8.“ und „Beschluß deß XXIII. Jahrs“. Zum Autor des Gedichtes „An den gefangenen Dicaeus“ haben wir auf abi-pur.de weitere 463 Gedichte veröffentlicht.

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