Auf Jungfrau Marien Schürers Begräbnüß von Paul Fleming
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Die heiße Zährenbach |
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rinnt nur umbsonst die roten Backen ab. |
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Kein herzerzwungnes Ach |
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füllt für uns aus das schon gemachte Grab. |
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Man hat noch nie vernommen, |
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daß auf die Klagewort' |
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ein Geist sei rückwärts kommen, |
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der einmal schon war fort. |
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Die tugendvolle Lust |
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der schönen vor, itzt totenfarbnen Stadt |
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hat auch an das gemußt, |
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was kurzer Zeit so Viel' ermordet hat. |
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Was uns an ihr beliebet, |
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liegt vor uns kalt und tot. |
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Sei, junge Welt, betrübet! |
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Dich rührt die meiste Not. |
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Die neun Aonien, |
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der Nymphen Zunft, die ganze Götterschar |
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samt allen Chariten |
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stehn tief betrübt umb die verhüllte Bahr'. |
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Apollo kan nichts sagen, |
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ist Leid und Ächzens voll, |
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hat mir es aufgetragen, |
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daß ich sie klagen soll. |
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Die Tugenden gehn aus |
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und samblen ein Cypreß und Majoran; |
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sie winden manchen Strauß |
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und ziehen sie mit bunten Kränzen an. |
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Sie malen alle Plätze |
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und rufen aus vor ihr, |
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daß man in Blumen setze |
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sie, aller Blumen Zier. |
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Der deutsche Helikon |
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hat schwarzen Flor und Binden vorgetan. |
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Cytheris und ihr Sohn, |
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das liebe Kind, ziehn Trauerkleider an |
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und folgen derer Leichen, |
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auf die sie dachten schon, |
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wie sie ihr wolten reichen |
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den Malschatz, ihren Lohn. |
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Der bleiche Würger steht, |
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als reu' es ihn, was er an ihr getan, |
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weil ihm zu Sinnen geht, |
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was er verübt und nun nicht ändern kan. |
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Doch solt' ihn was gereuen? |
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Er würget Tag für Tag, |
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für dem sich Alle scheuen, |
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den Niemand scheuchen mag. |
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Wie sollen wir ihm tun? |
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Wir heißen dich, Leib, unter deiner Gruft |
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in sanfter Stille ruhn, |
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bis dich einmal die Seele wieder ruft, |
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die Seele, die schon höret, |
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was sie vor nicht gewußt, |
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bis sie auch dich verehret |
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mit jener langen Lust. |
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Im Übrigen will ich, |
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wie ich denn soll, durch meiner Verse Preis |
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geschäftig sein umb dich, |
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will wenden an nicht angelehrten Fleiß, |
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daß die, so dieses lesen, |
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auch melden meinen Sin, |
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daß ich dir hold gewesen, |
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du keusche Schürerin. |
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Ihr Andern, sündet an |
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die teure Myrrh' und fremdes Benzoe, |
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daß von dem Oliban |
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und Aloe ein süßer Dampf entsteh'! |
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Inmittelst will ich tönen |
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die weise Melodei, |
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daß auch das Grab der Schönen |
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nicht ohne Freude sei. |
Details zum Gedicht „Auf Jungfrau Marien Schürers Begräbnüß“
Paul Fleming
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357
1632
Barock
Gedicht-Analyse
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Auf Jungfrau Marien Schürers Begräbnüß“ des Autors Paul Fleming. 1609 wurde Fleming in Hartenstein (Sachsen) geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1632 zurück. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Fleming ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.
Das Wort Barock stammt vom portugiesischen Wort „barroco“ ab und bedeutet so viel wie „schiefrunde Perle“. Die Bezeichnung für barock als Adjektiv wurde zunächst abwertend gebraucht. Der Begriff Barock als Bezeichnung für eine Epoche konnte sich erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts durchsetzen und gibt der Literaturepoche im Zeitraum zwischen 1600 und 1720 den Namen. Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) hat die Epoche des Barocks in hohem Maße geprägt. Der Krieg war eine Katastrophe von einem Ausmaß, das kaum vorstellbar ist. Die Bevölkerung litt unter den Kämpfen, Hungersnöten und besonders unter der Pest, an der viele Menschen starben. Die Anzahl der Menschen Deutschlands ging um etwa 30 Prozent zurück. Die Epoche des Barocks zeichnet sich vorwiegend durch die Antithetik, also einem von Widersprüchen und Gegensätzen geprägtem Bewusstsein, aus. Durch die Antithetik kommt es im Barock vermehrt zur Verwendung von Gegensatzpaaren, wie zum Beispiel: Jenseits und Diesseits, Tugend und Wollust oder Weltverneinung und Weltzugewandtheit. Die Dichter der Renaissance nutzten noch die lateinische Sprache, die Autoren der Literaturepoche des Barocks begannen, ihre Werke in deutscher Sprache zu veröffentlichen. Im Barock war der überwiegende Teil der Literatur Gelegenheitsdichtung. Man dichtete bei Hofe als Fürstenhuldigung oder zur gehobenen Unterhaltung. Für die wohlhabende Bevölkerung schrieben Dichter für Taufen, Beerdigungen oder Hochzeiten. Die Lyrik im Barock wird daher auch Gesellschaftsdichtung genannt.
Das 357 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 72 Versen mit insgesamt 2 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Paul Fleming sind „Ein getreues Herz zu wissen“, „In allen meinen Thaten“ und „Tugend ist mein Leben“. Zum Autor des Gedichtes „Auf Jungfrau Marien Schürers Begräbnüß“ haben wir auf abi-pur.de weitere 366 Gedichte veröffentlicht.
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Weitere Gedichte des Autors Paul Fleming (Infos zum Autor)
- O liebliche Wangen
- Wie er wolle geküsset seyn
- Tanzlied
- Ein getreues Herz zu wissen
- In allen meinen Thaten
- Tugend ist mein Leben
- Hier ist Nichts denn finstre Nacht
- Auf die Weise des 101. Psalms
- Auf des 8. Psalms Melodei
- Nach des 6. Psalmens Weise
Zum Autor Paul Fleming sind auf abi-pur.de 366 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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