Auf des 8. Psalms Melodei von Paul Fleming

Wilst du erst itzt, o Seele, dich beschweren,
daß deinen Leib die Erde soll verzehren?
Befällt dich erst die Furcht des Todes itzt,
da er erblaßt den Todesschweiß schon schwitzt?
 
Sein Ende war ihm da schon auserkoren,
eh' als ihm noch sein Anfang war geboren;
das war der Bund: du soltest wieder fort,
so balde dir dein Gott rief zu ein Wort.
 
Er hat ein Ziel gestecket allen Sachen,
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er wird in dem ihm nichts Besonders machen;
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spricht er, so muß die Welt auch untergehn:
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und er vermeint ihm ewig zu bestehn?
 
13 
Wie kanst du dir, was unverweslich, hoffen?
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Dein schwacher Leib steht allen Toden offen:
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tuts einer nicht, so stehn hier zehen noch,
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die stark sind satt zu stoßen ihn ins Loch.
 
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Schmerzt dieses dich, daß er so viel ertragen,
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daß er von nichts als Leide weiß zu sagen,
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so kehr in dich und frag dich selbst um Rat,
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ob sein Gericht' in dem denn Unrecht hat!
 
21 
Schau Alles an, worauf ein Herze schauet,
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das mehr auf Schein als wahre Schönheit trauet,
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Kunst, Ehre, Lust, Vermögen und fortan:
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ist alles diß auch mehr als nur ein Wahn?
 
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Das solte dich was Höhers unterweisen?
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So überhoch war solches nicht zu preisen,
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daß leichter Wind sich scheuet des Gewichts,
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und selbst sich heißt noch weniger als nichts.
 
29 
Ich bin gewiß, daß meine Seele lebet,
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wenn mir mehr nichts an diesem Leibe webet;
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kein Geist verwest, als den der Himmel gab;
32 
sein Überzug, der Leib, der muß ins Grab.
 
33 
Auf diß sei froh, daß, da du warst verfluchet,
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dein Heiland dir den Segen hat gesuchet,
35 
daß, da du schon wie warst ein Hellenbrand,
36 
der Himmel dir durch Gott war zuerkant!
 
37 
Ie mehr du hier vor Schmerzen must verbeißen,
38 
ie mehr du dort ein Freudenkind wirst heißen;
39 
weiß dir die Welt nichts anzutun als Leid,
40 
Gott hat Lust gnung für dich in jener Zeit.
 
41 
Hab alle Welt, hab alle Macht zu Feinde,
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es schadet nichts, hastu nur ihn zum Freunde;
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es wird dein Fall dich dennoch sehen stehn,
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wenn er durch sich wird einst zu Grunde gehn.
 
45 
Trit nur hervor und beichte deine Schulden!
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Ich weiß gewiß, er wird sich noch gedulden,
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wird gnädig sein, als der nicht anders kan;
48 
erkühne dich und sprich ihn nur drum an!
 
49 
Laß, Herze, nun sich deinen Unmut stillen
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und richte dich nach deines Gottes Willen!
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Halt aus und sprich: Du bist ja doch mein Gott,
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und schlügst du mich mit tausent Toden tot.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Auf des 8. Psalms Melodei“

Autor
Paul Fleming
Anzahl Strophen
13
Anzahl Verse
52
Anzahl Wörter
407
Entstehungsjahr
1609 - 1640
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Paul Fleming ist der Autor des Gedichtes „Auf des 8. Psalms Melodei“. Geboren wurde Fleming im Jahr 1609 in Hartenstein (Sachsen). In der Zeit von 1625 bis 1640 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Fleming handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Epoche des Barock folgt auf die Epoche der Renaissance und des Humanismus und umfasst den Zeitraum von circa 1600 bis 1720. Der Begriff leitet sich aus dem Portugiesischem ab. Der Begriff stammt aus der Juweliersprache und bedeutet so viel wie„schiefrunde, seltsam geformte Perle“. Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) hat die Epoche des Barocks in hohem Maße geprägt. Der Krieg war eine Katastrophe von einem Ausmaß, das kaum vorstellbar ist. Die Menschen litten unter den Kämpfen, Hungersnöten und vor allem unter der Pest, an der eine Vielzahl von Menschen verstarb. Die Bevölkerung in Deutschland ging um etwa 30 Prozent zurück. Krieg und Elend lösten in der ärmeren Bevölkerung ein starkes Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit aus. Im Gegensatz dazu lebten die alleinigen, absolutistischen Herrscher in verschwenderischem Luxus und ließen sich Prunkschlösser bauen. Diese Gegensätze von Lebenslust und Todesangst bzw. Luxus und Armut spiegelten sich ebenfalls in der Literatur wider. In der Dichtung wird der Einsatz solcher inhaltlichen Gegensätze als Antithetik bezeichnet. Als Literaturgattungen genossen die Lyrik in Form von Sonetten, Liedern oder Oden, die Epik in Form des Romans und das Drama einen Aufschwung. Während die Autoren der Renaissance vorwiegend auf Latein, der Sprache der Wissenschaft, ihre Werke schrieben, war man nun bestrebt, sich dem Deutschen zuzuwenden. Dichter und Werke dieser Zeit sind vielzählig. Martin Opitz, Andreas Gryphius oder Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen sind typische Vertreter des Barocks.

Das vorliegende Gedicht umfasst 407 Wörter. Es baut sich aus 13 Strophen auf und besteht aus 52 Versen. Die Gedichte „Neujahrsode 1633“, „Auf die seligmachende Geburt unsers Erlösers Jesu Christi“ und „Danklied“ sind weitere Werke des Autors Paul Fleming. Zum Autor des Gedichtes „Auf des 8. Psalms Melodei“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 366 Gedichte vor.

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