Wie er wolle geküsset seyn von Paul Fleming

Nirgends hin / als auff den Mund /
da sinckts in deß Hertzens Grund.
Nicht zu frey / nicht zu gezwungen /
nicht mit gar zu fauler Zungen.
 
Nicht zu wenig / nicht zu viel!
Beydes wird sonst Kinder-spiel.
Nicht zu laut / und nicht zu leise /
Beyder Maß' ist rechte Weise.
 
Nicht zu nahe / nicht zu weit.
10 
Diß macht Kummer / jenes Leid.
11 
Nicht zu trucken / nicht zu feuchte /
12 
wie Adonis Venus reichte.
 
13 
Nicht zu harte / nicht zu weich.
14 
Bald zugleich / bald nicht zugleich.
15 
Nicht zu langsam / nicht zu schnelle.
16 
Nicht ohn Unterscheid der Stelle.
 
17 
Halb gebissen / halb gehaucht.
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Halb die Lippen eingetaucht.
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Nicht ohn Unterscheid der Zeiten.
20 
Mehr alleine denn bei Leuten.
 
21 
Küsse nun ein Jedermann /
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wie er weiß / will / soll und kan.
23 
Ich nur und die Liebste wissen /
24 
wie wir uns recht sollen küssen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Wie er wolle geküsset seyn“

Autor
Paul Fleming
Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
130
Entstehungsjahr
1609 - 1640
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Wie er wolle geküsset seyn“ wurde von Paul Fleming verfasst, einem Dichter der deutschen Barockzeit. Fleming lebte von 1609 bis 1640, das Werk ist daher zeitlich in das 17. Jahrhundert einzuordnen. Im ersten Eindruck wirkt das Gedicht liebevoll und romantisch. Es scheint um die Schönheit und Kunst des Kusses zwischen Liebenden zu gehen.

Der Inhalt des Gedichts besteht aus einer Reihe von Beschreibungen und Anweisungen, wie ein perfekter Kuss zwischen Liebenden aussehen sollte. Das lyrische Ich gibt dabei im detailreiche Vorstellungen wieder, wie ein Kuss nicht zu stark oder zu schwach, nicht zu schnell oder zu langsam, nicht zu laut oder zu leise sein soll. Es betont dabei, dass der Kuss auf den Mund geschehen sollte und ins Herz sinken wird. Der Ausdruck des lyrischen Ichs lässt darauf schließen, dass es sich nach einem intensiven, zugleich aber auch zärtlichen und wohlüberlegten Kuss sehnt.

Formal besteht das Gedicht aus sechs Strophen, die jeweils vier Verse enthalten. Die Sprache des Gedichts ist altmodisch und entspricht dem älteren Deutsch des 17. Jahrhunderts. Es wird eine gewisse Rhythmik und ein Reimschema erkennbar, was dem Werk einen fließenden Charakter verleiht. Dazu kommen viele Gegensätze und Paradoxien, die das Spannungsfeld von Leidenschaft und Zärtlichkeit, Nähe und Distanz, Stärke und Sanftheit noch stärker betonen.

Im Sinne der rhetorischen Analyse sind vor allem die zahlreichen Antithesen auffallend, die Fleming zur Verdeutlichung seiner Vorstellungen von der Perfektion eines Kusses nutzt. Er führt seine Anweisungen immer in Paaren von Gegensätzen aus, womit er die Balance zwischen den Extremen hervorhebt, die seiner Meinung nach einen guten Kuss ausmachen.

Schließlich endet das Gedicht mit einer sehr intimen und persönlichen Note, in der das lyrische Ich und seine „Liebste“ als die einzigen Menschen dargestellt werden, die wissen, wie sie sich „recht sollen küssen“. Dies drückt eine tiefe Vertrautheit und ein hohes Maß an Intimität zwischen den beiden Liebenden aus und schließt das Gedicht auf eine sehr liebevolle und romantische Weise ab.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Wie er wolle geküsset seyn“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Paul Fleming. Fleming wurde im Jahr 1609 in Hartenstein (Sachsen) geboren. Zwischen den Jahren 1625 und 1640 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Barock zuordnen. Bei Fleming handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Der Begriff Barock stammt vom portugiesischen Wort „barroco“ ab und bedeutet so viel wie „schiefrunde Perle“. Die Bezeichnung für barock als Adjektiv wurde zunächst abwertend gebraucht. Der Begriff Barock als Epochenbezeichnung setzte sich erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts durch und gibt der Literaturepoche im Zeitraum zwischen 1600 und 1720 den Namen. Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) hat die Epoche des Barocks in hohem Maße geprägt. Der Krieg war eine Katastrophe von unvorstellbarem Ausmaß. Die Menschen litten unter den Kämpfen, Hungersnöten und vor allem unter der Pest, an der eine Vielzahl von Menschen verstarb. Die Anzahl der Menschen in Deutschland ging um etwa ein Drittel zurück. Die Erfahrungen mit dem Krieg und seinen dramatischen Folgen spiegeln sich in einem gegensätzlichen Weltbild wider. Dies entspricht der damaligen Lebenswirklichkeit der Menschen: Das Leben der einfachen Bevölkerung war geprägt von Armut und Pessimismus, während bei den Adeligen nach dem Vorbild des französischen Absolutismus Luxus und Verschwendung herrschten. In der Dichtung wird die Nutzung solcher inhaltlichen Gegensätze als Antithetik bezeichnet. Diese Gegensätzlichkeiten lassen sich bei den Motiven des Barocks finden. Die am meisten benutzten Formen in der Poesie waren das Sonett, die Elegie, das Epigramm und die Ode. In der Literatur des Barocks begannen die Dichter ihre Werke in Deutsch zu verfassen. Die Dichter der Renaissance schrieben noch auf Lateinisch. Die meisten Autoren gehörten dem Gelehrtenstand an: Theologen, Akademiker, Beamte und Adelige. Berühmte Autoren des Barocks sind etwa Andreas Gryphius, Martin Opitz, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Daniel Caspar von Lohenstein und Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen.

Das Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 130 Worte. Die Gedichte „Hier ist Nichts denn finstre Nacht“, „Auf die Weise des 101. Psalms“ und „Auf des 8. Psalms Melodei“ sind weitere Werke des Autors Paul Fleming. Zum Autor des Gedichtes „Wie er wolle geküsset seyn“ haben wir auf abi-pur.de weitere 366 Gedichte veröffentlicht.

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