Die Sternbilder von Johann Karl Wilhelm Geisheim

So ist’s bis heut gegangen,
Und wiederum so fangen
Von vorn das Jahr wir an,
Nach altem Sternenplan.
 
Am Thierkreis, an dem Himmel
Dreht sich das Weltgetümmel;
Er bleib’ im neuen Jahr
Uns treu mit seiner Schar.
 
Der Widder, reich an Wolle,
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Viel Schöpfe schaffen wolle,
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Daß Lust, vor Frost beschützt,
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Warm in der Wolle sitzt.
 
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Der Stier soll wacker pflügen,
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Sein Braten uns vergnügen,
15 
Sein Horn der Kunst gedeihn,
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Doch nie uns stößig sein.
 
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Zwillinge braucht wohl Keiner;
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Doch, kriegte sie je Einer,
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Dem auch verdoppl’ ihr Stern
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Die Traktamente gern.
 
21 
Der Krebs, mit seinen Zangen,
22 
Laß gern für uns sich fangen;
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Doch unsrer Tage Glück
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Geh’ nie, wie er, zurück.
 
25 
Der Löwe mach’ uns kräftig;
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Doch sei er nur geschäftig,
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Zu schützen uns, und nie
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Zum Kampf er wild uns zieh’.
 
29 
Die Jungfrau pflück’ uns Rosen;
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Die lehr’ uns lieben, kosen,
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Dem Schönen uns zu weihn,
32 
Und Schönes werth zu sein.
 
33 
Die Waage halt’ uns friedlich,
34 
Verträglich und gemüthlich,
35 
Die Welt im Gleichgewicht;
36 
Der Teufel siege nicht.
 
37 
Der Scorpion der Leiden
38 
Sei glimpflich und bescheiden,
39 
Und wenn er sticht, so sei
40 
Sein Öl uns Arzenei.
 
41 
Der Schütze lehr’ uns zielen,
42 
Nicht mit Gewehren spielen,
43 
Nein, treffen recht und keck,
44 
Dem Leben auf den Fleck.
 
45 
Der Steinbock, kühn im Springen,
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Zeig’, wie den Geist wir schwingen
47 
Hoch über Kluft und Zeit
48 
In Muth und Fröhlichkeit.
 
49 
Der Wassermann behüte
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Des Weins, der Dichter Blüthe;
51 
Nur für der Schiffe Bahn
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Schwell’ er die Flüss’ uns an.
 
53 
Und wenn wir angeln wollen,
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Die Fisch’ anbeißen sollen:
55 
Der Wunsch nur dem gebührt,
56 
Der gut die Angel führt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.7 KB)

Details zum Gedicht „Die Sternbilder“

Anzahl Strophen
14
Anzahl Verse
56
Anzahl Wörter
265
Entstehungsjahr
1839
Epoche
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht trägt den Titel „Die Sternbilder“ und wurde von Johann Karl Wilhelm Geisheim geschrieben, einem deutschen Schriftsteller und Übersetzer, der von 1784 bis 1847 lebte. Dies weist auf eine zeitliche Einordnung in die Epoche der Romantik hin, die sich durch ihre intensive Beschäftigung mit Natur, Gefühl und Individualität auszeichnet.

Auf den ersten Blick handelt das Gedicht von den zwölf Sternbildern des Tierkreises und verbindet diese mit unterschiedlichen Assoziationen und Wünschen, die auf das kommende Jahr projiziert werden. Dieser Verbindung von Astronomie und Alltag schafft eine stimmungsvolle Atmosphäre und formuliert eine symbolische Auseinandersetzung mit dem Lauf der Zeit und den damit verbundenen Hoffnungen und Ängsten.

Inhaltlich beschreibt das lyrische Ich in jeder Strophe ein spezifisches Sternbild und das damit verbundene Symbol. Es formuliert dabei lauter Wünsche und Hoffnungen, die sich auf verschieden Aspekte des Lebens beziehen – von Materiellem wie Wolle und Fleisch, über Emotionales und Soziales wie Liebe und Gesellschaft, bis hin zu Abstraktem wie Gleichgewicht und Mut. Das lyrische Ich scheint also die Sternbilder als eine Art Universalschlüssel zur Welt zu sehen, dessen Zeichen es entschlüsseln und nutzen will.

Die Form des Gedichts ist klar strukturiert: Es besteht aus vierzehn Strophen zu je vier Versen, wobei jede Strophe einem Sternbild gewidmet ist. Jeder Vers besteht dabei aus ungefähr sieben bis neun Silben, was dem Gedicht einen flüssigen, leichten Rhythmus gibt.

Die Sprache des Gedichts ist einfach und klar, jedoch mit zahlreichen Anspielungen und Metaphern durchsetzt, welche die Sternbilder mit konkreten Lebensthemen verknüpfen. Diese Verbindung von realem Leben und symbolischer Astronomie gibt dem Gedicht eine tiefergehende, philosophische Dimension und macht es zu mehr als nur einer bloßen Aneinanderreihung von Wünschen und Hoffnungen für das neue Jahr. Das Gedicht lässt sich somit als eine spielerische und tiefgehende Auseinandersetzung mit den Themen Zeit, Hoffnung und Menschlichkeit lesen.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Die Sternbilder“ stammt aus der Feder von Johann Karl Wilhelm Geisheim. 1784 wurde Geisheim in Breslau geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1839 zurück. Der Erscheinungsort ist Breslau. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zugeordnet werden. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das 265 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 56 Versen mit insgesamt 14 Strophen. Der Dichter Johann Karl Wilhelm Geisheim ist auch der Autor für Gedichte wie „Die Schlittschuhfahrer“, „Emancipation“ und „Fasching“. Zum Autor des Gedichtes „Die Sternbilder“ haben wir auf abi-pur.de weitere 29 Gedichte veröffentlicht.

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