Alter Brauch von Johann Karl Wilhelm Geisheim

Auf, auf, ihr Fastnachtsnarren, auf!
Stellt euch in bunte Reih’,
Und zieht vor uns in Fröhlichkeit,
Zum Possen der verbrummten Zeit,
Im lust’gen Zug’ vorbei!
 
Viel Narren sieht man in der Welt,
Doch die nicht lustig sind:
Drum lob’ ich euch, ihr lustigen,
Die ihr der Lust verlustigen,
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Betrübten Zeit entrinnt.
 
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Die Fasching ist mit ihrem Schwank
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Ein ganz uralter Brauch!
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Die alten Bräuche halte werth,
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Wer unsre guten Alten ehrt;
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Sie waren Narren auch.
 
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Und schämten sich’s auch nicht zu sein,
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Des Jahres doch ein Mal;
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Denn Mancher ist das ganze Jahr
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Ein Narr, oft leider immerdar,
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Ohn’ Lust und eigne Wahl.
 
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Wir aber wählen uns den Spaß
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Und unser Narrenthum;
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Und gute, frohe Narr’n zu sein,
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Durch Lust dem Leben Dank zu weihn,
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Sei unser Faschingsruhm.
 
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Denn schöner ist die Welt fürwahr,
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Als Mancher sie erkennt;
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Der ist der allergrößte Narr,
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Der, für der Erde Schönheit starr,
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Sich gar wohl weise nennt.
 
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Weg mit der Weisheit, welche will
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Verzagt und brummig sein!
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Da haben wir ganz andern Muth,
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Uns schmeckt das Leben herzlich gut,
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Bei Sang und Kuß und Wein.
 
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Labt uns auch Liebe, Wein, Gesang
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Nicht jeden Augenblick:
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Wir denken an den schönen Tag,
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Da hinter uns die Klage lag,
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Stets jung an Muth zurück.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.6 KB)

Details zum Gedicht „Alter Brauch“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
211
Entstehungsjahr
1839
Epoche
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht stammt von Johann Karl Wilhelm Geisheim, der im 19. Jahrhundert lebte - genauer gesagt von 1784 bis 1847.

Das Gedicht hinterlässt beim ersten Lesen einen lustigen und lebendigen Eindruck. Es scheint die fröhliche und ausgelassene Stimmung der Faschingszeit, auch Fastnacht genannt, einzufangen und zu feiern.

Inhaltlich geht es in dem Gedicht um das Volksfest Fastnacht und allgemein um menschliche Narretei. Das lyrische Ich ermutigt die Narren der Fastnacht, sich in bunten Reihen aufzustellen und Possen zu treiben. Es betont die Wichtigkeit dieser alten Tradition und lobt jene, die sich der Freude hingeben und der traurigen Realität entfliehen. Gleichzeitig macht es eine Unterscheidung zwischen jenen, die das ganze Jahr über Narren sind, oft ohne eigene Wahl, und jenen, die sich bewusst für den Spaß und das Narrentum während der Fastnacht entscheiden. Das lyrische Ich hält es für wichtiger, das Leben zu feiern und dankbar zu sein, als sich in Weisheit zu sonnen und dabei zu verzagen. Selbst wenn das Leben nicht immer Freude bringt, ruft das lyrische Ich dazu auf, immer den Mut und die Freude der Fastnachtstage im Herzen zu bewahren.

Formal besteht das Gedicht aus acht Strophen mit je fünf Versen. Die Sprache ist lebendig und positiv, sie zeigt die Leichtigkeit und Freude der Fastnacht in einer menschenfreundlichen Sichtweise und ist somit passend zum Thema.

Im Allgemeinen scheint das Gedicht eine Aufforderung an die Menschen zu sein, die Freuden des Lebens trotz aller Schwierigkeiten und Wechselfälle zu feiern und das Leben mit Freude und Humor zu nehmen. Ebenso scheint das lyrische Ich zu betonen, dass es besser ist, ein Narr im positiven Sinne zu sein - jemand, der Freude und Leichtigkeit ins Leben bringt - als ein Narr in negativer Hinsicht - jemand, der ohne eigenes Zutun zur Narretei gezwungen wird. In diesem Sinne ist das Gedicht eine Hommage an die Fastnacht und eine Feier des Lebens und der Menschlichkeit an sich.

Weitere Informationen

Johann Karl Wilhelm Geisheim ist der Autor des Gedichtes „Alter Brauch“. Im Jahr 1784 wurde Geisheim in Breslau geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1839 entstanden. Breslau ist der Erscheinungsort des Textes. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zugeordnet werden. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 8 Strophen und umfasst dabei 211 Worte. Johann Karl Wilhelm Geisheim ist auch der Autor für Gedichte wie „Die Sternbilder“, „Emancipation“ und „Fasching“. Zum Autor des Gedichtes „Alter Brauch“ haben wir auf abi-pur.de weitere 29 Gedichte veröffentlicht.

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