Auf Herren Timothei Poli neugebornen Töchterleins Christinen ihr Absterben von Paul Fleming
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Ists denn wieder schon verloren? |
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War es doch kaum recht geboren, |
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das geliebte schöne Kind! |
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Ja! So bald es vor ist kommen, |
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so bald ist es auch genommen. |
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Schaut doch, was wir Menschen sind! |
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Etwan wie ein Tausentschönlein, |
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das gemalte Lenzensöhnlein, |
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mit dem frühen Tag' entsteht, |
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welches, wie es mit ihm wachet, |
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mit ihm scheinet, mit ihm lachet, |
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so auch mit ihm untergeht: |
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also hastu dich verborgen, |
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Blümlein, um den sechsten Morgen, |
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liegest tot nun hingestreckt, |
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und hast durch das schnelle Scheiden |
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deinen frommen Eltern beiden |
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ein sehr langes Leid erweckt. |
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Klagt, Betrübte, wie ihr sollet! |
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Sie ist doch, wo ihr hin wollet. |
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Uns ist übel, ihr ist wol. |
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Ihr Geist, der ist voller Prangen; |
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nur ihr Leib ist hingegangen, |
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wohin Alles ist und soll. |
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Wo selbst die Natur hin stehet, |
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wo die große Welt hin gehet, |
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dem eilt auch die kleine zu. |
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Sterben und geboren werden |
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ist das stete Tun der Erden; |
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nur ihr Tod ist ihre Ruh'. |
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Babels Mauren sind versunken, |
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Rhodus sein Koloß ertrunken, |
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Nilus Werke giengen ein. |
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Sterblich waren alle Wunder |
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wie die Meister, wie itzunder |
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wir und künftig Alle sein. |
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Assur wurde teil den Persen, |
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diß dem Griechen. Dessen Fersen |
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folgte nach die ewge Stadt. |
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Doch, wie ewig sie gewesen, |
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kan man hören, sehn und lesen: |
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Schein ists, was sie Ewigs hat. |
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Alles wird darum geboren, |
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daß es wieder sei verloren. |
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Nichts bleibt allzeit, was so ist. |
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Alles, was sich angefangen, |
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gehet stets in dem Verlangen, |
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daß es seinen Tod erkiest. |
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Sterben ist der Weg zum Leben; |
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Phönix wird es Zeugnüß geben, |
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selbst sein Vater, selbst sein Kind. |
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Soll es morgen wieder tagen, |
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so wird Heute hin getragen, |
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wo viel' tausent' Gestern sind. |
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Es ist Alles Gottes Gabe. |
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Alles, was ich itzund habe, |
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hab' ich vormals nicht gehabt; |
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der irrt, der es ewig gläubet. |
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Wucher ists, so lang' es bleibet, |
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was uns unsern Sin erlabt. |
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Als Gott sie euch überreichet, |
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habt ihr euch mit ihm vergleichet, |
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daß sie dennoch seine sei. |
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Daß er, wenn er auch nur wolte, |
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sie hinwieder nehmen solte, |
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mußtet ihr ihm stellen frei. |
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Und die Warheit rauß zu sagen: |
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Neid ists, daß wir sie beklagen. |
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Wol dir, o du kurzer Gast! |
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Wol dir, die du in sechs Tagen |
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eines ieden Alters Plagen |
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gänzlich überstanden hast! |
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Kleine Tochter, sei nun seelig |
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und zeuch uns auch stets allmälig |
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nach dir auf und Himmel an, |
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daß auch wir der Zahl der Frommen |
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in die du bist aufgenommen, |
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balde werden zugetan! |
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Diesen Korb voll Anemonen, |
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der der Frost stets soll verschonen, |
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streuen wir auf deine Gruft. |
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Schlafe ruhsam in dem Kühlen! |
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Um dich her soll ewig spielen |
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die gesunde Maienluft. |
Details zum Gedicht „Auf Herren Timothei Poli neugebornen Töchterleins Christinen ihr Absterben“
Paul Fleming
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435
1635
Barock
Gedicht-Analyse
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Auf Herren Timothei Poli neugebornen Töchterleins Christinen ihr Absterben“ des Autors Paul Fleming. Geboren wurde Fleming im Jahr 1609 in Hartenstein (Sachsen). Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1635 zurück. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Fleming handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.
Die deutsche Literaturepoche des Barock folgt auf die Epoche der Renaissance und des Humanismus. Sie umfasst den Zeitraum von etwa 1600 bis 1720. Der Begriff leitet sich aus dem Portugiesischem ab. Der Begriff stammt aus der Juweliersprache und bedeutet „seltsam geformte, schiefrunde Perle“. Das Leben der Menschen war geprägt vom Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) und der Pest. Die Menschen lebten in schwierigsten Verhältnissen. Adelige erlaubten sich jedoch einen luxuriösen Lebensstil, wohingegen das Volk von Armut geplagt war. Die Fürsten wollten immer mehr Einfluss auf Erziehung und Lebensstil gewinnen. Bauernaufstände und Unruhen führten jedoch zu einem langsamen Umdenken der Menschen und zu einem zunehmenden Selbstbewusstsein. Der Barock in der Literaturgeschichte wurde von Gegensätzen geprägt. Dabei standen vorrangig das Jenseits und das Diesseits oder das Sein und der Schein im Mittelpunkt der barocken Dichtung. Von Gegensätzen gezeichnet war auch das Leben der Menschen. So lebte der überwiegende Teil der Bevölkerung in Armut, Adelige hingegen lebten einen luxuriösen und verschwenderischen Lebensstil. Unter den Literaturgattungen genossen die Lyrik in Form von Sonetten, Liedern oder Oden, die Epik in Form des Romans und das Drama größere Bedeutung. Während die Dichter der Renaissance vorwiegend auf Latein, der Sprache der Wissenschaft, schrieben, bemühte man sich nun, sich der deutschen Sprache zuzuwenden. Zu den bedeutendsten Dichtern des Barocks gehören: Grimmelshausen, Andreas Gryphius, Martin Opitz, Casper von Lohenstein, Caspar Ziegler und Paul Fleming.
Das 435 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 84 Versen mit insgesamt 14 Strophen. Paul Fleming ist auch der Autor für Gedichte wie „Auf die Weise des 101. Psalms“, „Auf des 8. Psalms Melodei“ und „Nach des 6. Psalmens Weise“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Auf Herren Timothei Poli neugebornen Töchterleins Christinen ihr Absterben“ weitere 366 Gedichte vor.
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- Hier ist Nichts denn finstre Nacht
- Auf die Weise des 101. Psalms
- Auf des 8. Psalms Melodei
- Nach des 6. Psalmens Weise
Zum Autor Paul Fleming sind auf abi-pur.de 366 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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