Auf eine Hochzeit in Leipzig von Paul Fleming

Ich weiß fest nicht, was ich dichten,
Bräutgam, was ich setzen soll.
Du bist Freud' und Leides voll.
Soll ich mich nach dir denn richten,
wie ich soll, so muß auch ich
leid und froh geberden mich.
 
Neulich sahen wir zu Grabe
deiner liebsten Schwester ziehn.
Nun ist auch die Mutter hin.
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Heute setzt der große Knabe
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den Termin der Trauung auf
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und zahlt eurer Liebe Kauf.
 
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Weinend müsset ihr nun lachen,
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lachend müsset weinen ihr,
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Liebe; Bräutgam, sie mit dir,
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du mit ihr, die diß kan machen,
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daß du seufzen bei der Lust
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und im Trauren froh sein mußt.
 
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Wer sich in sein Glücke schicket,
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der tut was Gott selbsten wil,
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zagt in Nöten nicht zu viel,
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braucht der Zeit, so ihn erquicket;
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sein Verhängnüß nimmt er auf,
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wie es mengt der Sternen Lauf.
 
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Zwar es läßt sich übel stellen,
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wann das Leid vom Herzen kömmt
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und bis an die Tränen glimmt.
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Also wenig Glut und Wellen
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können unvermieden sein,
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also wenig ernste Pein.
 
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Doch so ist diß auch nichts Neues,
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daß die Sonn' im Regen scheint.
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Also lacht man, wenn man weint,
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wer nur auch hat etwas Treues,
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das mit ihm die Wage hält,
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wo die leichte Schal' hinfällt.
 
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Ein vertrauter Freund im Leben,
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der halbirt uns unser Leid,
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duppelt gleichfals alle Freud'
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und versichert uns beineben,
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daß die Not, so uns betrübt,
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ihm auch gleiche Stöße giebt.
 
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Jene Tage sind zum Klagen,
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die zur Fröligkeit bestimmt.
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Selig ist, der mitte nimmt,
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was für Lust die Zeiten tragen!
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Gegenwärtigs ist Gewin;
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was schon hin ist, das ist hin.
 
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Es ist ohne diß ein Schatten
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unser Leben, Last und wir.
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Uns entkömmet für und für,
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was wir vor in Volmacht hatten.
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Letzlich, wenn denn alles port,
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muß sein Rest, wir selbst, auch fort.
 
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Unser sauersüßes Leben
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ist ein Apothekertrank,
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da vermischte Ruh' und Stank,
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herb' und süß', ein Grauen machen,
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den man, was man auch fang' an,
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scheiden nicht, nur trinken kan.
 
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Mäßigt, schöne Braut, das Trauren
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und seht auf den Liebsten hin,
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der mit gleichbetrübtem Sinn'
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eure Freunde hilft betauren,
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eure Freunde, die gemein
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ihm mit euch in künftig sein!
 
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Habt ihr ihn betrüben können,
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so macht ihn auch wieder froh!
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Sein Gesicht' ist rot und roh
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von der Zähren scharfen Rinnen.
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Eurer Küsse feuchter Schwamm
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streicht hin diese Flut und Flamm'.
 
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Ob diß Leid verbeut zu schauen
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eurer Hochzeit offne Zier,
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hinterhält uns der Begier
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und läßt euch zu Hause trauen,
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so weiß doch ein Ieder wol,
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wie er für euch wündschen soll.
 
79 
Euch will förderhin gebühren,
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liebstes Paar, bei Lieb' und Leid',
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als ihr schon gewohnet seid,
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gleiche Sinnen stets zu führen.
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Helfe Gott, daß diese Treu'
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alles Traurens Ende sei!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (30.4 KB)

Details zum Gedicht „Auf eine Hochzeit in Leipzig“

Autor
Paul Fleming
Anzahl Strophen
14
Anzahl Verse
84
Anzahl Wörter
445
Entstehungsjahr
1609 - 1640
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Auf eine Hochzeit in Leipzig“ des Autors Paul Fleming. Fleming wurde im Jahr 1609 in Hartenstein (Sachsen) geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1625 bis 1640 entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Bei Fleming handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Als Barockliteratur wird in der deutschen Geschichte der Literatur seit 1800 die literarische Produktion in Europa im Zeitraum zwischen etwa 1600 und 1720 bezeichnet. Der Begriff „Barock“ stammt aus dem Portugiesischen und bedeutet so viel wie schiefrunde, seltsam geformte Perle. Der Dreißigjährige Krieg, der in die Zeit von 1618 bis 1648 fiel, gilt als das maßgebende Bezugselement des Barocks. Der Dreißigjährige Krieg hinterließ ein wirtschaftlich, politisch und kulturell verfallenes Deutsches Reich. Aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen wurden ganze Landstriche entvölkert. So wurden Zerstörung, Gewalt und Tod zum Teil des Alltags der Menschen. Schwere Hungersnöte und Seuchen, wie die Pest, verschlimmerten die bedrohliche Situation der Bevölkerung weiter. Allein der Ausbruch der Pest schmälerte die Bevölkerung um ein Drittel. Elend und Krieg lösten in der Bevölkerung ein starkes Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit aus. Dagegen lebten die alleinigen, absolutistischen Herrscher in verschwenderischem Luxus und ließen sich Prunkschlösser errichten. Diese Gegensätze von Todesangst und Lebenslust bzw. Armut und Luxus ließen sich ebenfalls in der Literatur ausmachen. In der Lyrik wird die Verwendung solcher inhaltlichen Gegensätze als Antithetik bezeichnet. Im Zeitalter des Barocks löste die deutsche Sprache das Lateinische ab. Die bedeutenden Vertreter der Dichtung im Barock sind Paul Fleming, Martin Opitz, Andreas Gryphius, Christian Hofmann von Hofmannswaldau, Johann Christian Günther, Simon Dach, Angelus Silesius und Friedrich von Logau.

Das Gedicht besteht aus 84 Versen mit insgesamt 14 Strophen und umfasst dabei 445 Worte. Der Dichter Paul Fleming ist auch der Autor für Gedichte wie „Ein getreues Herz zu wissen“, „In allen meinen Thaten“ und „Tugend ist mein Leben“. Zum Autor des Gedichtes „Auf eine Hochzeit in Leipzig“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 366 Gedichte vor.

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