Der 38. Psalm von Paul Fleming

Der 38. Psalm
Ein Psalm Davids, zum Gedächtnüß
 
Jehovah, straf mich nicht, wenn deines Zorrens Flammen
verzehren alle Gunst, gehn über mir zusammen!
Wenn deines Grimmes Loh in vollem Sturme fährt,
die dieses alles auch in einem Nu verheert,
dann züchtige mich nicht! Du siehst ohn diß die Schmerzen,
so deine grimme Pfeil' erregen meinem Herzen.
Für deinem Dräuen, Herr, ist nichts an mir gesund,
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dein' Hand ist mir zu schwer, sie schlägt mich krank und wund;
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mein Leib ist strimenvoll, ich habe keinen Friede,
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ich, wolgeplagter Mensch, in irgends einem Gliede.
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Der schwere Sündenschmerz greift auch die Knochen an,
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der übermachte Schmerz, und wütet was er kan.
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Die Größe meiner Schuld ist über mich gestiegen,
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hoch über dieses Haupt. Ich muß, ich muß erliegen.
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Sie drückt mich unter sich, wie von der schweren Bürd'
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ein schwacher Rücken gar in sich gequetschet wird.
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Die Haut ist voller Wust, die Torheitwunden stinken,
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die Schwere gehen auf. Ich muß für Schmerzen sinken.
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Ich gehe manchen Tag ganz traurig, krumb, gebückt,
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die Lenden dorren aus. Da ist nichts, das erquickt
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den ungesunden Leib und lindert meine Beulen.
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Ich bin nicht itzo ich. Ich muß für Unruh heulen,
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die mir mein Leben frißt. Herr, du weists besser noch
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als ich dirs klagen kan, was mich drückt für ein Joch.
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Diß Seufzen kennest du. Mein mattes Herze zittert,
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die erste Kraft ist hin, der ganze Leib erschüttert.
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Die Glieder werden welk, der blöden Augen Liecht
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ist wie ein dicker Dampf. Da ist kein Kläger nicht,
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der Beileid mit mir trägt. Ein Greuel ists zu sagen!
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Ja, auch die Freunde selbst, die scheuen meine Plagen
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und stehen weit von mir. Der vor mein Nächster war,
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ist jetzt der Ferneste. Verstoßen bin ich gar.
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Was noch das Größest ist, die Feinde seh' ich stellen
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auf allen Seiten auf, wie sie nur mögen fällen
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mein abgeseelte Seel'. Hier lauren sie und dort
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und reden wider mich nur lauter Schadenswort
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und bergens listiglich. Ich aber muß nicht hören,
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muß wie ein Tauber sein, darf ihren Rat nicht stören,
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ganz einem Stummen gleich, der sich nicht schützen kan,
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wenn ihm zur Ungebühr ein Schimpf wird angetan.
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Auf dich, Herr, Herr, auf dich harr ich in diesen Nöten!
44 
du, mein Gott, wirst ja nicht mich gar so lassen töten.
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Erhör', erhöre mich, auf daß ich ihrer Rott',
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im Fall mirs übel geht, nicht gar muß sein ein Spott!
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Wenn dein Verhängnüß mich ließ auf dem Glatten wanken,
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hilf Gott, was würden sie nicht haben für Gedanken,
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wie würden sie sich doch hoch rühmen wider mich!
50 
Es ist kein mühsamer, kein ärmer Mensch, als ich.
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Ich bin zu steter Angst und Leiden nur geboren.
52 
Mein Schmerz ist immer neu. Herr, nimb doch du zu Ohren
53 
mein heiser Notgeschrei! Dir beicht' ich meine Schuld,
54 
ich sorge stets für sie. Herr, habe doch Geduld,
55 
und töte mich nicht gar! Sie, meine Feinde, leben
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und trutzen auf die Macht. Sie seh' ich oben schweben
57 
und größer sein als ich, die mich, weiß nicht, warumb
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aus selbstgefastem Haß und Gramsein rennen umb,
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die mir für Segen Fluch, für Gutes Böses gönnen.
60 
Herr, wirstu länger auch dem Übel zusehn können?
61 
Ach eile, weil die Not ietzt in dem Höchsten ist,
62 
weil du mein' ein'ge Hülf' und starker Beistand bist!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (29.8 KB)

Details zum Gedicht „Der 38. Psalm“

Autor
Paul Fleming
Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
62
Anzahl Wörter
541
Entstehungsjahr
1609 - 1640
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichtes „Der 38. Psalm“ ist Paul Fleming. Fleming wurde im Jahr 1609 in Hartenstein (Sachsen) geboren. Im Zeitraum zwischen 1625 und 1640 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Barock zu. Der Schriftsteller Fleming ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Das Wort Barock stammt vom portugiesischen Wort „barroco“ ab und bedeutet so viel wie „schiefrunde Perle“. Die Bezeichnung für barock im Sinne eines Adjektivs wurde anfänglich abwertend gebraucht. Der Begriff Barock als Epochenbezeichnung setzte sich erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts durch und gibt der Literaturepoche im Zeitraum zwischen 1600 und 1720 den Namen. Das Leben der Menschen war geprägt vom Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) und der Pest. Die Menschen lebten in schwierigen Verhältnissen. Adelige lebten einen luxuriösen Lebensstil, wohingegen das Volk von Armut geplagt war. Die Fürsten wollten immer mehr Einfluss auf Lebensstil und Erziehung gewinnen. Bauernaufstände und Unruhen führten jedoch zu einem langsamen Umdenken der Menschen und zu einem wachsendem Selbstbewusstsein. Der Barock in der Literaturgeschichte wurde von Gegensätzen geprägt. Dabei standen insbesondere das Diesseits und das Jenseits oder das Sein und der Schein im Mittelpunkt der barocken Dichtung. Von Gegensätzen beeinflusst war auch das Leben der Bevölkerung. So lebte der überwiegende Teil der Bevölkerung in Armut, Adelige hingegen lebten einen luxuriösen und verschwenderischen Lebensstil. Unter den Literaturgattungen erlebten die Lyrik in Form von Sonetten, Liedern oder Oden, die Epik in Form des Romans und das Drama einen Aufschwung. Während die Schriftsteller der Renaissance vorwiegend auf Latein, der Sprache der Wissenschaft, schrieben, war man nun bestrebt, sich der deutschen Sprache zuzuwenden. Die Hauptvertreter der Lyrik der Barockzeit sind Paul Fleming, Martin Opitz, Christian Hofmann von Hofmannswaldau, Andreas Gryphius, Simon Dach, Johann Christian Günther, Friedrich von Logau und Angelus Silesius.

Das vorliegende Gedicht umfasst 541 Wörter. Es baut sich aus 2 Strophen auf und besteht aus 62 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Paul Fleming sind „O liebliche Wangen“, „Wie er wolle geküsset seyn“ und „Tanzlied“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der 38. Psalm“ weitere 366 Gedichte vor.

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