Der 143. Psalm von Paul Fleming
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Der 143. Psalm |
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Ein Psalm Davids |
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Herr, Herr, erhöre mich und nimb mein Flehen an. |
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So was vor dir dein Recht und Wahrheit gelten kan, |
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so schaffe mir auch Recht. Doch führ nicht ins Gerichte |
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mich, deinen Sündiger. Was hält wol das Gewichte |
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für Unschuld deinem Satz? Und wenn die große Welt |
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auf einen blachen Platz dir vor die Augen stellt' |
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ihr ungezähltes Volk, so würd' in solchen allen |
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ja nicht auf einen nur dein rechtes Urteil fallen, |
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daß er sei ohne Schuld. Diß bitt' ich nur allein, |
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daß ich des Feindes Spiel so gar nicht möge sein. |
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Denn er verfolget mir aufs äußerste mein Leben, |
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ich muß in steter Furcht für seinem Trutzen schweben. |
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Für ihm verkriech' ich mich, ich bin sein ewger Raub. |
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Ereilet er mich denn, so wirft er mich in Staub |
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und in ein finster Loch, da mich kein Liecht bestralet, |
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ich bin den Todten gleich. Wenn er so hoch herpralet, |
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so ängstet sich mein Geist. Mein Herze wird verzehrt, |
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daß er ohn' Unterlaß so grimmig an mich fährt, |
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daß ich so hülflos bin. Denk ich denn an die Werke |
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die du vorhin getan durch deiner Hände Stärke, |
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so tret' ich auch vor dich und bringe sie dir für, |
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und bitte, daß du auch so wollest helfen mir. |
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Ich strecke Nacht und Tag zu dir die lassen Arme, |
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nach dir, Herr, durstet mich in diesem dürren Harme, |
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wie ein entsaftet Land, das sich zum Himmel neigt, |
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und der erzürnten Burg die tiefen Risse zeigt, |
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gleich einem Seufzenden. Merk auf, Herr, Herr, erhöre! |
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erschein', erscheine bald in deiner großen Ehre, |
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eh mir der Geist entwischt, der nicht herwiederzeucht, |
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wenn er uns einmal nur durch unsre Lippen fleucht! |
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Verbirg dein Antlitz nicht, du Sonne meiner Seelen! |
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sonst werd' ich denen gleich, so in die schwarze Hölen |
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des Todes fahren ab, als wie in einen Schacht, |
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ohn' alle Wiederkunft, und sind in langer Nacht. |
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Herr, säume dich doch nicht! Laß deine frühe Gnade |
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mir bald zu wissen tun, und daß ich auf dem Pfade, |
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den du wilst, geh' herein, so mache mir ihn kund! |
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Nach dir Herr, Herr, nach dir seufz' ich mit Seel und Mund'. |
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Ich hoffe bloß auf dich. Gott, du bist mein Erretter, |
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und meiner Zuflucht Schutz entgegen alle Spötter, |
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die mir den Tod gedräut. Ich steife mich auf dich, |
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und achte sie für nichts. Hinwieder, lehre mich |
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nach deinem Willen tun, denn du bist mein Regierer! |
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Dein guter werther Geist sei allezeit mein Führer |
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auf wolgebahnter Bahn! Verhänge, Herr, doch nicht, |
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daß der, so dir dein Lob des hohen Namens spricht, |
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fahr' unerquicket hin! Führ' aus den großen Nöten |
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mein' halberlegne Seel' und laß sie nicht gar töten! |
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Gott, weil du bist gerecht, so sihe doch darein |
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und laß mich Armen nicht in steter Unruh sein! |
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Verstöre meinen Feind von deiner Güte wegen! |
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Setz' ihnen dich für mich zur rechten Rach' entgegen! |
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Du wirst, Herr, richten wol die Seelenängster hin, |
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wenn du nur denken wilst, daß ich dein Knecht noch bin. |
Details zum Gedicht „Der 143. Psalm“
Paul Fleming
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495
1609 - 1640
Barock
Gedicht-Analyse
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Der 143. Psalm“ des Autors Paul Fleming. Fleming wurde im Jahr 1609 in Hartenstein (Sachsen) geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1625 bis 1640 entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Barock zu. Bei dem Schriftsteller Fleming handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.
Die deutsche Epoche des Barock beginnt etwa 1600 und endet im Jahr 1720. Die wörtliche Übersetzung des portugiesischen Wortes „barocco“ lautet „schiefe Perle“. Während des Dreißigjährigen Krieges wurden weite Teile des Deutschen Reiches zerstört. Die Bevölkerung, damals durch ein starkes soziales Gefälle zwischen Provinz und Hof geprägt, litt folglich unter den immensen Kriegseinwirkungen. Viele Menschen starben an den Folgen der Pest und des Krieges. Die Epoche des Barocks wurde davon stark beeinflusst. Die Autoren der Literaturepoche des Barocks betrachteten in ihren Werken die Gegensätze in fast allen Lebensbereichen. Das wird auch als Antithetik bezeichnet. Inhaltlich folgten die Autoren der Antithetik und stellten in ihren Werken Gegensätze in den Mittelpunkt – etwa Diesseits und Jenseits, Sein und Schein oder Blüte und Verfall. Die am häufigsten genutzten Formen in der Dichtung waren das Sonett, das Epigramm, die Elegie und die Ode. Im Zeitalter des Barocks begannen die Dichter ihre Werke in deutscher Sprache zu verfassen. Die Dichter der Renaissance schrieben noch in lateinischer Sprache. Die bedeutenden Vertreter der Dichtung der Barockzeit sind Paul Fleming, Martin Opitz, Andreas Gryphius, Christian Hofmann von Hofmannswaldau, Simon Dach, Johann Christian Günther, Friedrich von Logau und Angelus Silesius.
Das 495 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 56 Versen mit insgesamt 2 Strophen. Der Dichter Paul Fleming ist auch der Autor für Gedichte wie „Tugend ist mein Leben“, „Hier ist Nichts denn finstre Nacht“ und „Auf die Weise des 101. Psalms“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der 143. Psalm“ weitere 366 Gedichte vor.
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Weitere Gedichte des Autors Paul Fleming (Infos zum Autor)
- O liebliche Wangen
- Wie er wolle geküsset seyn
- Tanzlied
- Ein getreues Herz zu wissen
- In allen meinen Thaten
- Tugend ist mein Leben
- Hier ist Nichts denn finstre Nacht
- Auf die Weise des 101. Psalms
- Auf des 8. Psalms Melodei
- Nach des 6. Psalmens Weise
Zum Autor Paul Fleming sind auf abi-pur.de 366 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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