Auf Herrn Ilgens Leichbestattung von Paul Fleming
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Wer sagts, geehrter Man, itzt neuer Himmelsbürger, |
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daß euch sei Leid geschehn, indem der wilde Würger, |
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dem euch Gott zahm hieß sein, sich auch an euch gemacht |
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und durch sein scharfes Recht, wie Alles, umgebracht? |
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Wer sagts, euch sei nicht wol, als etwan eure Lieben, |
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die über euren Fall sich billich hoch betrüben |
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und ernstlich traurig sein? Wir Andern, die wir euch |
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am Blute nicht verwandt, doch nach der Liebe gleich, |
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die uns gesampt verknüpft, erkennen euer Glücke |
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und höchste Seligkeit. Ihr habt die Welt zurücke |
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und Alles, was sie ist. Die Erde laßt ihr stehn |
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und könnt mit sicherm Fuß itzt auf den Wolken gehn, |
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die sich euch unterstreun. Ihr selbsten würdet sagen, |
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wenn eine solche Wahl euch würde fürgeschlagen, |
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ihr soltet kehren um: Bewahre mich mein Gott, |
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daß ich aus Freud' in Leid, aus Leben in den Tod, |
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aus Ruh' in Stürme zög'! ach! allzuwahr, in Stürme. |
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Was ist es seit der Zeit, daß schädliche Geschwürme, |
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die Krieger, unser Land mit sich auch angesteckt, |
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da immer eines noch in tausent Junge heckt |
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und hat sich wol besaamt? Was ist es, soll ich sprechen, |
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wol anders seit der Zeit, als wenn die Klippen brechen, |
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die Äolus verwahrt, die Winde reißen aus |
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und brausen durch die Welt? Da krachet manches Haus, |
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manch edler Bau zerbricht. Wir haben es gesehen, |
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ach leider! allzusehr, wie uns bisher geschehen, |
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wie uns der Kriegessturm hat hin und her verweht, |
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die Städte durchgesaust, die Dörfer umgedreht, |
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daß Nichts ihm ähnlich ist. Zumitten in dem Wesen, |
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da es am ärgsten war, seid, Vater, ihr genesen; |
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genesen seid ihr nun und denkt nicht einmal dran, |
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was euch der arge Feind für Dampf hat angetan, |
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darüber ihr erlagt. Der Eidam ist erfreuet, |
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den ihr euch schicktet vor. Die Tochter springt und schreiet: |
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komt Vater, Vater komt! Das liebe junge Paar |
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empfängt euch, wie es soll, sampt aller Geister Schaar, |
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die Gott stets um sich hat. Wir wündschen uns ingleichen, |
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daß wir doch an den Ort auch mögen bald gereichen, |
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da keine Furcht mehr ist, da wir in Wahrheit sehn, |
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es sei auch uns, wie euch, in Allem wol geschehn. |
Details zum Gedicht „Auf Herrn Ilgens Leichbestattung“
Paul Fleming
1
40
351
1632
Barock
Gedicht-Analyse
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Auf Herrn Ilgens Leichbestattung“ des Autors Paul Fleming. Geboren wurde Fleming im Jahr 1609 in Hartenstein (Sachsen). Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1632 zurück. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Fleming handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.
Die Literaturepoche des Barock folgt auf die Epoche des Humanismus und der Renaissance und umfasst den Zeitraum von circa 1600 bis 1720. Der Begriff leitet sich aus dem Portugiesischem ab. Der Begriff stammt aus der Juweliersprache und bedeutet „schiefrunde, seltsam geformte Perle“. Mit dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) erlebte Deutschland einen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verfall. Etwa ein Drittel des deutschen Volkes kam in dieser Zeit ums Leben. Dafür waren nicht etwa hohe Kriegsverluste verantwortlich, sondern das Wüten der Pest in fast allen Städten des Deutschen Reiches. Die Barockdichtung ist von drei Leitmotiven (Memento mori, Vanitas, Carpe diem) bestimmt, die die Einstellung der Bevölkerung zum Leben beschreiben. Vor dem geschichtlichen Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges war der Alltag der Bevölkerung von Gewalt und Zerstörung bestimmt. Alle genannten Motive setzen sich auf unterschiedliche Weise mit der weitverbreiteten Angst vor dem Lebensende und dessen Auswirkungen auseinander. Im Barock löste die deutsche Sprache das Lateinische ab. Da innerhalb der Zeit des Barocks der Wohlklang und die äußere Ästhetik eines literarischen Werkes eine wichtige Rolle spielten, war die bevorzugte Literaturform das Gedicht. In den Gedichten wurden sehr gerne Metaphern, Symbole und Hyperbolik (Übertreibung) genutzt.
Das 351 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 40 Versen mit nur einer Strophe. Die Gedichte „Ein getreues Herz zu wissen“, „In allen meinen Thaten“ und „Tugend ist mein Leben“ sind weitere Werke des Autors Paul Fleming. Zum Autor des Gedichtes „Auf Herrn Ilgens Leichbestattung“ haben wir auf abi-pur.de weitere 366 Gedichte veröffentlicht.
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Weitere Gedichte des Autors Paul Fleming (Infos zum Autor)
- O liebliche Wangen
- Wie er wolle geküsset seyn
- Tanzlied
- Ein getreues Herz zu wissen
- In allen meinen Thaten
- Tugend ist mein Leben
- Hier ist Nichts denn finstre Nacht
- Auf die Weise des 101. Psalms
- Auf des 8. Psalms Melodei
- Nach des 6. Psalmens Weise
Zum Autor Paul Fleming sind auf abi-pur.de 366 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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