Früelings-Hochzeitgedichte von Paul Fleming

Der Winter ist fürbei, der Feind der bunten Auen
und aller Blumen Tod; was Juno kan beschauen
auf diesem breiten Rund', ist alles Jammers frei,
der von der Kälte war. Der Winter ist fürbei.
Der angenehme Lenz ist itzt schon angekommen,
hat jenem alle Macht und Leidsein abgenommen
 
und gar von uns verweist. Der liebe Freund der Lust
hat von der Erden Not und Übel wol gewust,
drumb bricht er so herein. Die beste Zeit der Zeiten,
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des Jahres Mark und Saft, die Gunst der Fruchtbarkeiten,
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das Wohnhaus aller Pracht, das nichts als Lustigsein,
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hat sich nun widerumb bei uns gestellet ein
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und machet alles froh. Seht, wie so grüne werden
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die Glieder überall der breitgebrüsten Erden,
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Feld, Wiesen, Berge, Tal! Ietzt regt sich die Natur,
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sie bildet ihre Zier, wo man hin siehet nur.
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Wie prangt sie mit der Saat, wenn mit gesunden Reifen
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die fromme Cynthia bei Nachte sie muß täufen,
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darvon das Gras und Korn früh' aller trunken sind
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und taumeln hin und her, wenn sie ein Westenwind
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mit sanftem Odem schwenkt! Wenn es beginnt zu tagen,
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und furchtsam tritt herfür der Rötin bunter Wagen
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und zeigt ihr braunes Liecht der aufgeweckten Welt,
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da geht die Wollust an, die mir und dir gefällt.
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Das leichte Federvieh verläßt die warmen Nester,
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begibt sich ihrer Burg, der halbbegrünten Äster,
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spaziert durch freie Luft, singt Schaf' und Schäfer an:
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denn auch diß gute Volk nicht lange schlafen kan,
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geht für der Sonnen aus. Die Taue sinken nieder,
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beperlen Laub und Gras. Der Philli laute Lieder,
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die in dem Pusche grast, die wecken Echo auf,
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daß manchen hellen Schrei sie durch das Tal tut drauf.
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Die lautere Fontein, entsprungen aus der Erden,
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mit der Kristallen nicht verglichen mögen werden,
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ergeußt das helle Quell und rauschet durch den Grund,
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darinnen mancher Hirsch benetzt den dürren Mund
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und schlürft ihm nüchtern nein. Der Wälder Raub, die Hinden,
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gehn ungescheucht zur Kost. Der Has' ist noch zu finden
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in jenem Stücke Korn', in das er gestern lief,
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und aße sich so voll, daß er auch da entschlief.
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Indessen steigen auf des muntern Phöbus Pferde,
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die nichts als Feuer sein; da wird das Punct der Erde
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von Neuem ganz belebt. Diß ist die liebe Zeit;
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was gött- und menschlich ist, das wird durch sie erfreut.
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Die geilen Satyren, die springen aus den Wäldern
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und lassen sich ersehn auf allen grünen Feldern,
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wo Schäferinnen sind. Pan kömpt zu seiner Schar.
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Empanda nimpt für sich des Ackerbaues wahr.
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Pomona giebet umb den saftgefüllten Bäumen
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den grünen weißen Flor, läßt ihre Gärten räumen.
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Die weichen Najaden stehn auf von ihrer Ruhe
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und gehen schön geputzt auf ihre Bäder zue,
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die marmorsteinern sind. Diana stellt die Netze,
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daß sie den langen Tag mit Hetzen sich ergetze.
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Der ganze Helikon ist schon umb diese Zeit
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umb seine Bücher her und dichtet allbereit
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das, was man rühmen muß. Die schönen Pierinnen,
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die nun durch Opitzs Gunst auch hochteutsch reden können
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und lieber sein als vor, die sagten mir auch für
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bei früher Tageszeit diß, was ich schreibe hier,
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wie schlecht es immer ist. Die stillen Morgenstunden
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sind den Poeten recht, was Hohes zu erkunden
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und es zu setzen auf. Was lange bleiben soll,
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das will bei früher Zeit bedacht sein oft und wol
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und weil man nüchtern ist. Frau Flora schläft nicht lange,
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nimmt dieser Zeiten wahr, kömpt mit geschwindem Gange
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auf ihre Wiesen zu, beblumet Feld und Wald
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und machet Berg und Tal mit Farben wolgestalt.
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Sie braucht nach ihrer Lust die warmen Sonnenstrahlen,
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darmit sie wunderlich die Tulpen kan vermahlen,
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der Gärten frühe Zier. Sie streicht so artlich an
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den schönen Rittersporn, als wol kein Mahler kan.
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Auf liebe Nägelein, auf gönstige Narcissen,
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auf schönen Hiacynth ist sie schon ietzt beflissen.
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Der Veilgen süße Gunst, der Anemonen Pracht
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macht, daß die kluge Frau oft' in sich selbsten lacht
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und denkt: ist das nicht Lust? Des Himmels Angesichte
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ist blau und wolkenfrei, die Luft ist hell' und lichte.
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Kein Nebel zeucht sich auf, kein Regen und kein Wind
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bei dieser Stetigkeit itzt zu befahren sind.
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O wunderschöne Zeit! Ja freilich ist sie schöne;
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Cupido weiß es wol, zeucht schon an seine Fröne,
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schreibt ihm zu eigen zu die ganze Frühlingszeit,
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läuft, wie er pfleget stets, in seinen alten Streit,
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in den Streit, da er ihm kan untertänig machen,
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was ihm will widrig sein, in den Streit, da er Lachen
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anstatt des Schießens braucht. Der Kugeln darf er nicht.
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Man hat ihm Pfeile zwar und Bogen angedicht't,
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jedoch nur angedicht't. Er selbst ist ein Gedichte
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und blinde Fantasei. Die gläubliche Geschichte
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von diesem Wundergott' ist der Poeten Spiel,
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die minstes gläuben selbst, von dem sie melden viel.
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Doch sei ihm, wie ihm sei! Er mag ein Gott verbleiben,
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ich will das gute Kind nicht aus dem Himmel treiben.
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Lieb' ist ein großes Ding. Diß wil mir nur nicht ein,
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daß er ein kleiner Knab' und blind darzu soll sein:
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ist er ein schwaches Kind, wie, daß er denn kan zwingen
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den stärksten Ritter, Mars, ihn zu der Mutter bringen
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und zusehn, wie Vulcan ein groß Paar Hörner kriegt,
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der doch sein Vater war? Diß heißt ja obgesiegt.
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Und ist der Knabe blind? Er muß mir ja vor zielen,
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im Fall' er wolle denn nur mit den Pfeilen spielen
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und einen Fehlschuß tun. Er spannet in der Welt
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und scheust, daß Jupiter auch selbst vom Himmel fällt.
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Es sei! Ich kan ihn doch nicht groß und schend machen.
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Ein Gott muß er wol sein, weil auch in denen Sachen,
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die unbeseelet sind, er übet seine Kraft.
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Die Steine lieben sich und halten Schwägerschaft,
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der Forst besaamet sich, ein Zweig buhlt mit dem andern.
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Ist Liebe nur ein Feur? Wie, daß in Flüssen wandern
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die Fische Paar und Paar und treiben, was der Mut
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und Lust zu mehren sich im Wasser raten tut?
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Ist Liebe denn ein Frost? Wie kömpt es, daß das Lieben
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auch mitten in dem Schnee von Allem wird getrieben,
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was sich nur lieben kan? Ich finde mich nicht drein,
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es muß ein selzem Ding umb Lieb' und Lieben sein.
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Ist es der Geist der Welt, von dem man viel will sagen,
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und kennt doch niemand ihn? Man nennt es süße Plagen,
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die Sinnenmeisterin, die wollustvolle Not,
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der Freiheit Untergang, den angenehmen Tod,
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und was der Namen mehr die ewigen Poeten
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sehr weislich dichten an den sauersüßen Nöten.
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Was Lieb' ist, weiß ich nicht, und schreibe doch darvon.
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Was hilfts? Unwissenheit ist meiner Einfalt Lohn.
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Diß ist der schöne Zweck, darauf wir alle denken,
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dahin wir Tag und Nacht die leichten Sinnen lenken,
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wenn wir erwachsen sind. Es muß geliebet sein,
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soll dieses Alles nicht in Kürzen gehen ein.
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Der hohe Himmel liebt die tiefe Schoß der Erden,
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mit ihr und mit der See muß Luft vermählet werden,
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die beide schwängert itzt. Diß macht der Liebe Band,
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daß allzeit Tag und Nacht so bleiben im Bestand
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und wechseln friedlich umb. Die Zeiten tauschen abe
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mit höchster Einigkeit. Die Sonne steigt herabe,
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macht, daß sich Alles liebt. Der Widder und der Stier,
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darinnen sie ietzt läuft, die sind verbuhlte Tier',
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als wol ein Ieder weiß. Die Zwillinge, die wollen,
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daß wir umb diese Zeit uns auch umbfangen sollen
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und gehen Paar und Paar. Der silberblasse Mond
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heißt uns dem folgen nach, was sie noch nicht gewohnt,
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weil sie stets Jungfer bleibt. Der lieben Sterne Blinken,
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das lehrt uns, wie auch wir der Liebsten sollen winken.
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In Summa, was in sich Luft, See und Erde hält,
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das heißt uns lieben itzt und mitte sein gesellt.
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Seht, wie der Eppich kan die grünen Arme schlingen
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ringsumb den Rüstbaum her und ihn zu Liebe zwingen!
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Seht, was die Wicke tut, das buhlerische Kraut,
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wie sie ihr brünstiglich dem Stengel anvertraut
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und hängt sich fest an ihn! Die stummen Wasserschaaren,
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die reißen durch den Strand und tun sich freundlich paaren,
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wie denn das Luftvolk auch, da manche Frau und Man
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sich schnäbeln züchtiglich umb süße Hochzeit an.
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Diß ist die süße Lust, die aus dem Himmel brachte
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den heißen Jupiter, die ihn zum Stiere machte.
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Der hochverliebte Gott ließ seinen Donner stehn,
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im Fall' er muste fort nach andrer Weide gehn.
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Man kennet keinen Gott, der nicht geliebet hätte.
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Diß ist der Nymphen Kunst, sie lieben in die Wette.
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Der geile Schäfergott hält seine Syrinx fest'.
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Eh' wird Neptun ein Pferd, eh' er die Ceres läßt.
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Die kugelrunde Welt muß unbestrahlet liegen,
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wenn Phöbus listig meint die Dafne zu betriegen,
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wiewol vergebens nur. Die Winde reißen los,
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weil Äolus sich legt in seiner Liebsten Schoß.
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Auch wir sind Göttern gleich durch unsrer Liebe Gaben.
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Da meint ein Ieder schon ein Himmelreich zu haben,
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der fest und stete liebt, wenn die ihm, die er liebt,
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ein treues Unterpfand der Gegenliebe giebt.
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Das liebliche Geschlecht, das wir die Jungfern nennen,
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was kan es nicht bei uns? Was kan man sonst wol kennen,
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das einem Manne mehr die strengen Sinnen bricht
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und macht sie ihme zahm? An diß Volk denkt man nicht
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ohn' innerliche Lust. Ihr Name machet rege,
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was in und an uns ist. Wär' einer noch so träge,
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durch Lieben wird er frisch und krieget einen Mut.
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Cupido ist fürwahr der Faulheit gar nicht gut.
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Da kan ein Buhler nicht die Schönheit gnung
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beschreiben,
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die an der Liebsten ist, muß manchen Tag vertreiben
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mit ihrer Gaben Lob'. Er fängt von oben an
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und rühmbt der Glieder Pracht, wie sehr er immer kan.
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Des irdischen Gestirns, der liechten Augen Blicke
183 
sein ihre große Kunst, damit sie ihm entzücke
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der matten Sinnen Rest. Der glatten Stirnen Zier
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ist Amors sein Magnet, der ihn stets rückt zu ihr.
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Das Haar, das schöne Haar, sind ihre starke Binden,
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damit sie ihm das Herz' und Geister kan umbwinden.
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Die Wangen sind Beryll, die Lippen ein Rubin,
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die ihn zu ihrer Gunst auch wider Willen ziehn.
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Das Kinn ist Perlen voll, der Hals von Alabaster,
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die Kehle Chrysolith, der Brust erhabnes Pflaster
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der reinste Marmorstein, die Arme Helfenbein,
193 
die Finger pures Gold, und was sonst mehr mag sein.
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Er ist aus sich verzückt, er weiß nicht, was er saget,
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bald ist er gutes Muts, bald hebt er an und klaget,
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er heißt sie in der Angst wol gar die Zauberin,
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die ihm durch scharfen Gift verlähme Kräft' und Sinn'.
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Und es ist ohne nicht: die stärksten Kriegeshelden
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kan zwingen eine Frau. Die wahren Schriften melden,
200 
daß Alexandern nie entherzet eine Schlacht,
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noch hat ihn doch ein Weib zu einer Frau gemacht:
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Persepolis, die hat durch Thais brennen können.
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Der Liebe zogen nach auch die Amazoninnen,
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wie frei sie waren sonst. Achilles war nicht stark,
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wenn seine Briseis ihm nahm aller Kräfte Mark.
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Der Paris wurde blind durch Zierat einer Frauen,
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er muste mehr auf Schön' als auf die Tugend schauen.
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Ja auch die Götter selbst, wie mehrmals ist gesagt,
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hat öfter Weiberlust aus ihrer Burg gejagt,
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daß sie ihr giengen nach. Wer wolte denn nicht lieben?
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Wo wir nur sehen hin, da werden wir getrieben
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an dieses süße Werk. Wer will denn nun ein Stein,
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ein Stiefkind der Natur, ein Sichselbsthasser sein?
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Vergebens ist uns nicht die Leber einverleibet:
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sie, sie ist unser Gott, der uns zum Lieben treibet.
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Wer gar nicht lieben kan, der wisse, daß anstat
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der Leber er faul Holz und einen Bofist hat.
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Und ihr habt recht getan, ihr wolgepaarten Beide,
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daß ihr das süße Joch der angenehmen Freude
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wolt zeitlich gehen ein! Die gönstige Natur,
221 
des Höchsten treue Magd, weist euch auf diese Spur,
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und leitet euch hierzu. Der großen Ahnen Fälle
223 
ersetzet sie durch euch, daß ihr an jener Stelle
224 
solt andre pfropfen ein, die nachmals durch die Zeit
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auch reisen, wie vor sie, durch frische Dapferkeit.
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Ach solte, solte doch der werte Hugo sehen,
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was ietzt noch sein Gemahl! O könt' es doch geschehen,
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daß nun der selige Herr Wolf herwieder käm'
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und dieses liebe Paar zu beiden Armen nähm'
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und drückt' an seine Brust! Die große Freude machet,
231 
daß itzt die fromme Frau, die Mutter, weinend lachet.
232 
Sie trauet Kind und Freund, gibt ihrer Liebe Pfand
233 
und schlägt mit eigner Faust durch die gepaarte Hand
234 
und spricht: Es sei also! Die schönen Schwestern lachen,
235 
die Brüder wündschen Glück an diesen hohen Sachen
236 
euch, ihr Verliebten, euch. Wo ihr nur schauet hin,
237 
da seht ihr auf euch zu beschenkte Wündsche ziehn.
238 
Ists aber ietzo Zeit durch Heirat sich zu binden,
239 
ietzt, da der tolle Mars uns dreuet vorn' und hinden,
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ietzt, da das teutsche Volk ihm selbst die Degen wetzt
241 
und sein rebellisch Schwert ihm an die Gurgel setzt?
242 
Ihr wolt auch in den Krieg. Ach, wär' in jenem Kriegen
243 
so leichte, wie in dem, das ungewisse Siegen,
244 
wär' unsre Feindschaft nur nicht größer als bei euch,
245 
so könt' ein Winken nur die Sache machen gleich.
246 
Doch fahret immer fort, laßt Ander' ietzt sich schlagen!
247 
Ihr kriegt mit guter Ruh', dürft euren Leib nicht wagen
248 
in das verlogne Glück, in einen glatten Streit.
249 
Der Streit, in dem ihr seid, ist lauter Einigkeit
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mit Freundlichkeit vermählt. Man spricht auch sonst, im Maien
251 
da sei es gar nicht gut zu stellen an ein Freien.
252 
Nichts minder tut ihrs doch? Doch kümmert euch nicht drum!
253 
Ich habe nachgesucht, ich finde nicht, warum.
254 
Wir sein die Römer nicht, daß wir diß solten halten.
255 
Wir richten uns nach uns. Was schaffen uns die Alten?
256 
Es ist nicht balde wahr, was der und jener spricht:
257 
gewisser Tage Wahl will Gott zum Freien nicht.
258 
Ihr habt der besten Zeit der Zeiten wahr genommen,
259 
der Lenz heißt euren Lenz der Jugend ietzt willkommen.
260 
Diß alles, was ietzt liebt, das wündscht euch Heil zu dem,
261 
was euch und ihme nun von Herzen angenehm.
262 
Das Wind- und Wasservolk, die ausgeschlagnen Wälder,
263 
der schöne Maienschein, die neubegrünten Felder
264 
sind fröhlicher als vor. Die Flora gibt euch Lust,
265 
Cytheris drucket schön eins an des andern Brust.
266 
Die frischen Najaden, die Muldeinwohnerinnen,
267 
die rufen: Glück, o Paar! Glück, Glück! so sehr sie künnen.
268 
Das ganze Hartenstein erschallt von dem Geschrei
269 
und jauchzet mitte drein: Glück zu, ihr Liebten zwei!
270 
Glück zu, ihr Liebten zwei! schreit auch mein Phöbus mitte
271 
und stellt sich bei euch ein. Er hat auf meine Bitte
272 
diß Brautlied euch gemacht. Ietzt stimmts der werte Man
273 
mit seiner Schwestern Schar für eurer Tafel an:
 
274 
Halbgöttinne, Fräulein Braut,
275 
der Kassandra müste weichen,
276 
Helena nicht könte gleichen,
277 
Rom noch Schöners nie geschaut,
278 
zehnte bei der Musen Schar,
279 
vierte Charis dieser Jahr',
 
280 
Andre Venus! Sihstu nicht,
281 
wie Cupido stetig winket,
282 
wie das Liecht der Fackeln blinket,
283 
wie der linde Zephyr bricht
284 
Tulpen, Nelken, Rosmarin,
285 
wirft sie auf den Tanzplatz hin?
 
286 
Auf, o werte schöne Braut!
287 
Auf, an Tanz ist Zeit zu gehen!
288 
Siehstu schon den Liebsten stehen,
289 
den dir Amor hat vertraut,
290 
den dir hat in keuscher Brunst
291 
zugetan des Himmels Gunst?
 
292 
Wertes Paar, so tanzet nun,
293 
liebt und küsset, küßt und liebet,
294 
was ein Lieb dem andern giebet!
295 
Gott, der wird das Seine tun,
296 
daß euch Phöbus balde schau'
297 
immer fruchtbar, langsam grau!
 
298 
Und nun, nun ist es Nacht, der Renner ist entwichen,
299 
der Alles liechte macht. Frau Luna kömpt geschlichen
300 
und steckt ihr Silber auf, der schöne Nachtstern kömpt,
301 
die angelegte Glut der blanken Sterne glimmt.
302 
Hört auf, ihr gar ein Sinn, hört auf mit euren Tänzen,
303 
ermüdet euch nicht gar! Die Lust könt ihr ergänzen
304 
auf einen andern Tag. Ietzt seht, was Hymen dort
305 
in jener Kammer zeigt! Geht, Liebte, geht nur fort
306 
und gebet gute Nacht! Die Venus steht von ferne,
307 
lacht eurer Wegerung. Cupido sähe gerne,
308 
daß ihr nur machtet fort. Er trägt die Fackeln für
309 
und wartet sehnlich auf vor jenes Zimmers Tür',
310 
in dem ihr schlafen solt. Geht, geht, ihr herze Herzen,
311 
vereinigt mehr den Sinn, beflammt die Liebeskerzen,
312 
geht, geht zu eurer Rast, nach der ihr einigst steht,
313 
und merket, wie es euch in dieser Ruh' ergeht!
 
314 
An den Lustgarten zur Wechselburg
 
315 
Bisher hat dich bestrahlt die allgemeine Sonne,
316 
noch hastu Blumen bracht nach Herzens Lust und Wonne:
317 
was wirstu förderhin für Blumen bringen mir,
318 
wenn mein herzeigne Sonn' auch sein wird eigen dir?
 
319 
An die Nacht
 
320 
Ob du schon wickelst ein das halbe Rund der Erden
321 
in dein berustes Tuch, du schwarze, finstre Nacht,
322 
so mag ich doch von dir gar nicht bedunkelt werden,
323 
dich nur ein Auge mir der Liebsten liechte macht.
 
324 
Vom Amor
 
325 
Der Bräutigamb redet.
 
326 
Ist dennoch Amor blind? Es will mir schwerlich ein,
327 
er mag wol sonsten Nichts als lauter Auge sein.
328 
Vorgestern sah' ich ihn von hinden zu spazieren,
329 
ich schlich ihm leise nach, vermeint', er merk' es nicht,
330 
daß Iemand wär' umb hin, da zog der Bösewicht
331 
den Bogen über Häupt und tät mein Herze rühren.
332 
Wie? Ist denn Amor blind? Es will mir gar nicht ein,
333 
er muß ja warlich Nichts als lauter Auge sein.
 
334 
Wechselgedichte
 
335 
Der Bräutigamb.
 
336 
So viel dein langer Strom, du Fichtelbergerinne,
337 
Inwohner Fische hat,
338 
so viel mich früh' und spat
339 
ergötze meine Braut, die schöne Menschgöttinne!
 
340 
Die Braut.
 
341 
So viel der dicke Wald, das grüne Haus der Tiere,
342 
der Zweig' ietzt bringen mag,
343 
so viel mich Nacht und Tag
344 
mein allerliebstes Lieb in seinem Herzen führe!
 
345 
So manches Federvolk durch freier Lüfte Gassen
346 
bald hin, bald her sich schwingt
347 
und Buhlerlieder singt,
348 
so ofte mich mein Schatz doch möchte nur umbfassen!
 
349 
Der Bräutigamb.
 
350 
So manches Bienelein der bunten Auen Säfte
351 
zu Stocke führt mit sich,
352 
so ofte herze mich
353 
mein herzes Herz und geb' hinfort mir neue Kräfte!
 
354 
Die Nymphen.
 
355 
O Glück! Ihr liebtes Paar, woran ihr euch wolt laben,
356 
dasselbe woln auch wir,
357 
dasselbe sollet ihr
358 
und tausentmal noch mehr der Freude von uns haben.

Details zum Gedicht „Früelings-Hochzeitgedichte“

Autor
Paul Fleming
Anzahl Strophen
24
Anzahl Verse
358
Anzahl Wörter
2918
Entstehungsjahr
1631
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Früelings-Hochzeitgedichte“ des Autors Paul Fleming. Geboren wurde Fleming im Jahr 1609 in Hartenstein (Sachsen). Im Jahr 1631 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Bei Fleming handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Der Barock umfasst den Zeitraum von 1600 bis 1720. Die Übersetzung des portugiesischen Wortes „barocco“ lautet „unregelmäßig geformte Perle“. Der Dreißigjährige Krieg gilt als das maßgebende Bezugselement des Barocks. Der Dreißigjährige Krieg hinterließ ein wirtschaftlich, politisch und kulturell verfallenes Deutsches Reich. Aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen wurden ganze Landstriche entvölkert. So wurden Gewalt, Tod und Zerstörung zum Teil des Alltags der Menschen. Hungersnöte und Seuchen, wie die Pest, verschlimmerten die Situation der Bevölkerung weiter. Allein der Ausbruch der Pest reduzierte die Bevölkerung um ein Drittel. Der Barock in der deutschen Literaturgeschichte wurde von Gegensätzen geprägt. Dabei standen primär das Jenseits und das Diesseits oder der Schein und das Sein im Mittelpunkt der Dichtung. Von Gegensätzen gezeichnet war auch das Leben der Bevölkerung. So lebte der überwiegende Teil der Bevölkerung in Armut, Adelige hingegen lebten einen luxuriösen und verschwenderischen Lebensstil. In der vorhergehenden Epoche (Renaissance) waren noch viele Werke in lateinischer Sprache veröffentlicht worden. Im Barock begann jedoch die Zeit der in deutscher Sprache verfassten Literatur. Zu den namhaften Dichtern des Barocks gehören beispielsweise: Martin Opitz, Casper von Lohenstein, Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, Andreas Gryphius, Caspar Ziegler, Paul Fleming, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau und Angelus Silesius.

Das vorliegende Gedicht umfasst 2918 Wörter. Es baut sich aus 24 Strophen auf und besteht aus 358 Versen. Der Dichter Paul Fleming ist auch der Autor für Gedichte wie „Ein getreues Herz zu wissen“, „In allen meinen Thaten“ und „Tugend ist mein Leben“. Zum Autor des Gedichtes „Früelings-Hochzeitgedichte“ haben wir auf abi-pur.de weitere 366 Gedichte veröffentlicht.

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Zum Autor Paul Fleming sind auf abi-pur.de 366 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.