Auf Herrn Garlef Lüders und Jungfrau Margarethen Brauns Hochzeit in Moßkow von Paul Fleming

Ihr, die ihr Nacht und Tag auf Lieben zu gedenken
und euren matten Sinn mit Sehnen pflegt zu kränken
nach jener schönen Zeit, bis daß die süße Lust,
von der ihr mir erzählt, als das euch ist bewust,
auch euch einst stehe frei; setzt, ihr verwirrten Leute,
diß, was ihr doch nicht habt, ein wenig auf die Seite,
vergnügt euch selbsten euch! Laßt euren eiteln Wahn,
und seht um so viel mehr die beiden Lieben an!
Schaut an diß fromme Paar, diß Paar, so zwei an Namen
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und eins an Herzen ist, das wahrer Liebe Samen
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aus seinen Augen streut und in zwei Herzen säet,
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darin es allezeit in voller Blüte steht
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und tausent Früchte trägt! Die Furcht, die Qual der Sinnen,
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das angstgefüllte Kind der bösen Erebinnen,
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hat ihren Tod erlebt. Die seufzende Begier,
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die Tochter des Averns, die hat ein Ende hier.
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Die müde Hoffnung stirbt, das reizende Verlangen,
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das hat auf diesen Tag ganz seinen Rest empfangen.
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Kein Harren harret mehr. Das matte Sehnen liegt
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und tut den letzten Zug. Sie haben obgesiegt,
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die Beide, wie ihr seht. Lauft aus, ihr kleinen Götter,
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ihr Eivolk, Paphos Ruhm, bringt frische Myrtenblätter!
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Du Amathunta, flecht in ihr würdiges Haar
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die Krone, die du machst für deiner Fechter Schar!
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Der Ruhm folgt auf den Sieg. Ihr weichen Najadinnen,
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eilt, was ihr eilen könnt, zu euren kühlen Brünnen,
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holt frische Schmergel her, pflockt Quendel, Pol und Klee!
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Ihr, Napäinnen, bringt, was her komt über See,
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gebt fremde Tulpen her! Geh, Klio, mit Melposen,
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reuft Hiazynthen aus, brecht volle Zuckerrosen
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und keusche Lilgen ab! Lest, was nach Pestum reucht
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und was Alcinous und Flora Schönes zeugt!
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Pflockt alle Körbe voll! Eilt, laufet um die Wette,
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komt, bringt und schüttet aus! Hier wollen wir ein Bette
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von Farben bauen auf. Sie, aller Blumen Schein,
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die sollen ganz und gar verdeckt mit Blumen sein.
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Diß ist des Bräutgams Lohn für seine hohe Gaben,
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er will sonst keinen Dank, als von der Liebsten haben.
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Sein ausgelehrter Mund, der redet, was er will,
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vermischt Athen mit Rom, Französisch ist sein Spiel,
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Toscanisch seine Lust. Der Jüde steht betöret,
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spricht: Landsman, fahre fort! wenn er ihn reden höret,
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und daß man wissen mag, daß er mehr Sprachen kan,
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so redet er sein Lieb itzt auch auf Russisch an.
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Bisher ist Alles falsch. Der Zirkel hat gelogen,
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das Lineal geirrt, das Augenmaß getrogen.
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Er maß, er übermaß, es wolte doch nicht sein,
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Quadrant und Transporteur, die trafen ganz nicht ein,
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der Fleiß, der war umsonst. Nun hat er endlich, troffen
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den viel gesuchten Zweck. Sein Mittelpunct steht offen.
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Er spannt sein Instrument, so weit es gehn will, aus:
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so kommt ihm, was er sucht, auch auf ein Härlin raus.
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Er wundert sich selbselbst. Die Tiefe, Breite, Länge,
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das rechte Gegenmaß, die Weite samt der Enge,
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und was man sonst so mißt, das weiß er ungefähr
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und rechnets ohne Maß auf einem Nagel her.
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Die Künstler irren nicht. Prometheus, wem du grübest
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ein Herze güldner Art, und wen du, Phöbus, liebest,
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Der lernet, was du lehrst, wird deiner Künste voll.
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Unähnlich ist ihm nichts, als daß er fehlen soll.
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So ist sein Drechselwerk bisher fast mißgelungen,
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kein Ansatz, der war recht, die spröden Eisen sprungen,
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die Hand ging vor den Fuß, als der verstieß die Hand,
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es wurde nichts nicht drauß, als was da wird genant
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nach Nürnberg, die so fehlt. Ich weiß nicht, was man saget?
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Ists aber dieses nur, darüber man so klaget?
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Wird nirgends sonst geirrt? Geht ihre kluge Hand
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durch alle Länder nicht? Ja, ja, so ists bewandt!
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Irrt einer etwan grob, so ist er stracks bemühet,
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bis er denselben Fehl an großen Leuten siehet:
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denn, meint er, seis schon gut, wenn er nur sagen kan:
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Gott weiß, wie recht und wahr! das hat der auch getan!
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Wer haßt sein Laster itzt? Forthin so will er machen
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sonst nichts nicht als oval und kugelrunde Sachen.
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Weil auch die Kupferstich' ihm mißgeraten sein,
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so will er seinen Zeug gewisser setzen ein.
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Nun kan er besser auch nach dem Gestirne gucken:
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sein Himmel steht vor ihm. Er schauet nach der Glucken,
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besieht den Angelstern, merkt, wo der Milchweg geht
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und wo das helle Liecht der Jungferähre steht.
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Wol dem, den so wie ihn sein Himmel würdig achtet,
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daß er zu Tag und Nacht die schöne Zier betrachtet,
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die um und in ihm ist! Er ist den Göttern gleich
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und hat schon, weil er lebt, ein sterblichs Himmelreich.
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Er läßt die kleine Welt in seinen Armen rasten,
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er unterstützet sie, ein Atlas ihren Lasten,
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hebt sie, daß sie ihn trägt. Sein Leben, seinen Sinn,
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sein Alles, was er ist und hat, das legt er hin
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in seiner Liebsten Schoß. Er hat das beste Leben,
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das iemals Jupiter den Sterblichen gegeben.
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Kein Sinn, der ist an ihm, der unvergnüget blieb'.
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Er sieht, er hört, er reucht, er schmäckt, er fühlt sein Lieb
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nicht wie ein Ander tut, der Tag und Nacht sich grämet
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um etwas, das Nichts ist, doch sichs zu sagen schämet;
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ist elend auf den Schein, hat Alles und doch Nichts,
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wird oft um Mittagszeit beraubet des Gesichts,
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blind sehend, hörend taub. Er denkt nicht, was er denket,
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besinnet keinen Sinn, weiß gar wol, was ihn lenket,
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und weiß es gleichwol nicht, lobt, was er schon verspricht.
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Das Wündschen hat er frei, das Haben hat er nicht.
 
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Seid selig, wie ihr seid, ihr wolgetrauten Beide!
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Und wenn ihr denn nun schmäckt die angenehme Freude,
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so denkt auch derer Not, die ihr vor kurzer Zeit
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noch waret, was sie sein, nun, was sie nicht sein, seid!

Details zum Gedicht „Auf Herrn Garlef Lüders und Jungfrau Margarethen Brauns Hochzeit in Moßkow“

Autor
Paul Fleming
Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
104
Anzahl Wörter
928
Entstehungsjahr
1634
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Paul Fleming ist der Autor des Gedichtes „Auf Herrn Garlef Lüders und Jungfrau Margarethen Brauns Hochzeit in Moßkow“. Geboren wurde Fleming im Jahr 1609 in Hartenstein (Sachsen). Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1634. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Der Schriftsteller Fleming ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Literaturepoche des Barock begann etwa 1600 und endete im Jahr 1720. Die wörtliche Übersetzung des portugiesischen Wortes „barocco“ lautet „schiefe Perle“. Der Dreißigjährige Krieg war ein Religions- und Territorialkrieg in Europa, der für viel Elend, Zerstörung und Tod sorgte. Dazu kamen Zerfall der Wirtschaft und die Pest, welche das Unheil während des Dreißigjährigen Krieges nur noch befeuerte. Die Lyrik des Barocks ist vorwiegend von drei Leitmotiven (Memento mori, Vanitas, Carpe diem) bestimmt, die die Lebenseinstellung der Menschen beschreiben. Vor dem geschichtlichen Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges war das Leben der Menschen von Gewalt und Zerstörung bestimmt. Alle genannten Motive setzen sich auf verschiedene Weise mit der verbreiteten Angst vor dem Tod und seinen Auswirkungen auseinander. Im Zeitalter des Barocks löste die deutsche Sprache das Lateinische ab. Zu den berühmtesten Schriftstellern des Barocks gehören: Grimmelshausen, Andreas Gryphius, Casper von Lohenstein, Martin Opitz, Paul Fleming und Caspar Ziegler.

Das vorliegende Gedicht umfasst 928 Wörter. Es baut sich aus 2 Strophen auf und besteht aus 104 Versen. Paul Fleming ist auch der Autor für Gedichte wie „Wie er wolle geküsset seyn“, „Tanzlied“ und „Ein getreues Herz zu wissen“. Zum Autor des Gedichtes „Auf Herrn Garlef Lüders und Jungfrau Margarethen Brauns Hochzeit in Moßkow“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 366 Gedichte vor.

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