An einen seinen vertrautesten Freunde auf dessen seiner Buhlschaft ihren Namenstag von Paul Fleming

Anstat, daß wir sie itzund könten küssen,
du Wirien, dein auserwehltes Lieb,
ich Balthien, die mich mehr nicht läßt grüßen,
weil ich ihr nicht bei meinen Worten blieb,
so stehn wir hier mit seufzenden Verlangen
und füllen uns mit leerer Einsamkeit.
Wir wissen nichts vor Unmut anzufangen,
als daß wir stets bereuen unser Leid.
Vergeblich ists um alles unser' Denken,
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wie sehr wir auch um unser Freude tun.
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Es kan mehr nicht, als die Erinnrer kränken.
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So süß' es war, so sauer ist es nun.
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Der eitle Wahn, der Kitzel fremder Sachen,
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die doch mehr nichts als Wind und Schatten sein,
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und gleichwol uns so viel zu schaffen machen,
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was bringen sie als eine lange Pein?
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Indessen scheußt die Flut der schnellen Stunden
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stets nach und nach, sie eilen für und für.
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Die strenge Zeit hat uns an sich gebunden,
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sie läuft mit uns, wir laufen fort mit ihr.
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Viel besser ists, nichts was gehabet haben,
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das unsern Geist mit seiner Lust nam ein,
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als können sich entsinnen solcher Gaben,
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die uns vor frei und nun verboten sein.
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Hier gehn wir oft und schauen mit Erblassen
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dein Rasen an, du schaumichter Hirkan!
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In was für Not hast du uns zappeln lassen,
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bis wir erlangt das Ufer von Schirvan!
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Dein falscher Grund der Seichten und der Tiefen
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so hat uns ja oft angst, bleich und naß gemacht.
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Du ließest uns ja redlich wol vertriefen.
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Was wir geweint, das hast du ausgelacht.
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Nicht Wellen, nein, ja Berge sinds zu nennen,
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die du uns hast mit Sturme vorgeschützt.
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Auf deinen Zorn must' auch das Wasser brennen,
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bei welcher Glut hat mancher kalt geschwitzt.
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Kein Anker hielt, die starken Taue brachen,
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Mast und Maisan, die gingen über Bort.
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Der Schiffer stund. Was die Madrosen sprachen,
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das war für uns ein ach! wie furchtsams Wort.
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Das tote Schiff liegt nun vor uns ertrunken.
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Hilf Gott! Wie hat es sich mit uns gemüht!
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Ach! daß mit ihm nur wäre gleich versunken
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all Unglück auch, das nun schon wieder blüht!
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Rhamnusi, was ist diese vor ein Handel,
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worinnen hastu deine Göttlichkeit?
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Bestehest du in einem steten Wandel,
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wenn werden wir denn einst auf Leid erfreut?
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Was ist dieß Not, Freund, alles zu erzälen,
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der du es vor weit besser weißt als ich?
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Ich will forthin mich nur um nichts mehr quälen,
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will mich forthin bekümmern nur um mich.
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Komm, laß uns itzt durch jene flachen Felder,
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so viel sichs schickt, nach Lust spaziren gehn!
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Die Brombeersträuch' und Wein- und Apfelwälder,
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die werden um und neben uns stets stehn.
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Dem Steige hier, der nach dem Strande führet,
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dem bin ich nun von Herzen gram und feind.
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Freund, hier hinaus wird mehr von Lust gespüret,
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da Phöbus her aus jungem Morgen scheint.
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Die Trefflichkeit der hohen Gordieen,
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auf denen auch der heiße Löwe schneit,
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die haben wir gerade vor uns stehen.
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Komm, laß uns sehn, wie hoch sie sind, wie weit!
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Inzwischen sing' ein Lied auf deine Liebe
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und binde sie mit deiner Kunst heut' an!
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Sie bleibet die, wie sie dir letztens schriebe,
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und ich auch will versuchen, was ich kan.
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Und dieses wird viel besser uns gedeien,
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als wenn wir uns stets klagen unsre Not,
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stets trübe sehn, stets nach Erlösung schreien,
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den Niemand doch nicht raten kan als Gott.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „An einen seinen vertrautesten Freunde auf dessen seiner Buhlschaft ihren Namenstag“

Autor
Paul Fleming
Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
72
Anzahl Wörter
543
Entstehungsjahr
1636
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „An einen seinen vertrautesten Freunde auf dessen seiner Buhlschaft ihren Namenstag“ des Autors Paul Fleming. 1609 wurde Fleming in Hartenstein (Sachsen) geboren. Im Jahr 1636 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Barock zu. Bei dem Schriftsteller Fleming handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Epoche des Barocks erstreckt sich über den Zeitraum von 1600 bis etwa 1720. Diesen Zeitraum kann man in drei weitere Abschnitte unterteilen: Spät-, Hoch- und Frühbarock. Durch die Pest starben ca. 30 % der Bevölkerung. Auch der Dreißigjährige Krieg führte zu einem sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verfall im Deutschen Reich. Dennoch lebten die Fürsten einen luxuriösen und ausschweifenden Lebensstil vor. Sie nutzten das Durcheinander nach dem Krieg, um eine Neuordnung der Gebiete vorzunehmen und ihre Macht auszubauen. Die Lyrik des Barocks ist von drei Leitmotiven (Memento mori, Vanitas, Carpe diem) geprägt, die die Einstellung der Menschen zum Leben beschreiben. Vor dem Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges war das Leben der Menschen von Gewalt und Zerstörung geprägt. Alle genannten Motive setzen sich auf verschiedene Weise mit der verbreiteten Angst vor dem Lebensende und dessen Auswirkungen auseinander. Im Barock wurde das Lateinische von der deutschen Sprache abgelöst. Zu den wichtigen Autoren der Literatur des Barocks gehören beispielsweise: Casper von Lohenstein, Martin Opitz, Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, Andreas Gryphius, Caspar Ziegler, Paul Fleming, Angelus Silesius und Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau.

Das vorliegende Gedicht umfasst 543 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 72 Versen. Der Dichter Paul Fleming ist auch der Autor für Gedichte wie „Auf des 8. Psalms Melodei“, „Nach des 6. Psalmens Weise“ und „Neujahrsode 1633“. Zum Autor des Gedichtes „An einen seinen vertrautesten Freunde auf dessen seiner Buhlschaft ihren Namenstag“ haben wir auf abi-pur.de weitere 366 Gedichte veröffentlicht.

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