Harvstehude von Friedrich von Hagedorn

Ich bin ein Freund der Klosterländer,
Und gönn' und wünsch' insonderheit
Den rechten Kern der Segenspfänder
Der jüngferlichen Geistlichkeit.
Was Heilige für sich verwalten,
Das kann, das wird, das muß gedeihn,
Und frommer Schwestern Wohlverhalten
Sollt' immer reich an Pfründen sein.
 
Ihr edlen Johanniterinnen,
10 
Euch strömen Gut und Ehre zu;
11 
Ihr seid ein Muster keuscher Sinnen
12 
In Harvstehudens sichrer Ruh'.
13 
Wie selten höret ihr die Klagen
14 
Der buhlerischen Schmeichelei!
15 
Euch drücken keine Landesplagen,
16 
Kein Alp und keine Ketzerei.
 
17 
Nichts ist so schön als Harvstehude,
18 
Und darum ist es Eurer werth,
19 
Wo auch der allerkärgste Jude
20 
Den Silberling mit Muth verzehrt.
21 
Das schwör' ich bei der alten Linde,
22 
In der so mancher Vogel heckt,
23 
Die gegen wilde Wirbelwinde
24 
Mit neunundneunzig Aesten deckt.
 
25 
Hier gehet in gewölbten Lüften
26 
Die Sonne recht gefällig auf,
27 
Und lachet den beblümten Triften,
28 
Und sieht mit Lust der Alster Lauf.
29 
Oft taucht sich hier ein schöner Schwimmer
30 
In ihrer Strahlen Wiederschein,
31 
Und oftmals heißt ihr erster Schimmer
32 
Sogar die Thiere fröhlich sein.
 
33 
Wir steigen bei den schlanken Weiden
34 
Aus Arch' und Nachen an den Strand,
35 
Und dann begleitet unsre Freuden
36 
Lenz oder Sommer auf das Land.
37 
Flugs kömmt der aufmerksame Toppe
38 
So freundlich und so tiefgeneigt,
39 
Als an dem Boberfluß ein Stoppe
40 
Den Sättler guten Freunden zeigt.
 
41 
Er selber siehet mit Ergötzen,
42 
Daß diese Gegend uns gefällt,
43 
Und gibt uns von den besten Schätzen,
44 
Die seines Kellers Kluft enthält.
45 
Er spricht fast, wie Achill gesprochen:
46 
Herr Phoenix, Ajax und Ulyß ...
47 
Die Herren setzen sich ... wir kochen,
48 
Und reiner Wein erfolgt gewiß.
 
49 
Wo findet man so gute Wirthe,
50 
Als an den Helden jener Zeit?
51 
Wann sich ein Wandersmann verirrte,
52 
So stand für ihn ihr Haus bereit.
53 
Hier folgt man täglich dem Exempel
54 
Und tränkt und speiset jeden Gast,
55 
Und uns macht diesen Comustempel
56 
Auch ein Cornaro nicht verhaßt.
 
57 
Man übet hier auf freier Wiese
58 
Bald das Gesicht, bald den Geschmack;
59 
Oft schallt hier bis zur Zirbeldrüse
60 
Ein auserles'ner Dudelsack:
61 
Und weil auch für gelehrte Männer
62 
Der Thorweg schuldigst offen steht,
63 
So kommen hier die Funkenkenner
64 
Und sehn die Elektricität.
 
65 
Vielleicht wird jetzt mein Lied gerathen;
66 
Ein neuer Anblick gibt ihm Kraft:
67 
Der Hügel der Licentiaten,
68 
Die Landung einer Hauptmannschaft.
69 
Doch wie? Ein Schwätzer kömmt gegangen,
70 
Der Lust und Einfall unterbricht.
71 
O hätt' ich nur nicht angefangen!
72 
Genug! Ich dichte weiter nicht.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (29.7 KB)

Details zum Gedicht „Harvstehude“

Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
72
Anzahl Wörter
383
Entstehungsjahr
1708 - 1754
Epoche
Aufklärung

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Harvstehude“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Friedrich von Hagedorn. Hagedorn wurde im Jahr 1708 in Hamburg geboren. Zwischen den Jahren 1724 und 1754 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Aufklärung kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Hagedorn handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 383 Wörter. Es baut sich aus 9 Strophen auf und besteht aus 72 Versen. Friedrich von Hagedorn ist auch der Autor für Gedichte wie „Die Nacht“, „Der Morgen“ und „Dauer der Scribenten“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Harvstehude“ weitere 252 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Weitere Gedichte des Autors Friedrich von Hagedorn (Infos zum Autor)

Zum Autor Friedrich von Hagedorn sind auf abi-pur.de 252 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.