Expressionismus - Lyrik in der Epoche des Expressionismus

Schlagwörter:
Paul Boldt, Auf der Terrasse des Café Josty, Georg Trakl, Die schöne Stadt, Georg Heym, Der Gott der Stadt, Jakob van Hoddis, Weltende, Referat, Hausaufgabe, Expressionismus - Lyrik in der Epoche des Expressionismus
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Referat

Expressionistische Gedichte

Gliederung / Inhalt

Historischer Hintergrund

  • Wilhelminisches Kaiserreich
  • Erster Weltkrieg
  • Versailler Vertrag, Weimarer Republik
    → politischer Umbruch
  • Naturkatastrophen, Halley`scher Komet
  • Industrialisierung, Verstädterung
    • Vereinfachung des Lebens durch Technik, Transport und Kommunikation
      → Misstrauen in der Bevölkerung gegenüber diesen Neuerungen
    • Urbanisierung: wachsende Bevölkerung zog in die Stadt
      → Chaos, kaum Wohnraum, keine Abfallbeseitungs - oder Kanalisationssysteme, Entstehung von Armenghettos mit rudimentären Behausungen
  • erster Weltkrieg: anfangs Kriegseuphorie aufgrund nationalistischem Denkens, niemand kannte die Kriegsrealitäten, Veränderung des Krieges durch Technologisierung
    → Überforderung der Menschen

Expressionismus als Erneuerungssehnsucht, „Ästhetik des Hässlichen“ als Schönheitsideal etabliert

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Motive

  • Krieg,
  • Großstadt,
  • Ich-Verlust/ -Verfall,
  • Tod,
  • Wahnsinn,
  • Orientierungslosigkeit,
  • Verlust von Ordnung,
  • Liebe,
  • Leiden,
  • Abschied,
  • Ängste,
  • Ahnungen,
  • Weltuntergang,
  • Zerstörung der Natur

Themen / Motive

  • orientieren sich an der empfundenen Gesamtsituation der Zeit
  • beziehen sich auf Mensch und Gesellschaft, eher als Forderung als eine Wiedergabe
  • Forderung: „Aufbruch von Menschen“, die an den Umständen leiden und nach etwas besserem Streben → Idee eines „neuen“ Menschen
  • ein Menschheitsideal wird gefordert, das Ausdruck des inneren Menschen wird
  • der Mensch muss sich lösen aus der verwalteten Gesellschaft und der technisierten Welt und sich als Mittelpunkt ansehen, mit Verantwortung für Welt, Tier und Mensch
  • Themen: Orientierungslosigkeit, Ich-Dissoziation ( Ich-Zerfall ), Ästhetisierung des Hässlichen ( gewagte Bilder ), Endzeitstimmung ( Halley’scher Komet 1910, Erdbeben San Francisco 1906 ), Zerstörung der Natur (als Sinnbild für die Entfremdung des Menschen von der Natur), Verfall, Tod/Untergang/Zerstörung

Hintergrund: erster Weltkrieg, Industrialisierung → Skepsis gegenüber technischer Neuerungen, versteht sich als Reaktion auf wirre Zeiten

Erwartung einer Apokalypse (Krieg)/ Zerstörungsmetaphorik/ Unordnung /beängstigend /verzerrt /endzeitliche Stimmung/Aufbruchsstimmung/Abendstimmung/Orientierungslosigkeit/Hilflosigkeit/ Traumverlorenheit greift nicht mehr/Verwirrung/Irre/Unordnung der Welt (viele Enjambements und Waisen und Reihungsstil)/Chaos (inhaltlich und formell)/Gefühl der Einengung (z.T. abbildende Wortstellung)
→ Wahnsinn/surreale Elemente
→ strukturlose Gedanken (Gedichtform): Neologismen/Ellipsen/Aufbrechen grammatikalischer Strukturen/regelmäßige Form kontrastiert häufig mit unregelmäßigem Metrum

2 Seiten des Krieges (antithetische Darstellungsweise): Schattenseite(viele Tote,…)/negative Bedrohung des Krieges lässt sich nicht ganz verleugnen/Hoffnungslosigkeit/zerstörte Zukunft + Euphorie/Neuanfang/Optimismus (Faszination junger Menschen) eher zu Beginn/Naivität hinsichtlich des Krieges
→ Befehlsform und militärischer Elan in den Werken

Mensch als Opfer der Industrialisierung/Überforderung des Menschen/Materialismus/Mensch in seinem Denken und Handeln durch Technik beeinflusst/ Glaube der Menschen, die Natur durch Technik beherrschen zu können/ Großstadt-Metaphorik und Problematik

degenerierte und deformierte Gesellschaft(Gesellschaftskritik)/ heruntergekommen/Abscheu vor den Menschen/ /Menschen lassen sich gehen, sind eingeengt und beschränkt in sich selbst/ künstlerische Verkommenheit/keine kulturelle Bildung

Tragödien und Katastrophen als Teil des Alltags

Distanzierung (des Autors gegenüber der Gesellschaft)/Menschen stereotyp/depersonalisiert (Anspielung an Armee im Krieg)/Entfremdung des Menschen (häufig ausgerückt durch pars pro toto)/abwertend gegenüber Frauen (fehlende Emanzipation) → Interesse gilt ausschließlich der weiblichen Exotik und käuflichen Liebe
Revolutionärer Gedanke/ „Aufschrei“/Jugend will sich von den Gedankengängen der Väter befreien/Traum vom menschenwürdigen Leben/alte Gedankengänge ablegen/Kritik an der Unterordnung durch Monarchie/Kritik an Machtmechanismen /Kritik am Streben nach Luxus/Anti-Nationalismus/Anti-bürgerliches Denken → Feuer- und Brenn-Metaphorik/dem geschichtlichen Zwang entrinnen/der eigenen Entfremdung entrinnen/z.T. aufklärerisches Gedankengut (deutsche Wasserlaichenpoesie/Fledermäuse,…)

Ästhetik des Hässlichen/Krankheit/Sarkasmus (gegenüber der romantischen Liebe)/Satirisch/ Absurd/ Grotesk/Ironie/ schockierend nüchterner Umgang mit schlimmen Dingen/das Entsetzliche/ Ekel/Schauer/Spannungsfeld zwischen Leben und Tod(+Zerfallsgedanke) → negative Todesmetaphorik

„Tabu Themen“/Antihumanismus/antiästhetische Provokation/jeglicher Eindruck von Schönheit wird häufig direkt zerstört/Zynismus

Farbsymbolik: Schwarz und Rot (Blut)

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Formale Merkmale

  • Personifikationen,
  • Metaphern,
  • Neologismen,
  • Synästhesie,
  • Farbsymbolik,
  • Reihungsstil,
  • Verfremdung, Groteskes,
  • Ästhetisierung des Hässlichen,
  • Übertreibungen,
  • detailreiche Beschreibungen,
  • Kontraste,
  • Verkürzungen,
  • Wortfetzen,
  • Bildkontraste,
  • Widerspruch zwischen Form und Inhalt
  • Formauflösung: Verzicht auf Reim, Metrum oder Strophen, Verkürzung der Grammatik und Syntax verändern die äußere Struktur → Doppeldeutigkeiten bzw. Missverständlichkeiten; auch thematisch → „Auflösung des Äußeren“, dafür Stärken des Inneren
  • Zeilenstil (z.B.: Ich lief durch die Nacht. Der Wind hat Kälte gebracht.) (Gegenteil: Enjambement)

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Vertreter

  • Paul Boldt
  • Alfred Lichtenstein: Punkt, Doch kommt ein Krieg
  • Georg Trakl: Die schöne Stadt, Verfall
  • Georg Heym: Der Gott der Stadt, Ophelia
  • Jakob van Hoddis,
  • Else Lasker-Schüler: Weltende
  • Gottfried Benn: Kleine Aster, Schöne Jugend

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Einige Gedichte des Expressionismus

Auf der Terrasse des Café Josty
von Paul Boldt

Der Potsdamer Platz in ewigem Gebrüll
Vergletschert alle hallenden Lawinen
Der Straßentrakte: Trams auf Eisenschienen,
Automobile und den Menschenmüll.
 
Die Menschen rinnen über den Asphalt,
Ameisenemsig, wie Eidechsen flink.
Stirne und Hände, von Gedanken blink,
Schwimmen wie Sonnenlicht durch dunklen Wald.
 
Nachtregen hüllt den Platz in eine Höhle,
10 
Wo Fledermäuse, weiß, mit Flügeln schlagen
11 
Und lila Quallen liegen - bunte Öle;
 
12 
Die mehren sich, zerschnitten von den Wagen. -
13 
Aufspritzt Berlin, des Tages glitzernd Nest,
14 
Vom Rauch der Nacht wie Eiter einer Pest.

(„Auf der Terrasse des Café Josty“ von Paul Boldt ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (24.2 KB) zur Unterstützung an.)

Der Gott der Stadt
von Georg Heym

Auf einem Häuserblocke sitzt er breit.
Die Winde lagern schwarz um seine Stirn.
Er schaut voll Wut, wo fern in Einsamkeit
Die letzten Häuser in das Land verirrn.
 
Vom Abend glänzt der rote Bauch dem Baal,
Die großen Städte knieen um ihn her.
Der Kirchenglocken ungeheure Zahl
Wogt auf zu ihm aus schwarzer Türme Meer.
 
Wie Korybanten-Tanz dröhnt die Musik
10 
Der Millionen durch die Straßen laut.
11 
Der Schlote Rauch, die Wolken der Fabrik
12 
Ziehn auf zu ihm, wie Duft von Weihrauch blaut.
 
13 
Das Wetter schwält in seinen Augenbrauen.
14 
Der dunkle Abend wird in Nacht betäubt.
15 
Die Stürme flattern, die wie Geier schauen
16 
Von seinem Haupthaar, das im Zorne sträubt.
 
17 
Er streckt ins Dunkel seine Fleischerfaust.
18 
Er schüttelt sie. Ein Meer von Feuer jagt
19 
Durch eine Straße. Und der Glutqualm braust
20 
Und frißt sie auf, bis spät der Morgen tagt.

(„Der Gott der Stadt“ von Georg Heym ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (24.6 KB) zur Unterstützung an.)

Die schöne Stadt
von Georg Trakl

Alte Plätze sonnig schweigen.
Tief in Blau und Gold versponnen
Traumhaft hasten sanfte Nonnen
Unter schwüler Buchen Schweigen.
 
Aus den braun erhellten Kirchen
Schaun des Todes reine Bilder,
Großer Fürsten schöne Schilder.
Kronen schimmern in den Kirchen.
 
Rösser tauchen aus dem Brunnen.
10 
Blütenkrallen drohn aus Bäumen.
11 
Knaben spielen wirr von Träumen
12 
Abends leise dort am Brunnen.
 
13 
Mädchen stehen an den Toren,
14 
Schauen scheu ins farbige Leben.
15 
Ihre feuchten Lippen beben
16 
Und sie warten an den Toren.
 
17 
Zitternd flattern Glockenklänge,
18 
Marschtakt hallt und Wacherufen.
19 
Fremde lauschen auf den Stufen.
20 
Hoch im Blau sind Orgelklänge.
 
21 
Helle Instrumente singen.
22 
Durch der Gärten Blätterrahmen
23 
Schwirrt das Lachen schöner Damen.
24 
Leise junge Mütter singen.
 
25 
Heimlich haucht an blumigen Fenstern
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Duft von Weihrauch, Teer und Flieder.
27 
Silbern flimmern müde Lider
28 
Durch die Blumen an den Fenstern.

(„Die schöne Stadt“ von Georg Trakl ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (24.9 KB) zur Unterstützung an.)

Weltende
von Jakob van Hoddis

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
In allen Lüften hallt es wie Geschrei,
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei
und an den Küsten - liest man - steigt die Flut
 
Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.

(„Weltende“ von Jakob van Hoddis ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (23.2 KB) zur Unterstützung an.)

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