Heym, Georg - Der Gott der Stadt (Interpretation)

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Georg Heym, Analyse, Biographie Georg Heym, Expressionismus, Referat, Hausaufgabe, Heym, Georg - Der Gott der Stadt (Interpretation)
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Referat

Der Gott der Stadt - von Georg Heym

Gliederung / Inhalt

George Heym - Biographie

Georg Heym wurde am 30.Oktober 1887 in Hirschberg im damaligen Schlesien, heute Polen geboren und wuchs dort unter der Obhut seiner Eltern Hermann und Jenny Heym auf. Sein Vater war kaiserlicher Militär- und Staatsanwalt, somit konnte er sich für seinen Sohn nur eine ebensolche Karriere vorstellen. Georg jedoch rebellierte gegen Eltern und Schule. Ab 1899 besuchte Heym ein Gymnasium, dass er jedoch 1905 aufgrund schlechter Leistungen und eines Schülerstreichs verlassen musste. Zu dieser Zeit entstanden seine ersten Gedichte. 1907 bestand er auf dem Friedrich Wilhelm Gymnasium in Neuruppin sein Abitur von 1908 nahm er sein Jurastudium mit Semestern in Würzburg, Jena und Berlin auf 1911 bestand er die erste juristische Staatsprüfung, brach sein Studium danach jedoch ab. Noch im selben Jahr erschien „Umbra Vitae“ was übersetzt soviel heißt wie Schatten des Lebens. Dies war der einzige Band der zu Heyms Lebzeiten erschien. Beinhaltet waren Gedichte wie „Der Gott der Stadt“ oder „Der Krieg“ auf die ich später noch eingehen werde. In ihnen spiegelten sich Heyms düstere und grauenhafte Visionen von Untergang und Zerstörung wieder.

Am 16. Januar 1912 ertrank Georg Heym im Alter von nur 24 Jahren beim Schlittschuhlaufen auf der Havel. Nach 1914 beeinflusste Heyms lyrische Arbeit viele Dichter der Neuen Sachlichkeit und des Naturgedichts. Darunter auch Bertolt Brecht und Johannes R. Becher. Heym gilt als DER Vertreter des Expressionismus. Lexikon: Strömung in Literatur und Malerei zwischen 1880 und 1920. Nicht die Wiedergabe der sinnlich erfahrbaren Umwelt, sondern das geistige wie seelische Empfinden des Künstlers bestimmt den Schaffensprozess. Angeregt von exotischen und mittelalterlichen Kunstwerken, durchzieht eine aufgewühlte Grellheit in Farbe, Form und Sprache die Kunstproduktion; dies bedeutete auch ein Aufbegehren gegen die gesellschaftliche Erstarrung an der Jahrhundertwende. Zu den bedeutendsten Vertretern zählen Georg Heym, Else Lasker-Schüler, Gottfried Benn, Franz Kafka, Georg Trakl und Frank Wedekind. Zu Heyms Werken gehören außer meiner Auswahl noch Gedichte wie „Die Dämonen der Städte“, „Die Heimat der Toten“, „Ophelia“ oder „Der Tod der Liebenden“. Auffällig an fast allen seinen Gedichten ist, dass er entweder über Städte, bzw. das Stadtleben oder über den Krieg schreibt und dies in einer grausamen Weise, wie es die deutsche Literatur noch nie zuvor gesehen hat. Schreckensgedichte enden bei den meisten Lyrikern zwar auch mit dem Grauen, doch Heym ist das nicht genug. Seine wahre Stärke liegt darin, dass er erst dann richtig mit der Erfassung des Schreckens beginnt, wenn andere Dichter schon zum Ende kommen. Verblüffend ist auch, dass Heym all seine Werke vor dem ersten Weltkrieg schrieb und dennoch das schreckliche Grauen des Bevorstehenden sieht und beschreibt. Ernst Stadler sagte einst über ihn: „Heym ist ein Priester des Schreckens. Ein Visionär des Grauenerregenden und Grotesken.“

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Interpretation des Gedichtes „Der Gott der Stadt“

In dem Gedicht “Der Gott der Stadt”, welches 1910 von Georg Heym veröffentlicht wurde, werden die negativen Aspekte der Großstadt zu Zeiten der Industrialisierung mithilfe der orientalischen Gottheit, Baal, zum Ausdruck gebracht.

Das Gedicht besteht aus 5 Strophen mit je 4 Versen, wobei zwischen Strophe 3 und 4 inhaltlich eine Zäsur festzustellen ist. In der ersten bis zur dritten Strophe werden die Eindrücke Baals beschrieben, der die Stadt von einem Dach aus beobachtet. Die letzten beiden Strophen beschäftigen sich mit seiner zornigen Reaktion, die in einer Demonstration seiner vernichtenden Kräfte endet.

Das vorliegende Reimschema ist ein Kreuzreim und das Vermaß ein 5-hebiger Jambus mit überwiegend männlichen Kadenzen, was allgemein eine sehr regelmäßige Struktur des Gedichts bedeutet.

In der ersten Strophe wird von einer männlichen Person geredet, die vorerst nicht weiter spezifiziert wird, was mystisch wirkt. Aber anhand des Titels kann man davon ausgehen, dass mit “er”, der “Gott der Stadt” gemeint ist. Des weiteren wird er als groß beschrieben, da er “breit” auf einem Dach mitten in der Stadt sitzt. Von dort oben hat er einen guten Blick auf die Stadt, dessen Größe durch die Wort “fern” verdeutlicht wird, denn die “Häuser”, die sich in das “Land” verirren, befinden sich in der Ferne. Die negative Stimmung der Person wird schnell klar und wird durch Worte wie “schwarz”, “Wut” und “Einsamkeit” belegt.

Der Name des Gottes “Baal”, was ein orientalischer Wetter- bzw Fruchtbarkeitsgott ist, wird erstmals in Strophe 2 erwähnt. Auch eine Tageszeit wird nun genannt, der erwähnte “Abend” trägt durch seine Assoziation mit Dunkelheit zu einer Verstärkung der in Strophe 1 aufgebauten negativen Stimmung bei. Aufgrund der Erwähnung von Baals Zorn, ist es möglich, dass der “rote Bauch” für Feuer und Flammen stehen, die die Stadt zerstören wollen, weshalb die “großen Städte” kapitulieren und sich Baal unterwerfen. Hierbei ist anzumerken, dass trotz der Größe (vgl V 6) der Städte, Baal trotzdem der mächtigere und stärkere zu sein scheint. Die göttliche Macht Baals wird also offensichtlich demonstriert, wobei das Motiv des Göttlichen auch mit den “Kirchenglocken” weitergeführt wird. Die “ungeheuren” Male, die die Kirchenglocken läuten, weisen auf eine Gefahr hin, möglicherweise auch eine anstehende Apokalypse, was die Deutung von Baals “rote[m] Bauch” als Feuer weiter unterstützt. Das “schwarze Türme Meer” könnten die Häuser und Gebäude der Stadt sein, die farblos und trist wirken und von denen es so viele gibt, die so eng aneinander gereiht sind, dass sie aussehen wie ein Meer.

Verweise auf das göttlich-Geistliche haben wir auch in Strophe 3 mit der Erwähnung des “Korybanten-Tanz”, was Ritualtänzer sind, sowie dem “Weihrauch". Die Geräusche der Stadt werden zwar als “Musik” beschrieben, jedoch wird das Wort von weiteren Beschreibungen wie “dröhnt”, “Der Millionen durch die Straßen laut” begleitet, die ganz klar das Gegenteil von harmonischer Musik implizieren. Außerdem wird der “Rauch” und die “Wolken der Fabrik” als “Duft” bezeichnet, was ebenfalls widersprüchlich ist. Diese negativen Bilder der Stadt sind scheinbar zum Gefallen des Gottes Baal, der dies gerne aufzunehmen scheint (vgl V 12).

Nach der Zäsur, die zwischen Strophe 3 und 4 erkennbar ist, beschäftigt sich Strophe 4 mit der Reaktion Baals, die vor allem in Form von “Wetter” zum Ausdruck kommt. Baal, ein Wettergott, zeigt seinen “Zorn[…]", indem er Stürme auf die Stadt losschickt, die im Gedicht personifiziert werden und ein Eigenleben bekommen. Des weiteren steuern Begriffe wie “dunkle Abend” und “Nacht” zu der negativen Atmosphäre bei.

Die fünfte und letzte Strophe beschreibt die Zerstörung durch Baal in der Stadt. Die ins “Dunkel” getauchte Stadt wird erst durch das “Feuer” erhellt, das er in seinem Zorn entfacht. Der Neologismus “Fleischerfaust” ist hier besonders erschreckend, da er impliziert, dass Baal Menschenopfer fordert. Das Aufgreifen des bereits verwendeten Begriffs “Meer” macht deutlich, dass sich das entfachte Feuer, nun das ganze “Meer” von Wohnhäusern in der Stadt ausbreitet, was auch durch die Beschreibung “frisst sie auf” unterstützt wird. Trotz der unglaublichen Zerstörung Baals, scheint es doch einen Hoffnungsschimmer zu geben, denn dies scheint alles nur anzudauern, bis es “Morgen” ist. Vor allem der Kontrast von Dunkelheit, Nacht und dem nun erwähnten Morgen bringt die Wichtigkeit des Wortes nochmal zum Vorschein.

Allgemein kann man sagen, dass Gott Baal eine Allegorie ist für unter anderem der Industrie, aber auch beispielsweise einem bösen Fabrikbesitzer, der von dem Leid anderer Menschen zu Zeiten der Industrialisierung profitiert oder auch die Elite der Gesellschaft bzw alle Menschen, die sich in die Stadtgesellschaft eingliedern. Weitere Möglichkeiten wären die Wissenschaft und Technik, der Krieg oder ganz einfach die negativen Folgen der Industrialisierung. Dadurch, dass im Gedicht kein lyrisches Ich vorhanden ist, und auch sonst Personen nur als Menschenmasse dargestellt werden, lässt sich ein für den Expressionismus typisches Thema, dem Verlust der Individualität bzw des Werts wiederfinden. Generell wurden im Gedicht viele negative und düstere Adjektive verwendet, was die Einstellung der Menschen gegenüber der Industrialisierung zeigt, denn sie sehen sich als Opfer der Industrie und des technischen Fortschritts, Baal, der im Gedicht diese Rolle vertritt, wird somit als ihr Feind angesehen, was klar und deutlich illustriert wurde. Aufgrund dessen würde ich das Gedicht in die Epoche des Expressionismus einordnen.

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Expressionismus

Charakteristisch für die Beunruhigung und die Vorahnungen der Expressionisten sind einige Werke Georg Heyms: Gedichte wie "Umbra vitae" (= Schatten des Lebens), "Der Gott der Stadt" oder "Die Morgue" zeigen düstere Visionen der kommenden Ereignisse. Ihn quälten meist Sorgen vom Untergang der Menschen und vom Tod, obwohl er eigentlich lebensfroh war. Doch fand er in seinen Überlegungen immer den Tod als eine für ihn schrecklich-rätselhafte Bedrohung. Sein bekanntestes Werk "Der Krieg" sagte die Schrecken voraus, die sich im Ersten und Zweiten Weltkrieg so traurig bewahrheiten sollten.

Wenn man die Kunst und die Musik dieser Zeit betrachtet, fällt es wohl kaum mehr schwer, das Wort "Expressionismus" zu übersetzen: Aus den beiden lateinischen Wörtern "ex" und "primere" zusammengesetzt bedeutet es "Ausdruckskunst"; es werden also innerlich gesehene Wahrheiten und Erlebnisse dargestellt, nicht die Lichtreize, wie sie auf das Auge fallen. Den Expressionismus lässt man meist von ca. 1910 bis 1925 andauern. Doch oft wird auch gesagt, dass man diese Epoche nach hinten schlecht begrenzen kann, da nach dem zweiten Weltkrieg bis heute noch manche bedeutsamen Werke eigentlich expressionistisch sind.

Historischer Hintergrund:

Die "Ausdruckskunst" wurde in eine Zeit von großen Ereignissen, Turbulenzen und vor allem in die Zeit bzw. Vorzeit der Weltkriege hineingeboren.

Unter Wilhelm II. erlebte Deutschland eine unruhige Zeit. Auf der einen Seite stand seine Vernachlässigung innenpolitischer und sozialer Probleme, auf der anderen Seite die verstärkte Militarisierung und die turbulente Außenpolitik: Dem Dreibund Deutschlands mit Italien und Österreich-Ungarn standen zum einen der Pakt Russlands mit Frankreich, zum anderen die sogenannte "Entente cordiale" Frankreichs mit Großbritannien. Als sich dann Deutschland nach der Ermordung des österreichischen Thronfolgerpaares in den kritischen Konflikt "verhedderte", sah sich Deutschland schließlich auch bei dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs umgeben von Gegnern.

Nach schweren Kriegsjahren waren die politischen und wirtschaftlichen Probleme Deutschlands noch lange nicht ausgestanden. Der "Vertrag von Versailles" 1919 mit immensen Forderungen an die Weimarer Republik war ein erneuter Rückschlag. Die Gebietsabtretungen, der Verlust des Auslandsvermögens und die Wiedergutmachungszahlungen stürzten die Wirtschaft in ein tiefes Loch. So sah man sich 1923 mit der Inflation, die das Vertrauen der Bürger in den Staat schwer erschütterte, an einem neuen Tiefpunkt angelangt. Immer schwieriger wurde es nun auch, eine Mehrheit bei der Regierungsbildung zu finden, da das Parlament immer weiter zersplitterte.

Weltbild, Lebensgefühl

Der Einfluss des naturwissenschaftlichen Denkens wird auf die Geisteswissenschaften gelenkt. Von besonderen Einfluss wird die Philosophie des Franzosen Henri Bergson (1859 - 1941) bezeichnet. Er versucht zu beweisen, dass nur die Intuition, d.h. die innere Anschauung und nicht der "zergliederte" Verstand, das Wesentliche unmittelbar erfassen können.

In Deutschland und Österreich findet er Nachfolger, wie z.B. Oswald Spengler (1880 - 1936) mit seinem "Untergang des Abendlandes". Ein Vorbild findet man vor allem im bekannten deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche. Er forderte den neuen Menschen, den sogenannten "Übermenschen", dazu auf, er solle dem Neuen ungeachtet der Gefahren entgegengehen (Seiltänzer im Werk "Zarathustra").

In der Jugend der Jahre um die Jahrhundertwende vollzog sich bald eine Aufbruchsstimmung. Die jungen Leute kritisierten die aktuelle Ordnung, sie hatten den festen Willen der Erneuerung. Revolutionär und respektlos griff in beiden Epochen die Jugend die Vergangenheit an. Die jungen Expressionisten wollten die Welt vor einem bevorstehenden Chaos retten.

Die Autoren traten nun für einen kompletten Bruch mit der Vergangenheit ein und setzen sich das Ziel, sich selbst wiederzufinden und der Welt zu helfen. Zugrunde lag diesem Ziel insbesondere nach 1914 ein starker Pazifismus. Dieser bildete sich vor allem heraus, zumal ein Großteil der Dichter den Ersten Weltkrieg miterlebten und selbst als Soldaten Dienst leisteten.

Am besten waren die Gedanken der "Epoche des Ausdrucks" in der Lyrik auszudrücken. In ihr konnten die Probleme besonders klar schon von der Wurzel angesprochen werden. Ausdrucksfülle sollte die unmittelbaren, nicht selten anklagenden Gefühle mitteilen. Bedeutend für die expressionistischen Dichter waren nicht die eigene Situation und persönliche Schwierigkeiten, also nicht die eigene Persönlichkeit, sondern die Beziehungen aller Menschen untereinander. Fortlaufend wurde an Humanität, Menschenliebe und Frieden appelliert; Krieg, (Völker-) Hass und Tod waren dagegen, insbesondere für die kriegsteilnehmenden Dichter, "Horrorvision" und Angriffspunkt.

Vertreter der Literatur:

Man könnte denken, dass speziell die kleinbürgerlichen Schichten die ersten Vertreter der neuen Literaturrichtung stellten, denn sie waren ja die eigentlichen Opfer der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Missstände. Doch erstaunlicherweise stammen die kritischen Autoren aus bürgerlich-gebildeten Schichten und besuchten fast alle ein Gymnasium oder eine Universität. Der Hintergrund dieser scheinbaren Gegensätzlichkeit ist die erstarrte Bildung, d.h., es wurden Ideale gelehrt, die schon lange nicht mehr mit der Wirklichkeit übereinstimmten. Diese Widersprüche fielen der Jugend natürlich auf und verunsicherten ihre persönlichen Wertvorstellungen.

So kam es, dass die Karriere verdrängt wurde und sich die neuen Künstler entweder als Verkünder einer neuen Zeit verstanden oder sie sich einfach nur befreien wollten von Konventionen. Unter den Expressionisten herrschte immer ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl, so dass sich Vereinigungen wie der "Charon" bildeten. Diese gaben Zeitschriften heraus wie "Der Sturm", "Der Brenner", "Die Aktion", "Das neue Pathos" oder die berühmte Zeitschrift "Die Brücke“.

In den Zeitschriften wurden wiederholt politische Thesen und sozialistische Forderungen veröffentlicht. Vielfach handelten Texte von Themen wie Frieden, Weltverbrüderung oder Ähnlichem. Betrachtet man nun die genannten Zusammenhänge, fällt dem Leser sicherlich der "sozialistische Touch" auf. Es stimmt auch, dass sich nicht wenige Expressionisten zum Sozialismus hingezogen fühlten. Jene Autoren verurteilten den aufkommenden Nationalismus und sahen ihn als Bedrohung kommen.
Deshalb und überhaupt wegen der Ansichten der Expressionisten wurden sie nach 1933 verlacht und verfolgt. Die Zäsur der Nationalisten setzte der Kunstepoche ein jähes Ende

Die bedeutendsten Autoren und wichtige Werke des Expressionismus:

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