Agrarisches Manifest von Rudolf Lavant
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Bei jedem Anlaß, der sich bot, |
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Bekundeten wir stets aufs Neue |
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Ergebenheit bis in den Tod |
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Und absolute Kaisertreue. |
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Doch treibt die Sache nicht zu weit, |
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Zu Gunsten von verhetzten Massen! |
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Ihr müßt in alle Ewigkeit |
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Den Kornzoll hübsch in Ruhe lassen! |
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Wir opfern willig Gut und Blut |
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Auf dem Altar des Vaterlandes; |
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Bekanntermaßen ist der Muth |
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Ein altes Vorrecht unsres Standes. |
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In jedem Amt sind wir bereit, |
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Für euch uns lächelnd aufzureiben, |
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Doch treibt die Dinge nicht zu weit – |
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Der Kornzoll muß bestehen bleiben! |
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Uns geht’s auch heute herzlich schlecht |
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Bei so viel Rang- und Standespflichten, |
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Und auf ein wohlerworbnes Recht |
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Soll man gefügig da verzichten? |
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Der Kornzoll ist und bleibt gefeit, |
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Ob Alles schwankend auch auf Erden – |
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Erhöht kann er zwar jederzeit, |
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Doch darf er nie erniedrigt werden! |
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Was leiht sein Ohr der König dar |
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Dem Plebs und seinen frechen Klagen? |
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Denn wäre Alles wirklich wahr, |
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Was haben wir danach zu fragen? |
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Macht ihnen Sparsamkeit zur Pflicht; |
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Wir tragen auch an schweren Lasten, |
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Doch unternehmt das Wagniß nicht, |
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Den Kornzoll jemals anzutasten! |
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Und wenn ihr’s dennoch wagt und thut, |
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So kommt euch froh genug die Reue, |
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Denn dieser Zoll ist – kurz und gut! – |
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Zugleich das Rückrat unsrer Treue! |
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Wenn ihr, was nie geschehen mag, |
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Euch dergestalt an uns versündigt, |
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So wird euch an demselben Tag |
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Die Heeresfolge aufgekündigt! |
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Ihr kennt an uns nur ein Gesicht: |
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Den milden Ernst, den friedevollen; |
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Jedoch vergaloppirt euch nicht – |
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Wir können zürnen auch und grollen! |
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Der Schwatz, wenn man bei Tafel sitzt, |
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Ist schließlich Alles nur Geflunker; |
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Die Frage hat sich zugespitzt |
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Zum knappen Satz: Kein Zoll, kein Junker! |
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Schlagt nicht die Warnung in den Wind – |
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Ihr werdet euch in Nesseln setzen! |
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Die Stelle, wo wir sterblich sind – |
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O hütet euch, sie zu verletzen! |
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Es lebt sogar im Herrenhaus |
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Noch der Vasallentrotz, der echte; |
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Ist’s mit dem Kornzoll wirklich aus, |
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So sucht euch eine andre Rechte! |
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Ja, wir bestehn auf unsrem Schein |
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Bis an das Ende aller Tage; |
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Hier werden wir unbeugsam sein, |
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Denn hier kommt das Prinzip in Frage! |
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Ja wohl, wir sind aus Rand und Band |
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Und nagen blutig uns die Lippen; |
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Kommt her und wagt’s, mit kecker Hand |
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An unsern Kornzoll nur zu tippen! |
Details zum Gedicht „Agrarisches Manifest“
Rudolf Lavant
8
64
368
1893
Naturalismus,
Moderne
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichts ist Rudolf Lavant, dessen Lebenszeitraum von 1844 bis 1915 reicht. Damit lässt sich das Werk zeitlich in das 19. Jahrhundert bis Anfang des 20. Jahrhunderts einordnen, einer Zeit, die von erheblichen sozialen und politischen Veränderungen geprägt war.
Nach erstmaligem Lesen fällt auf, dass der Text in einer sehr direkten und deutlichen Sprache gehalten ist. Das Gedicht trägt den Titel „Agrarisches Manifest“ und ist wie eine Proklamation oder ein Appell strukturiert.
Das lyrische Ich des Gedichts vertritt das Anliegen einer bestimmten Gruppe - in diesem Fall die der Landwirte. Sie waren damals eine wichtige gesellschaftliche Gruppe, deren Existenz maßgeblich vom Kornpreis abhing. Das Zentrum des Gedichts bildet die Forderung, dass der Kornzoll nicht angetastet werden dürfe („Den Kornzoll hübsch in Ruhe lassen!“).
Diese Forderung wird immer wieder in unterschiedlichen Kontexten wiederholt, um die damit verbundene Bedeutung zu unterstreichen. Einerseits zeigt es die absolute Abhängigkeit und Hingabe der Landwirte zu Kaiser und Vaterland, die trotz aller Aufopferungen einen fortwährenden Status quo in Bezug auf den Kornzoll fordern. Andererseits wird die Bereitschaft unterstrichen, falls nötig, einen Konflikt einzugehen, wenn das Recht, von dem ihre Existenz abhängt, in Frage gestellt wird.
Formal betrachtet besteht das Gedicht aus acht Strophen mit jeweils acht Versen - eine klare und feste Struktur, die eine konsequente, entschlossene Haltung widerspiegelt. Die Sprache ist kraftvoll und direkt, kombiniert mit der Eleganz der klassischen Dichtung und einigen Satzfiguren wie Wiederholungen und Antithesen, welche die Bedeutung der Aussage verstärken.
Zusammengefasst ist das „Agrarische Manifest“ von Rudolf Lavant ein starkes Plädoyer gegen alle Veränderungen im Kornzoll. Es zeigt sowohl die tiefe Verbundenheit der Landwirte mit ihrem Stand und ihrer Rolle, als auch ihre unverrückbare Entschlossenheit, sich gegen jegliche Bedrohung ihrer Existenz zu wehren. Dabei verkörpert das lyrische Ich diesen kollektiven Willen, der in einer starken, klaren und bildhaften Sprache zum Ausdruck kommt.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Agrarisches Manifest“ des Autors Rudolf Lavant. 1844 wurde Lavant in Leipzig geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1893 zurück. In Stuttgart ist der Text erschienen. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Naturalismus oder Moderne zugeordnet werden. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das 368 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 64 Versen mit insgesamt 8 Strophen. Rudolf Lavant ist auch der Autor für Gedichte wie „An den Kladderadatsch“, „An die Frauen“ und „An die alte Raketenkiste“. Zum Autor des Gedichtes „Agrarisches Manifest“ haben wir auf abi-pur.de weitere 96 Gedichte veröffentlicht.
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Zum Autor Rudolf Lavant sind auf abi-pur.de 96 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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