An die alte Raketenkiste von Rudolf Lavant
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Bevor wir wackeln Sie und stürzen sahn, |
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War unerschöpflich der Verehrungswahn |
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Und endlos Ihrer Ehrennamen-Liste. |
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Den einz’gen aber, der uns Spaß gemacht, |
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Den haben Sie geschmackvoll selbst erdacht, |
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Ich meine nämlich die – „Raketenkiste.“ |
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Ein förmlich Knattern liegt schon in dem Laut! |
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Je länger ich das Wort mir angeschaut, |
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Um desto besser scheint es mir zu passen. |
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Gestatten Sie, den treffenden Vergleich, |
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Der so viel Anklang fand im Deutschen Reich, |
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Ins Auge etwas schärfer nun zu fassen? |
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Selbst dem Beschränkten ist von Anfang klar, |
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Daß der Herr Herzog eine Kiste war |
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Und – notabene – eine von den alten; |
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Auch als erwiesen wäre anzusehn, |
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Wenn wir das Bild nicht gänzlich mißverstehn, |
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Daß sie Raketen lediglich enthalten. |
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„Was aber,“ fragt die deutsche Gründlichkeit, |
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Die unsres Volkes Zierde jederzeit, |
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„Ist der Rakete eigentliches Wesen?“ |
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Wer es nicht weiß – ich zeige ihm den Weg |
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Und will ein kurzes, bündiges Kolleg |
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Zu dieses Gegenstands Erled’gung lesen. |
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Wohl! die Rakete ist ein Blendwerk nur, |
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Das jäh und sausend in die Höhe fuhr, |
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Nach kurzem Knattern, Zischen und Rumoren, |
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Und von der steilen Bahn, die sie beschreibt, |
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Am nächt’gen Himmel eine Lichtspur bleibt |
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Und staunend folgen Augen ihr und Ohren, |
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Die blöde Menge, die den Hals verrenkt, |
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Als einen Stern sich die Rakete denkt, |
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Der für die Zukunft leuchten wird da droben; |
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Hat das Phantom sein bischen Kraft verpufft, |
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Dann ist’s, so hell es war, in leere Luft |
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Mit einem Mal zerfahren und zerstoben. |
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Nun, finden Sie, daß, was Sie je erreicht, |
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An Werth und Dauer der Rakete gleicht, |
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Kommt zwischen uns es sicher nie zum Zwiste. |
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Wir finden auch, es hat im deutschen Land |
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Nichts als Raketen in die Luft gesandt |
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Die alte, feste, vollgepackte Kiste. |
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Des nicht’gen Schauspiels, das sich ewig gleich, |
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Ward müde man nicht blos im neuen Reich, |
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Ward herzlich müde Jedermann auf Erden. |
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Daß sich nicht schließlich Jemand noch verletzt, |
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Schiebt in den Winkel nur die Kiste jetzt – |
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Sie kann wohl endlich zugenagelt werden! |
Details zum Gedicht „An die alte Raketenkiste“
Rudolf Lavant
8
48
325
1893
Naturalismus,
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht stammt von Rudolf Lavant, einem deutschen Schriftsteller, der von 1844 bis 1915 lebte. Damit kann man das Werk in die Epoche des späten 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts einordnen – eine Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs und vermehrter Technologieentwicklung.
Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht sowohl humorvoll als auch sinnbildlich, mit Bezugnahmen auf eine „alte Raketenkiste“. Das lyrische Ich äußert sich kritisch und sarkastisch über diese „alte Raketenkiste“, die dabei metaphorisch für eine Person oder Institution steht, die in der Vergangenheit hoch angesehen war und nun an Wertschätzung verloren hat.
Das lyrische Ich bezeichnet die „alte Raketenkiste“ zunächst als beeindruckend und sagenhaft, beleuchtet dann jedoch die kurzlebige Natur ihrer wirklichen Wirkung und des Direktvergleichs zu einer Rakete – nach einem spektakulären Aufstieg folgt unvermeidlich der schnelle Abstieg. In den abschließenden Versen wird die Müdigkeit und Enttäuschung des lyrischen Ichs über diese anhaltenden, sich wiederholenden Muster deutlich.
Das Gedicht ist formal in gleich bleibenden Strophen und Versen gehalten, was der Kritik und dem Spott des lyrischen Ichs eine zusätzliche Struktur und Kontinuität verleiht. Die Sprache ist klar und verständlich, mit einer leichten Ironie, die den spöttischen Ton des Gedichts unterstreicht. Es verwendet eine direkte Ansprache, was eine vertraute und konfrontative Dynamik zwischen dem lyrischen Ich und der „alten Raketenkiste“ schafft. Insgesamt nutzt Lavant die Metapher der „alten Raketenkiste“ effektiv, um scharfe soziale Kritik in einer zugänglichen, humorvollen Form zu vermitteln.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „An die alte Raketenkiste“ des Autors Rudolf Lavant. Lavant wurde im Jahr 1844 in Leipzig geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1893. Erscheinungsort des Textes ist Stuttgart. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Naturalismus oder Moderne zuordnen. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das Gedicht besteht aus 48 Versen mit insgesamt 8 Strophen und umfasst dabei 325 Worte. Weitere Werke des Dichters Rudolf Lavant sind „An den Herrn Minister Herrfurth Exzellenz“, „An den Kladderadatsch“ und „An die Frauen“. Zum Autor des Gedichtes „An die alte Raketenkiste“ haben wir auf abi-pur.de weitere 96 Gedichte veröffentlicht.
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Zum Autor Rudolf Lavant sind auf abi-pur.de 96 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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