Bekenntnis von Rudolf Lavant

O du gärende, wogende, stürmische Zeit,
Die das Rasten nicht kennt und das Träumen,
Die zum Kämpfer den lockigen Knaben schon weiht,
Der da spielt unter blühenden Bäumen,
Sie nennen dich grausam, sie schelten dich hart,
Sie werden nicht müde, zu hadern,
Doch ich weihe der ringenden Gegenwart
Jeden Tropfen Bluts in den Adern!
 
Sie ist lästig den Satten und Trägen bloß,
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Und das Nörgeln und Mäkeln ist eitel,
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Denn sie ist herrlich, erhaben und groß
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Und schön von der Sohle zum Scheitel,
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Und ich jauchze, wenn ehern ihr Kampfruf klingt,
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Wenn es donnert und flammt in der Runde,
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Und das Banner, das hoch in den Lüften sie schwingt,
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Ich küß es mit brennendem Munde.
 
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Wohl zürnt sie, wohl mahnt sie, wohl ruft sie zum Streit,
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Und die Augen, die prächtigen, lodern,
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Doch sie hat uns von lähmender Stickluft befreit
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Und vom faulen und feigen Vermodern,
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Und wer tapfer und ehrlich, wer männlich und wahr,
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Wessen Herz nicht in Selbstsucht gefroren,
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Wer zu Opfern bereit und entschieden und klar,
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Der hat ihr die Treue geschworen.
 
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Ob die Tage des Siegs ich mit brechendem Blick
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Erschaue, wenn alles sich endet,
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Ob dem sinkenden Streiter ein hartes Geschick
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Als Kampfpreis ein Hohnwort nur spendet,
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Ich kämpfe den Kampf für das ewige Recht
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In den Reihen der Freien und Braven
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Und blicke verächtlich herab auf den Knecht
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In den Reihen der Söldner und Sklaven.
 
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Als ein Kind meiner Zeit, die in Sturm und in Drang
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An die Herzen der Kühnen sich wendet,
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Hab ich furchtlos und trotzig in aufrechtem Gang,
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Meine Laufbahn in Ehren vollendet;
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Als ein Kind meiner Zeit bin mit blitzender Wehr
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Ich vorwärts, nie rückwärts gegangen,
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Und Richter voll Einsicht, was können sie mehr
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Von dem Mann wie vom Dichter verlangen?
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.9 KB)

Details zum Gedicht „Bekenntnis“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
291
Entstehungsjahr
nach 1860
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Bekenntnis“ ist vom deutschen Dichter Rudolf Lavant, der im Zeitraum von 1844 bis 1915 lebte. Sein Schaffen fällt somit in die Ära des Realismus, die von 1850 bis 1890 andauerte.

Auf den ersten Blick ist das Gedicht sehr leidenschaftlich und dramatisch. Es zeigt die Zerrissenheit des lyrischen Ichs zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Erwartungen und seinem eigenen Drang, dem zu folgen, was es für richtig hält - ein Sujet, das für die realistische Literatur typisch ist.

Inhaltlich beschreibt das lyrische Ich in dem Gedicht zunächst die turbulente und herausfordernde Zeit, in der es lebt (Strophe 1). Diese wird von vielen als hart und grausam wahrgenommen, aber das lyrische Ich betont seine Verbundenheit und Hingabe zu dieser Zeit. In den folgenden Strophen werden Charakteristika dieser Epoche (Strophe 2 und 3), die das lyrische Ich als gerecht, erhaben und groß wahrnimmt, weiter beschrieben. Trotz ihrer Herausforderungen, inklusive dem Kampf und Streben, sichert das lyrische Ich dieser Zeit seine Treue zu.

In der vierten Strophe reflektiert das lyrische Ich seine Rolle in diesem Kampf und betont seine Bereitschaft, im Namen des ewigen Rechts zu kämpfen. Es zeigt Verachtung für diejenigen, die es als Söldner und Sklaven wahrnimmt. Schließlich, in der letzten Strophe, reflektiert das lyrische Ich seine Meinung, dass es sich treu und tapfer innerhalb seiner Lebenszeit verhalten hat.

Die Form des Gedichts besteht aus fünf gleich aufgebauten Strophen mit je acht Veresen. Diese Regelmäßigkeit verleiht dem Gedicht eine gewisse Stabilität und Struktur, was das Gefühl von Entschlossenheit und Klarheit im lyrischen Ich widerspiegelt. Die Sprache des Gedichts ist sehr bildreich und emotional, womit die Leidenschaft des lyrischen Ichs für seinen Kampf und seine Zeit betont wird. Es werden viele Metaphern und vergleichende Bilder verwendet, die die Emotionen und den Kampf des lyrischen Ichs verdeutlichen.

Zusammenfassend ist das Gedicht „Bekenntnis“ ein Ausdruck von Leidenschaft, Hingabe und Durchhaltevermögen in unruhigen Zeiten. Das lyrische Ich zeigt seine Verbundenheit mit seiner Zeit und seine Bereitschaft, für das zu kämpfen, was es für das Rechte hält. Die Botschaft des Gedichts könnte als ein Aufruf zur Tat und zur Treue gegenüber den eigenen Überzeugungen interpretiert werden, unabhängig von den Herausforderungen, die diese mit sich bringen. Dies spiegelt auch die realistische Literatur von Lavants Lebenszeit wider, in der die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Herausforderungen im Vordergrund stand.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Bekenntnis“ ist Rudolf Lavant. Im Jahr 1844 wurde Lavant in Leipzig geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1860 und 1915. Der Erscheinungsort ist Berlin. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Realismus, Naturalismus, Moderne, Expressionismus oder Avantgarde / Dadaismus zu. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das 291 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Der Dichter Rudolf Lavant ist auch der Autor für Gedichte wie „An la belle France.“, „Das Jahr“ und „Das Jahr – ein Leben“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Bekenntnis“ weitere 96 Gedichte vor.

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