Im Dorf von Georg Trakl
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Aus braunen Mauern tritt ein Dorf, ein Feld. |
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Ein Hirt verwest auf einem alten Stein. |
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Der Saum des Walds schließt blaue Tiere ein, |
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Das sanfte Laub, das in die Stille fällt. |
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Der Bauern braune Stirnen. Lange tönt |
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Die Abendglocke; schön ist frommer Brauch, |
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Des Heilands schwarzes Haupt im Dornenstrauch, |
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Die kühle Stube, die der Tod versöhnt. |
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Wie bleich die Mütter sind. Die Bläue sinkt |
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Auf Glas und Truh, die stolz ihr Sinn bewahrt; |
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Auch neigt ein weißes Haupt sich hochbejahrt |
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Aufs Enkelkind, das Milch und Sterne trinkt. |
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2. |
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Der Arme, der im Geiste einsam starb, |
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Steigt wächsern über einen alten Pfad. |
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Die Apfelbäume sinken kahl und stad |
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Ins Farbige ihrer Frucht, die schwarz verdarb. |
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Noch immer wölbt das Dach aus dürrem Stroh |
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Sich übern Schlaf der Kühe. Die blinde Magd |
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Erscheint im Hof; ein blaues Wasser klagt; |
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Ein Pferdeschädel starrt vom morschen Tor. |
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Der Idiot spricht dunklen Sinns ein Wort |
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Der Liebe, das im schwarzen Busch verhallt, |
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Wo jene steht in schmaler Traumgestalt. |
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Der Abend tönt in feuchter Bläue fort. |
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3. |
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Ans Fenster schlagen Äste föhnentlaubt. |
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Im Schoß der Bäurin wächst ein wildes Weh. |
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Durch ihre Arme rieselt schwarzer Schnee; |
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Goldäugige Eulen flattern um ihr Haupt. |
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Die Mauern starren kahl und grauverdreckt |
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Ins kühle Dunkel. Im Fieberbette friert |
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Der schwangere Leib, den frech der Mond bestiert. |
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Vor ihrer Kammer ist ein Hund verreckt. |
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Drei Männer treten finster durch das Tor |
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Mit Sensen, die im Feld zerbrochen sind. |
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Durchs Fenster klirrt der rote Abendwind; |
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Ein schwarzer Engel tritt daraus hervor. |
Details zum Gedicht „Im Dorf“
Georg Trakl
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1913
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Im Dorf“ wurde von dem österreichischen Modernisten Georg Trakl verfasst, der von 1887 bis 1914 lebte. Dieser Zeitraum fällt in die Ära des Expressionismus, obwohl Trakls Poesie oft als eine einzigartige Synthese von Symbolismus, Expressionismus und der Romantik beschrieben wird.
Beim ersten Lesen fällt auf, dass das Gedicht düster, melancholisch und gleichzeitig bildreich ist. Es eröffnet ein Panorama einer ländlichen Umgebung, jedoch nicht eines idyllischen, sondern eines überschattet von Untergangsstimmungen, Tod und Verfall.
Im Inhalt erfolgt eine Art Spaziergang durch ein Dorf: Zuerst wird ein Dorf und ein Feld, eine Schafherde und das Fallen von Blättern beschrieben. Anschließend folgen Bilder der Dorfbewohner: die Bauern, der Hirte, die Mütter und die Kinder. Trakl stellt das Dorfleben auf einfache aber eindringliche Weise dar, indem er Bilder des Todes, der Einsamkeit und des Verfalls kontrastiert mit Bildern des Alltagslebens und des Glaubens. Weiter geht es zu einer alten Magd und einem Idioten, es folgen Eindrücke von Todesahnungen und Trauer. Das Gedicht endet mit der düsteren Szene von drei Männern am Tor und einem schwarzen Engel, der aus dem Fenster tritt.
Trakl präsentiert ein lyrisches Ich, das zutiefst mit der düsteren, melancholischen Atmosphäre des Dorfes verbunden ist und vielleicht sogar seine eigenen inneren Kämpfe und Ängste in der Landschaft und ihren Bewohnern reflektiert.
Formal besteht das Gedicht aus neun Strophen, wobei jeweils vier Verse einer Strophe assoziative Bilder und Eindrücke aus dem Dorf präsentieren. Die Strophen sind nicht durch Reime verbunden und haben kein einheitliches Metrum, was die freie assoziative Struktur der Gedanken des lyrischen Ichs unterstreicht.
In Bezug auf die Sprache verwendet Trakl ein reichhaltiges Spektrum an Adjektiven und Metaphern, um die Eindrücke des Dorfes zu beschreiben: von „braunen Mauern“ und „blauen Tieren“ bis hin zum „schwarzen Schnee“. Obwohl das Gedicht in einfacher Sprache verfasst ist, sind die Bilder, die es hervorruft, stark und emotional geladen, was typisch für Trakls expressionistischen Stil ist.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Im Dorf“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Georg Trakl. Der Autor Georg Trakl wurde 1887 in Salzburg geboren. 1913 ist das Gedicht entstanden. Leipzig ist der Erscheinungsort des Textes. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Expressionismus zuordnen. Trakl ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 247 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 38 Versen mit insgesamt 9 Strophen. Der Dichter Georg Trakl ist auch der Autor für Gedichte wie „Allerseelen“, „An den Knaben Elis“ und „De profundis“. Zum Autor des Gedichtes „Im Dorf“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 60 Gedichte vor.
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