Abendlied von Georg Trakl

Am Abend, wenn wir auf dunklen Pfaden gehn,
Erscheinen unsere bleichen Gestalten vor uns.
 
Wenn uns dürstet,
Trinken wir die weißen Wasser des Teichs,
Die Süße unserer traurigen Kindheit.
 
Erstorbene ruhen wir unterm Hollundergebüsch,
Schaun den grauen Möven zu.
 
Frühlingsgewölke steigen über die finstere Stadt,
Die der Mönche edlere Zeiten schweigt.
 
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Da ich deine schmalen Hände nahm
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Schlugst du leise die runden Augen auf,
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Dieses ist lange her.
 
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Doch wenn dunkler Wohllaut die Seele heimsucht,
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Erscheinst du Weiße in des Freundes herbstlicher Landschaft.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.1 KB)

Details zum Gedicht „Abendlied“

Autor
Georg Trakl
Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
14
Anzahl Wörter
83
Entstehungsjahr
1913
Epoche
Expressionismus

Gedicht-Analyse

„Abendlied“ von Georg Trakl ist ein klassisches Gedicht, das sich auf melancholische Weise an einen romantischen Abend zurückerinnert. Das lyrische Ich beschreibt verschiedene Momentaufnahmen eines einsamen Weges in der Dämmerung. Es erzählt uns von einem Paar, das das Wasser aus einem Teich trinkt, bevor es sich unter einem Hollunderdickicht schläft. Trotz der einzelnen Bilder, die Wärme und Sehnsucht vermitteln, wird hier ein Gefühl von Einsamkeit und Verlassenheit aufgewogen, besonders wenn das lyrische Ich denken lässt, es sei lange her, dass seine Begleitung ihre Augen öffnete und es ihre schmalen Hände nahm. Am Ende des Gedichtes erinnert sich das lyrische Ich an eine Zeit, als es in einer „herbstlichen Landschaft“ mit seinem Freund zusammen war und sich ein „dunkler Wohllaut“ in sein Gedächtnis gegraben hat.

Das lyrische Ich hält seine Gefühle in dem Gedicht recht subtil und schreibt oft in Andeutungen, sodass die Befindlichkeiten des Paares offenbleiben und es uns überlassen ist, uns selbst ein Bild davon zu machen. Es spricht nicht nur von der Atmosphäre des Abends, sondern lässt auch Details wie den Teich, das Hollundergebüsch und die „mönchsreiche Zeit“ einfließen. Die Personifizierung der „bleichen Gestalten“ verstärkt das Gefühl der Einsamkeit und Verlassenheit, welche die Abendstimmung weiter vertiefen. Es kann davon ausgegangen werden, dass die bleichen Gestalten die Seelenzustände der beiden beschreiben und sich diese in ihren Gedanken spiegeln.

Alles in allem stellt „Abendlied“ einen melancholischen Moment eines Paares dar, das zusammen auf einem Spaziergang durch die Nacht geht. Der Autor lässt uns an den Gefühlen der beiden teilhaben und lädt uns ein, uns selbst Bilder dazu zu machen. Am Ende lässt er uns in einer herbstlich anmutenden Landschaft zurück, die uns an die dunkel-romantische Abendstimmung erinnert und uns an jene Stunden der Einsamkeit mit unseren Liebsten erinnert.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Abendlied“ ist Georg Trakl. Geboren wurde Trakl im Jahr 1887 in Salzburg. Im Jahr 1913 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Expressionismus zugeordnet werden. Trakl ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 83 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 14 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Der Dichter Georg Trakl ist auch der Autor für Gedichte wie „Die Raben“, „Die Ratten“ und „Die junge Magd“. Zum Autor des Gedichtes „Abendlied“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 60 Gedichte vor.

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