Namenlos von Felix Dörmann

1.
 
Ich habe nur ihr großes Herz gekannt
Und ihres teuren Leibes Paradies. -
Nicht weiß ich, wer sie war und wie sie hieß,
Denn ihren Namen hat sie nie genannt.
Doch auch den meinen wies sie stolz zurück:
"Ich brauch' ihn nicht! - In meiner Seele lebt
Für alle Zeit das namenlose Glück,
Mit der Erinnerung an Dich verwebt." -
 
10 
Du bist ihr gleich, Du bräunlich blasses Kind. -
11 
Dein tiefgelegnes, dunkles Auge rief
12 
Vergangnes jach empor. - Ein Wirbelwind
13 
Wühlt Alles auf, was tränenmüde schlief.
14 
Und wieder flutet um das teure Bild
15 
Der süßesten Erinnerungen Meer,
16 
Und aus der Seele, stoßend, dumpf und schwer,
17 
Ein fassungsloses Schluchzen bricht und quillt.
 
18 
2.
 
19 
Manches Mal, in stillen Nächten,
20 
Steigt mir noch Dein Bild empor
21 
Und ich kann's nicht, kann's nicht fassen,
22 
Daß ich Dich so ganz verlor.
 
23 
Deine großen, braunen Augen,
24 
Mit den Wimpern lang und schwer,
25 
Blicken ganz noch wie vor Zeiten
26 
Warm und innig zu mir her.
 
27 
Als in jener dunklen Stunde
28 
In das fremde Land Du gingst
29 
Und zum allerletzten Male
30 
Weinend mir am Halse hingst,
 
31 
Damals hast Du mir versprochen:
32 
"Hören wirst Du bald von mir"
33 
Aber niemals kam ein Zeichen,
34 
Niemals nur ein Gruß von Dir.
35 
. . .
 
36 
Wilder Schmerzen wüstes Toben
37 
Hat in Wehmut sich gewandt,
38 
Und im raschen Lauf der Tage
39 
Selbst Dein Bild dem Geist entschwand. -
 
40 
Manchmal nur in stillen Nächten
41 
Steigt es mir noch heiß empor -
42 
Und ich kann's nicht, kann's nicht fassen,
43 
Daß ich Dich so ganz verlor.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.9 KB)

Details zum Gedicht „Namenlos“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
43
Anzahl Wörter
246
Entstehungsjahr
1870 - 1928
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Namenlos“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Felix Dörmann. Im Jahr 1870 wurde Dörmann in Wien geboren. In der Zeit von 1886 bis 1928 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Realismus, Naturalismus, Moderne, Expressionismus, Avantgarde / Dadaismus oder Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit zuordnen. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das vorliegende Gedicht umfasst 246 Wörter. Es baut sich aus 10 Strophen auf und besteht aus 43 Versen. Der Dichter Felix Dörmann ist auch der Autor für Gedichte wie „Abbadon triumphans“, „Die Willis“ und „Ein Abschied“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Namenlos“ weitere 89 Gedichte vor.

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