Was dann? von Felix Dörmann
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Wir waren beide klug und welterfahren |
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Und hatten viel geliebt und viel vergessen |
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Und alle beide scheuten wir die Liebe. |
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Wir wussten ja genau, o so genau, |
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Dass Liebe thöricht oder elend mache |
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Und dass der Augenblick uns sicher grüßte, |
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Wo wir bereuten, dass wir menschlich schwach |
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Den feingepflanzten Trieben der Natur |
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Erlegen, dass wir uns der Leidenschaft |
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Der unbequem-brutalen überlassen. |
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Und überängstlich fast vermieden wir |
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Begegnung und Gespräch, ja das Geringste, |
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Das irgendwie im Stand gewesen wäre |
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Uns nah' zu bringen, leicht nur zu verknüpfen. |
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Da kam ein Tag, ein unvergess'ner Tag, |
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Wo sie Dich fanden mit verzerrten Lippen, |
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Mit fahlem Antlitz, starrem Auge, nah' |
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Dem Tode schon, den Du berufen und |
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Ersehnt mit trotzig-ungestümer Lust, |
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Weil Du des Lebens schlammig-trübe Qual |
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Nicht länger tragen wolltest, tragen konntest, |
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Weil Deiner Seele mächtigstes Gefühl |
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Nach Liebe schrie, nach jener alten Liebe |
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Mit süßem Anfang und mit schaalem Ende, |
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Nach jener Liebe, die Du fliehen wolltest. |
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Und als Du so vor mir lagst, reglos, kühl, |
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Und ich des Leides langverhüllte Spur, |
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Den dumpfen Groll, dass Dich der Tod verschmäht, |
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Die Lebensangst und Lebensgier zugleich, |
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Und Deine ganze, stolze, qualverklärte |
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Medusenschönheit sah - da kam es plötzlich |
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Wie heißer Thauwind über mich! - Begrab'ne, |
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Wilddunkle Sehnsucht stieg aus ihrem Sarg, |
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Aufrauschte donnertosend der Gefühle |
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Vereister Flammenstrom und rollte brausend |
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In großen Wellen durch die Seele hin |
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Und heut' umfang' ich Deine warmdurchwogten, |
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Prunkvoll-gewölbten, bernsteinblassen Glieder |
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In worteloser Andacht, wonneschaudernd, |
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Und meine Küsse werden zum Gebet. |
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Besinnungslos vor Liebe senken wir |
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Die Augen ineinander, und ich trinke |
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In durstigen Zügen Deinen Athem - Du |
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Den meinen! - Schmerzlich fast umschnüren sich |
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Die trocken-heißen Hände. - Stundenlang |
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Kein lauter Ton, nur tiefgezog'ne Seufzer |
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Und saugend-schwere Flammenküsse oder |
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Ein halbgehauchtes Liebeswort, dann wieder |
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Das alte, süße, wetterschwüle Schweigen. |
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Ja, wir sind selig - selig - selig ... |
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Das gilt für heute, gilt für morgen noch, |
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Vielleicht auch länger, wochenlang vielleicht! |
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Doch dann, was dann, wenn der Gefühle Strom |
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In Nacht verronnen und verrauscht, was dann? |
Details zum Gedicht „Was dann?“
Felix Dörmann
7
54
329
1870 - 1928
Realismus,
Naturalismus,
Moderne
Gedicht-Analyse
Felix Dörmann ist der Autor des Gedichtes „Was dann?“. Der Autor Felix Dörmann wurde 1870 in Wien geboren. In der Zeit von 1886 bis 1928 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Realismus, Naturalismus, Moderne, Expressionismus, Avantgarde / Dadaismus oder Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit zugeordnet werden. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das 329 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 54 Versen mit insgesamt 7 Strophen. Felix Dörmann ist auch der Autor für Gedichte wie „Astaroth“, „Abbadon triumphans“ und „Die Willis“. Zum Autor des Gedichtes „Was dann?“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 89 Gedichte vor.
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