Die drei Wehrbeitrags-Termine von Rudolf Lavant

Die drei Termine sind ’ne harte Nuß,
Auch für die ärgsten Reichs- und Kaiserschwärmer,
Und wer mit Herzeleid sie knacken muß,
Wird um diverse Backenzähne ärmer.
Doch niemand wiegt sich in dem schönen Wahn,
Mit diesem ersten, also schwersten Schritte
Sei es für alle Tage abgetan –
Man kennt zu gut der Steueronkel Sitte.
 
Der Fiskus hat vergnügt dazu gelacht
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Und macht ’nen dicken Strich durch seine Sorgen,
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Seit man die ersten Zettel ihm gebracht
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Mit runden Summen, die man ihm verborgen.
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Geschwunden ist der trügerische Schein,
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Den schlau gewebt die Edelsten und Besten;
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Den Klemmer auf der Nase, sah hinein
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Der Fiskus jetzt in ihre Feuerfesten.
 
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Was man den Armen mühsam abgezwackt
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In Form von Nickelstücken und von Kronen,
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Das wird – wie glatt! – nunmehro eingesackt
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Auf einem Brett mit vier und fünf Millionen:
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„Wenn du dem Reiche eine feste Wehr
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Bereiten willst in allen Finsternissen,
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So gibt mir auch dafür die Mittel her –
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Du kannst es ja, wie wir genau nun wissen!“
 
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Der Reichsbegeistrung schadet’s aber sehr,
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Daß man den groben Keil hineingetrieben;
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Die Lust zum Hurraschrein fehlt immer mehr –
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„patriotismus“ wird jetzt klein geschrieben.
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Dann aber hält man „notgedrungen“ Rat
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In einzelnen, genau bestimmten Gruppen:
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„Wie kann man mit dem nöt’gen Mut zur Tat
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Den Haifisch Fiskus elegant beschuppen?“
 
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Und wieder kommt für sie die schöne Zeit,
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Wo vor des Staates Zugriff sie geborgen,
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Wenn nur ein Konto – eine Kleinigkeit! –
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Sie bei der Bank von England sich besorgen.
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Dann aber singt der Millionäre Chor,
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Wobei sie sich bei beiden Händen fassen:
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„Die kleinen Diebe hängt man wie zuvor,
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Die großen aber muß man laufen lassen.“
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.1 KB)

Details zum Gedicht „Die drei Wehrbeitrags-Termine“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
268
Entstehungsjahr
nach 1860
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die drei Wehrbeitrags-Termine“ ist von Rudolf Lavant. Er war ein deutscher Redakteur, Schriftsteller und Dichter, der im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert lebte und arbeitete.

Auf den ersten Blick betrachtet, erscheint das Gedicht als eine Art gewagte soziale und politische Kritik. Dies wurde sicherlich durch die historischen Umstände im Deutschen Kaiserreich zur Jahrhundertwende beeinflusst.

Der Inhalt des Gedichts kritisiert scharf die monetäre und soziale Ungerechtigkeit innerhalb der Gesellschaft während der Herrschaft Kaiser Wilhelms II. Die drei angesprochenen „Wehrbeitrags-Termine“ beziehen sich wahrscheinlich auf die Steuerabgaben, welche die Bürger bezahlen mussten. Lavant beschreibt die finanzielle Last, die diese mit sich trugen und ihr Gefühl der Ungerechtigkeit angesichts der Verwendung dieser Mittel. Zudem wirft er dem Fiskus, also dem Staat, Habgier und mangelnde Rücksicht auf die soziale Ungleichheit vor. Das lyrische Ich prangert die Tatsache an, dass nur die Armen zu den Hauptsteuerzahlern werden, während die Reichen geschickt genug sind, ihr Vermögen im Ausland zu verstecken. Es wird auch die Ironie und Heuchelei von wohlhabenden Menschen hervorgehoben, die zwar den Patriotismus predigen, aber selbst nicht bereit sind, entsprechend zum Wohl der Nation beizutragen.

Formal besteht das Gedicht aus fünf Oktaven, also Strophen mit jeweils acht Versen. Es folgt kein klar erkennbares Reimschema. Die Sprache ist einfach und deutlich und setzt sich satirisch mit den Themen Steuern, soziale Ungleichheit und Heuchelei auseinander. Der auffällige Gebrauch metaphorischer Sprache, wie zum Beispiel der Fiskus als „Haifisch“, steigert die intensive Kritik und das Unbehagen des Dichters gegenüber dem herrschenden System. Andernorts verwendet Lavant apostrophierte Begriffe wie „`patriotismus`“ in kleiner Schrift, um den scheinheiligen Nationalismus der Elite zu parodieren.

Insgesamt wirkt Lavants Gemälde als ein lebhaftes und hartes Zeugnis sozialer Ungerechtigkeit und staatlicher Gier seiner Zeit, das die Reichsten verurteilt und das Leiden der Ärmsten betont.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Die drei Wehrbeitrags-Termine“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Rudolf Lavant. Geboren wurde Lavant im Jahr 1844 in Leipzig. Das Gedicht ist in der Zeit von 1860 bis 1915 entstanden. Der Erscheinungsort ist Berlin. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Realismus, Naturalismus, Moderne, Expressionismus oder Avantgarde / Dadaismus zu. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das vorliegende Gedicht umfasst 268 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 40 Versen. Die Gedichte „An unsere Gegner“, „An la belle France.“ und „Bekenntnis“ sind weitere Werke des Autors Rudolf Lavant. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die drei Wehrbeitrags-Termine“ weitere 96 Gedichte vor.

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