Dein Begräbnis von Maximilian Bern

Nicht durft' ich weinen, als man dich begraben,
Du warst ja eines andern Mannes Weib,
Und viele Fremde deinen Sarg umgaben,
Worin so fahl in Blumen lag dein Leib.
 
Sie zählten kühl die Fackeln und die Kerzen,
Die Thränen, die um dich geflossen sind,
Und beugten vornehm sich herab zu scherzen
Mit deinem blassen frühverwaisten Kind.
 
Die arme Kleine drückte scheu und bange
10 
Ans schwarze Bahrtuch ihr gelocktes Haupt;
11 
Sie ahnte kaum beim düstern Grabgesange,
12 
Was ihr der Tod für immerdar geraubt.
 
13 
Ich mußte ferne stehn und ruhig scheinen,
14 
Als Letzter hinter deinem Sarge gehn;
15 
Sie durften, da erzwungen war ihr Weinen,
16 
In meinem Aug' nicht ächte Thränen sehn.
 
17 
Dein Angedenken hätten sie gesteinigt,
18 
Verlästert dich bei deinem eignen Kind,
19 
Wär' ich - ob auch bewegt und schmerzgepeinigt
20 
Nicht kalt erschienen, wie es Fremde sind.
 
21 
Und doch war unser Lieben und Entsagen
22 
So keusch und rein wie jene Sternennacht,
23 
Die, bis am Friedhof es begann zu tagen,
24 
Ich weinend auf dem frischen Grab durchwacht.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.7 KB)

Details zum Gedicht „Dein Begräbnis“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
164
Entstehungsjahr
1849 - 1923
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht stammt von Maximilian Bern, einem Dichter, der im 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts lebte.

Schon beim ersten Lesen des Gedichts entsteht der Eindruck von Traurigkeit und Verlust. Das lyrische Ich spricht in diesem Gedicht über den Verlust einer geliebten Frau, die jedoch nicht seine Ehefrau war. Auch die anwesenden Fremden bei der Beerdigung sowie das früh verwaiste Kind vermitteln einen Eindruck von Distanz und Einsamkeit. Im weiteren Verlauf des Gedichts wird deutlich, dass das lyrische Ich seine Trauer öffentlich nicht zeigen durfte, um das Ansehen der verstorbenen Frau und das des Kindes zu schützen.

Inhaltlich beschreibt das Gedicht also das Begräbnis einer geliebten Frau, die jedoch mit einem anderen Mann verheiratet war. Das lyrische Ich spricht von seinem Schmerz und der unterdrückten Trauer, und auch von der Unverständnis und Kälte der anderen Trauergäste. Besonders hervorgehoben wird die Situation des Kindes, das zu jung ist, um vollständig zu verstehen, welchen Verlust es erlitten hat.

Formal betrachtet handelt es sich bei dem Gedicht um sechs vierzeilige Strophen, die jeweils einem regelmäßigen Reimschema folgen. Die Sprache des Gedichts ist geprägt von einer eindringlichen, emotionalen Wortwahl, die das Gefühl von Verlust und unerlaubter Trauer stark vermittelt.

Die Aussage des lyrischen Ichs lässt sich auf den Schmerz über den Verlust und die unterdrückte Trauer reduzieren, die durch die sozialen Normen und Erwartungen verursacht wird. Sie bekräftigt die Intimität und Reinheit seiner Liebe zu der verstorbenen Frau, trotzt ihrer gesellschaftlichen Position als „eines andern Mannes Weib“. Diese gefühlvolle Beschreibung kontrastiert stark mit der kühlen, distanzierten Haltung der anderen Trauergäste.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Gedicht „Dein Begräbnis“ von Maximilian Bern den Schmerz und die unterdrückte Trauer über den Verlust einer geliebten Person thematisiert und dabei die starren gesellschaftlichen Normen und Erwartungen der damaligen Zeit kritisiert.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Dein Begräbnis“ ist Maximilian Bern. Der Autor Maximilian Bern wurde 1849 in Cherson geboren. In der Zeit von 1865 bis 1923 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Realismus, Naturalismus, Moderne, Expressionismus, Avantgarde / Dadaismus oder Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit zuordnen. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das vorliegende Gedicht umfasst 164 Wörter. Es baut sich aus 6 Strophen auf und besteht aus 24 Versen. Der Dichter Maximilian Bern ist auch der Autor für Gedichte wie „Herbstmahnung“, „Rosenspur“ und „Täuschende Erinnerung“. Zum Autor des Gedichtes „Dein Begräbnis“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 10 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Weitere Gedichte des Autors Maximilian Bern (Infos zum Autor)

Zum Autor Maximilian Bern sind auf abi-pur.de 10 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.