Das Gespenst von Paul Boldt
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Wie weiß der Sommer ist! Wie Menschenlachen, |
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Das alle Tage in der Stadt verschwenden. |
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Häuserspaliere wachsen hoch zu Wänden |
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Und Wolkenfelsen, die mich kleiner machen. |
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In tausend Straßen liege ich begraben. |
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Ich folge dir stets ohne mich zu wenden. |
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O hielte ich dein Antlitz in den Händen, |
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Das meine kranke Augen vor sich haben. |
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Ich küßte es. Es küßte mich im Bette —: |
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— Versprich, daß du mich morgen nicht mehr kennst! |
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— Bist du nachts fleischern und ein Taggespenst? |
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— Du locktest es ins Netz deiner Sonette. |
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— Junger Polyp, dein Mund ist eine Klette. |
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— Er wird dich beißen, wenn du ihn so nennst. |
Details zum Gedicht „Das Gespenst“
Paul Boldt
4
14
100
1914
Moderne,
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das vorliegende Gedicht „Das Gespenst“ wurde von Paul Boldt verfasst, einem deutschen Lyriker und Schriftsteller, der von 1885 bis 1921 lebte. Sein Werk ist dem Expressionismus zuzuordnen, einer literarischen Strömung, die um 1910 begann und bis in die 1920er Jahre hinein andauerte.
Beim ersten Lesen des Gedichts fällt eine düstere und vielleicht auch melancholische Stimmung auf, die sich durch das gesamte Lyrische Ich zieht. Der Ton des Gedichts ist eher schwer und ernst.
Das lyrische Ich scheint durch eine Stadt zu wandern und fühlt sich von seiner Umgebung erdrückt (Vers 1-4). Es beschreibt, dass es sich inmitten der Häuserschluchten klein und unbedeutend vorkommt. Es zeigt sich verloren in tausend Straßen, und seine Aufmerksamkeit konzentriert sich auf eine Person, die es anscheinend ständig verfolgt. Das lyrische Ich beschreibt seine Sehnsucht nach Nähe und Intimität, zugleich aber auch seine Ambivalenz gegenüber dieser Person, die es zugleich begehrt und fürchtet (Vers 5-14).
Die Form des Gedichts ist klassisch, mit vier Strophen und einer abwechselnden Anzahl von Versen. Die Sprache ist bildreich und metaphorisch. Worte wie „Häuserspaliere“, „Wolkenfelsen“ oder „fleischern und ein Taggespenst“ verleihen dem Gedicht eine intensive, fast schon surreale Atmosphäre.
Boldt benutzt des Weiteren die erste Person Singular, um das lyrische Ich auszuzeichnen, was den persönlichen und introspektiven Charakter des Gedichts unterstreicht. Sein Gebrauch von Dialogelementen in den letzten beiden Strophen gibt dem Gedicht eine gewisse Dramatik und Spannung, indem es die direkte Interaktion zwischen dem lyrischen Ich und der begehrten Person ins Zentrum rückt.
Insgesamt lässt „Das Gespenst“ von Paul Boldt eine intensive innere Auseinandersetzung, vermutlich mit Liebe und Identität, erkennen, die in drastischen und bildhaften Sprachbildern ausgedrückt wird. Der Titel des Gedichts könnte dabei als Metapher für das lyrische Ich selbst stehen, das sich als ein „Gespenst“ versteht – präsent, aber unsichtbar und unwirklich in der Welt, die es durchstreift.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Das Gespenst“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Paul Boldt. Geboren wurde Boldt im Jahr 1885 in Christfelde bei Preußisch-Friedland (Westpreußen). 1914 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Leipzig. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das 100 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 14 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Der Dichter Paul Boldt ist auch der Autor für Gedichte wie „Capriccio“, „Das Wiedersehen“ und „Der Denker“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Das Gespenst“ weitere 49 Gedichte vor.
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