Lied auf dem Kirchhofe von Sophie Albrecht

Sey leiser hier, du meines Kummers Klage,
Und seufze nur, was mich zu Gräbern beugt;
Verzeiht - verzeiht, ihr Todten, daß ichs wage
Zu jammern, wo des Schmerzes Stimme schweigt.
 
Nichts kann der Gräber stolze Ruhe stören,
Der Friede wohnt im stillen Schattenreich;
Drum will ich heilig eure Thäler ehren,
Ach! er, mein Herzensfreund, wohnt unter euch.
 
Mein Freund, der wieder all die süßen Bande,
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Die längst die Welt von meinem Herzen riß,
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Sanft knüpft', und mir im finstern Wechsellande
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Elisiums ewig daurend Glück verhieß.
 
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Die heiße Stirn gelehnt am kalten Steine,
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Der meiner Trauer stummen Hügel deckt;
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Rinnt sanft, ihr Thränen! wie im Frühlingshayne
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Des Morgens Thau, der junge Rosen weckt.
 
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Sie fließen nicht, dich Freyen zu beklagen,
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Der nicht im Kerker der Verwesung wohnt;
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Dir jauchz' ich zu, dem nun nach schwülen Tagen
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Das kühle Wehn der Dulderpalme lohnt.
 
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Dort seh ich dich den großen Morgen feyern,
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Der nur an jenem Purpurufer tagt;
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Wohin keins von des Lebens Ungeheuern
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Durch Gottes Wachen sich hinüber wagt.
 
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Nur mir, nur mir Gesunknen rinnt die Zähre,
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Nur mich Verlaßne klagt dies Thränenlied;
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Mir ist die Welt nur eine öde Leere,
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Wo mir allein kein stiller Hügel blüht.
 
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Er deckt mit dir auch alle bleichen Schrecken,
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Die Gruft und Tod mir einstens schaudernd gab;
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So muß die Nacht den jungen Morgen wecken,
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Du starbst - und Heymath wird mir Tod und Grab.
 
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Umschlungen unsrer schönsten Hoffnung Büste
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Späh ich, ob bald der Kahn herüber schwimmt,
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Der mich von der Verwesung schwarzen Küste
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Zu dir - zu dir, mein Freund, hinüber nimmt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.9 KB)

Details zum Gedicht „Lied auf dem Kirchhofe“

Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
259
Entstehungsjahr
1757 - 1840
Epoche
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Lied auf dem Kirchhofe“ wurde von Sophie Albrecht geschrieben, die von 1757 bis 1840 lebte. Sie gehörte zu den wichtigen Vertreterinnen der deutschen Aufklärung und des vorklassischen Sturm und Drang.

Das Beeindruckende an diesem ersten Eindruck des Gedichts ist die Intensität und Schmerzhaftigkeit, die in diesem Werk zum Ausdruck kommt. Es ist eine lyrische Auseinandersetzung mit Tod, Trauer und Hoffnung auf eine Wiederbegegnung im Jenseits.

In einfachen Worten erzählt das Gedicht von dem tiefen Leid der lyrischen Stimme - wahrscheinlich einer Frau - die ihren „Herzensfreund“ verloren hat. Sie drückt ihren Schmerz und ihre tiefe Trauer aus, lässt ihren Kummer auf dem Friedhof laut werden und entschuldigt sich an den Gräbern der Toten dafür, dass sie ihre Gefühle ausdrückt. Sie respektiert den Frieden der Toten und erinnert sich gleichzeitig daran, wie ihr Freund ihre Bindung zur Welt wiederhergestellt hat. Ihre Tränen fließen nicht, um den Toten zu beklagen, sondern um ihren eigenen Verlust zu beweisen. Sie hat eine Hoffnung, dass sie wieder mit ihm vereint sein wird, nachdem sie die Welt als eine öde Leere erlebt hat. Sie beendet das Gedicht mit der Hoffnung, dass sie bald zu ihm übergehen wird.

Die Form des Gedichts ist eine Strophenform mit jeweils vier Versen. Sophie Albrecht verwendet einen iambischen Fünfheber, der dem Gedicht einen rhythmischen Fluss verleiht. Die Sprache ist zum Teil leicht altertümlich und dem Stil der Klassik zuzuordnen. Die Wortwahl ist poetisch und prägnant mit starken Bildern, die sowohl die Trauer und Sehnsucht als auch die Hoffnung auf Erlösung sehr eindrucksvoll darstellen. Besonders metonymisch sind die „Thränen“, die für den Schmerz des lyrischen Ichs stehen, und die „Morgentau“, die die Hoffnung auf ein neues Leben symbolisieren. Die starken Kontraste entreißen den Leser immer wieder der Idylle und führen ihn zurück in eine beklemmende Gegenwart.

Weitere Informationen

Sophie Albrecht ist die Autorin des Gedichtes „Lied auf dem Kirchhofe“. Im Jahr 1757 wurde Albrecht in Erfurt geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1773 und 1840. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her kann der Text den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm & Drang, Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zugeordnet werden. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das 259 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 9 Strophen. Sophie Albrecht ist auch die Autorin für das Gedicht „Sehnsucht“, „Als ich ihn wiederfand“ und „Frühlingslied“. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „Lied auf dem Kirchhofe“ weitere 12 Gedichte vor.

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