Puritanerpredigt von Theodor Fontane

... Landsleute, Volk von London, hört mich an:
Ihr denkt, der König ist's; der ist es nicht,
Der fühlt wie wir. Das Unglück kommt von drüben,
Von Frankreich kommt's und nennt sich
Kön'gin-Mutter.
Und dazu Medici. Ein schlimmer Name.
Papistisch alle, Gott dem Herrn ein Greul,
Am meisten aber sie, das blut'ge Buhlweib,
Das Frankreichs Thron befleckte: Katharina.
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Landsleute, tretet näher, hört mich an,
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Von diesem Buhlweib will ich euch erzählen.
 
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Bluthochzeit feierte die Stadt Paris,
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Der Glocke Zeichen war in Nacht verklungen,
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Und durch die Straßen, wie gehetztes Wild,
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Wehschreiend, betend, floh der Hugenott.
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Schon zog ein Blutstreif durch den Seine-Fluß,
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Schon lag verstümmelt, siebenfach durchbohrt,
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Auf offnem Platz der greise Coligny,
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Und immer noch, den Mord zum Morde mahnend.
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»Laßt Ader!« schrie der tückische Tavannes.
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Im Schlosse aber, das sie Louvre nennen,
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An jener hohen Bogenfenster einem,
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Stand König Karl, der neunte seines Namens,
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Und zitterte. Der ungeheure Frevel
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Griff ihm ins Herz. Trotz Licht und Fackelglanz
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Nacht war's um ihn. Er warf die Büchse fort:
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»Ich kann nicht schießen, Mutter!« rief der König.
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Da trat sie selber vor, schwarz war ihr Haar,
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Schwarz wie der Sammet ihres Schleppenkleides,
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Und ihrem Aug' entflammte tiefre Glut
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Als dem Rubin, der ihr am Nacken blitzte.
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»Bist du ein Mann?« so raunte sie ihm zu,
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»Ein König und so feig? ich mag's nicht glauben.«
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Das zündete. Der Fürst - in falscher Scham
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Ergriff er neu das Rohr, sie aber rief:
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»Schau dort das Weib, das Hugenottenweib,
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Sie flieht und birgt den Säugling an der Brust,
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Zertritt das Raupennest! Der König schoß;
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Ein Wehschrei klang herauf; sie aber klatschte
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Dem Schützen Beifall...
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Katharina hieß sie.
 
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Die unsre heißt Marie. Das ist das Ganze
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Sonst Medici, die damals und die heute.«
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.2 KB)

Details zum Gedicht „Puritanerpredigt“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
43
Anzahl Wörter
287
Entstehungsjahr
nach 1835
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Puritanerpredigt“ wurde von dem deutschen Schriftsteller und Dichter Theodor Fontane verfasst, der zu den bekanntesten Vertretern des poetischen Realismus zählt. Fontane wurde 1819 geboren und starb 1898, daher stammt das Gedicht aus dem 19. Jahrhundert, genauer gesagt aus der Zeit des Deutschen Kaiserreichs.

Inhaltlich handelt das Gedicht von einem Puritaner, der vor dem Volk von London predigt. Er erzählt von der Königin-Mutter Katharina von Medici und ihrer Beteiligung an der Bartholomäusnacht, einer blutigen Verfolgung der Hugenotten in Frankreich im Jahr 1572. In dramatischen Worten wird beschrieben, wie Katharina ihren zögerlichen Sohn, König Karl IX., dazu bringt, auf fliehende Hugenotten zu schießen. Am Ende stellt der Puritaner einen Bezug zur Gegenwart her und warnt vor einer vergleichbar schlechten Königin-Mutter namens Marie.

Das lyrische Ich verurteilt im Gedicht deutlich die grausamen Taten von Katharina von Medici und nutzt dies als Argument in seiner Predigt gegen die aktuelle Königin-Mutter Marie. Das Gedicht kann daher auch als Propaganda gegen eine bestimmte Person oder Gruppierung gesehen werden, da durch die Schilderung der Vergangenheit negative Assoziationen auf die Gegenwart übertragen werden.

Das Gedicht besteht aus drei Strophen mit insgesamt 43 Versen und zeigt daher eine sehr freie Form. Die Sprache des Gedichts ist klar und verständlich, mit dramatischen und starken Beschreibungen. Es finden sich verschiedene lyrische Mittel wieder, wie etwa Metaphern („Ein Blutstreif durch den Seine-Fluß“), Personifikationen („Der ungeheure Frevel griff ihm ins Herz“) und Alliterationen („Schau dort das Weib, das Hugenottenweib“).

Insgesamt ist das Gedicht „Puritanerpredigt“ ein politisch und historisch aufgeladenes Werk, das die Macht und Einflussnahme von Herrschern und deren Familienmitgliedern thematisiert. Durch die Predigt des Puritaners wird dabei eine deutliche Botschaft gegen bestimmte Personen oder Gruppierungen verkündet, was das Gedicht zu einer interessanten Lektüre sowohl aus historischer als auch aus literarischer Perspektive macht.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Puritanerpredigt“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Theodor Fontane. Der Autor Theodor Fontane wurde 1819 in Neuruppin geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1835 bis 1898 entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Realismus zuordnen. Bei Fontane handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 43 Versen mit insgesamt 3 Strophen und umfasst dabei 287 Worte. Weitere Werke des Dichters Theodor Fontane sind „Auf der Treppe von Sanssouci“, „Ausgang“ und „Barbara Allen“. Zum Autor des Gedichtes „Puritanerpredigt“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 214 Gedichte vor.

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