An ihren Papa von Kurt Tucholsky

Amici! Plaudite! - Die bunten Bänder
und Wimpel flattern froh im Wind!
Wie danke ich dir gütigem Spender
für dieses Kind! -
 
Du würdiger Greis – vor so und so viel Jahren
erzeugtest du’s in einer Nacht …
Ich weiß, daß dies bei ungebleichten Haaren
schon Mühe macht.
 
Und du, im rüstigen Mannesalter,
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du produziertest dies bébé –
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ein Frauenseufzer … leis verhallt er … –
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Dir Evoë! –
 
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Dir Evoë! – Ich gratuliere!
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Dein denk ich, Autor, ist sie da –
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Dein denk ich, wenn ich kokettiere –
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Grüß Gott, Papa!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.1 KB)

Details zum Gedicht „An ihren Papa“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
83
Entstehungsjahr
1919
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „An ihren Papa“ stammt von Kurt Tucholsky, einem der bedeutendsten Journalisten und Schriftsteller der Weimarer Republik. Tucholsky wurde am 9. Januar 1890 geboren und starb am 21. Dezember 1935. Das Gedicht kann somit dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts zugeordnet werden.

Auf den ersten Blick präsentiert sich das Gedicht als eine leichte und humorvolle Dankesrede an den Vater des lyrischen Ichs. Der grundsätzliche Inhalt des Gedichts lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Das lyrische Ich, offensichtlich die Tochter des adressierten Vaters, appelliert an eine unsichtbare Zuhörerschaft („Amici! Plaudite!“), um Anerkennung für ihren Vater zu erbitten. Sie dankt ihm für seine Rolle in ihrer Zeugung und scheut dabei nicht vor humorvoll-gewagten Formulierungen zurück.

Das Gedicht besteht aus vier vierzeiligen Strophen. Es wird in einer lebhaften und humorvollen Sprache präsentiert. Das lyrische Ich redet ihren Vater direkt an und schafft damit eine sehr persönliche Atmosphäre. Es fließen Elemente der Lebenswirklichkeit („Du würdiger Greis – vor so und so viel Jahren erzeugtest du’s in einer Nacht“) und der Mythologie („Dir Evoë!“ – ein Anruf an Dionysos) ineinander, was die Gedichte Tucholskys charakteristisch kennzeichnet.

Die Sprache ist geprägt von Parataxen, kurzen Aussagesätzen ohne untergeordnete Nebensätze, was einen flüssigen, leichten Lesefluss bewirkt. Dramaturgische Elemente wie die Direktrede („Grüß Gott, Papa!“), lockern das Gedicht weiter auf.

Die Ambivalenz von Ehrerbietung und Spott, Ernsthaftigkeit und Humor, macht das Gedicht typisch für Tucholskys Werk. Er war bekannt für seine scharfe Gesellschaftskritik, die er oft in unterhaltsamen, leichtfüßigen Formen präsentierte. Die Respektlosigkeit, mit der das lyrische Ich ihren Vater adressiert, könnte dabei als Gesellschaftskritik interpretiert werden – ein Spiegel des sich verändernden Rollenbildes von Vätern und ihren Kindern in der Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs in der Weimarer Republik.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „An ihren Papa“ ist Kurt Tucholsky. Der Autor Kurt Tucholsky wurde 1890 in Berlin geboren. Im Jahr 1919 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Charlottenburg. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur zugeordnet werden. Der Schriftsteller Tucholsky ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Der Erste Weltkrieg und die daraufhin folgende Entstehung und der Fall der Weimarer Republik hatten großen Einfluss auf die Literatur der Weimarer Republik. Neue Sachlichkeit ist eine Richtung der Literatur der Weimarer Republik. In den Werken dieser Epoche ist die zwischen den Weltkriegen hervortretende Tendenz zu illusionsloser und nüchterner Darstellung von Gesellschaft, Technik, Weltwirtschaftskrise aber auch Erotik deutlich erkennbar. Man kann dies auch als Reaktion auf den literarischen Expressionismus werten. Die Handlung wurde meist nur kühl und distanziert beobachtet. Die Dichter orientierten sich dabei an der Realität. Mit einem Minimum an Sprache wollte man ein Maximum an Bedeutung erreichen. Mit den Texten sollten so viele Menschen wie möglich erreicht werden. Deshalb wurde darauf geachtet eine nüchterne sowie einfache Alltagssprache zu verwenden. Die Freiheit von Wort und Schrift war zwar verfassungsmäßig garantiert, doch bereits 1922 wurde nach der Ermordung eines Politikers das Republikschutzgesetz erlassen, das diese Freiheit wieder einschränkte. Viele Schriftsteller litten unter dieser Zensur. Dieses Gesetz wurde in der Praxis nur gegen linke Autoren angewandt, nicht aber gegen rechte, die teils in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Das 1926 erlassene Schund- und Schmutzgesetz verstärkte die Grenzen der Zensur nochmals. Später als die Pressenotverordnung im Jahr 1931 in Kraft trat, war sogar die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen über mehrere Monate möglich.

Als Exilliteratur wird die Literatur von Schriftstellern bezeichnet, die unfreiwillig Zuflucht im Ausland suchen müssen, weil ihre Person oder ihr Werk im Heimatland bedroht sind. Für die Flucht ins Exil geben meist religiöse oder politische Gründe den Ausschlag. Die deutsche Exilliteratur entstand in den Jahren von 1933 bis 1945 als Literatur der Gegner des Nationalsozialismus. Dabei spielten zum Beispiel die Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 und der deutsche Überfall auf die Nachbarstaaten Deutschlands in den Jahren 1938/39 eine ausschlaggebende Rolle. Die Exilliteratur der Literaturgeschichte Deutschlands bildet eine eigene Literaturepoche und folgt auf die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik. Die Themen der deutschen Exilliteratur lassen sich zunächst in zwei Gruppen einteilen. Einige Schriftsteller fühlten sich in ihrer neuen Heimat nicht zu Hause, hatten Heimweh und wollten einfach in ihr altes Leben vor dem Nationalsozialismus zurückkehren. Oftmals konnten sie im Ausland nicht mehr ihrer Arbeit als Schriftsteller nachgehen, da sie nur in Deutsch schreiben konnten, was im Ausland niemand verstand. Heimweh und ihre Liebe zum Mutterland sind die thematischen Schwerpunkte in ihren Werken. Die anderen Schriftsteller wollten sich gegen Nazideutschland wehren. Man wollte einerseits die Welt über die Grausamkeiten in Deutschland aufklären. Andererseits aber auch den Widerstand unterstützen. Spezielle formale Merkmale weist die Exilliteratur nicht auf. Allerdings gab es einige neue Gattungen, die in dieser Literaturepoche geboren wurden. Das epische Theater von Bertolt Brecht oder auch die historischen Romane waren neue literarische Textsorten. Aber auch Flugblätter und Radioreden der Widerstandsbewegung sind hierbei als neue Textsorten erwähnenswert. Oftmals wurden die Texte auch getarnt, so dass sie trotz Zensur nach Deutschland gebracht werden konnten. Dies waren dann die sogenannten Tarnschriften.

Das vorliegende Gedicht umfasst 83 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 16 Versen. Die Gedichte „An Lukianos“, „An Peter Panter“ und „An das Publikum“ sind weitere Werke des Autors Kurt Tucholsky. Zum Autor des Gedichtes „An ihren Papa“ haben wir auf abi-pur.de weitere 136 Gedichte veröffentlicht.

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