Abschied von der Junggesellenzeit von Kurt Tucholsky

Agathe, wackel nicht mehr mit dem Busen!
Die letzten roten Astern trag herbei!
Laß die Verführungskünste bunter Blusen,
das Zwinkern laß, den kleinen Wollustschrei ..
Nicht mehr für dich foxtrotten meine Musen –
vorbei – vorbei ...
Es schminkt sich ab der Junggesellenmime:
Leb wohl! Ich nehm mir eine Legitime!
 
Leb, Magdalene, wohl! Du konntest packen,
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wenn du mich mochtest, bis ich grün und blau.
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Geliebtendämmerung. Der Mond der weißen Backen
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verdämmert sacht. Jetzt hab ich eine Frau.
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Leb, Lotte, wohl! Dein kleiner fester Nacken
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ruht itzt in einem andern Liebesbau ...
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Lebt alle wohl! Muß ich von Kindern lesen:
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Ich schwör sie ab. Ich bin es nicht gewesen.
 
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Nur eine bleibt mir noch in Ehezeiten –
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in dieser Hinsicht ist die Gattin blind –,
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Dein denk ich noch in allen Landespleiten:
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Germania! gutes, dickes, dummes Kind!
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Wir lieben uns und maulen und wir streiten
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und sind uns doch au fond recht wohlgesinnt ...
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Schlaf nicht bei den Soldaten! Das setzt Hiebe!
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Komm, bleib bei uns! Du meine alte Liebe –!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.9 KB)

Details zum Gedicht „Abschied von der Junggesellenzeit“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
162
Entstehungsjahr
1920
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Abschied von der Junggesellenzeit“ stammt von Kurt Tucholsky, einem deutschen Schriftsteller und Publizisten, der von 1890 bis 1935 lebte. Tucholsky war ein wichtiger Vertreter der Neuen Sachlichkeit und bekannt für seine Gesellschaftskritik. Bezogen auf die zeitliche Einordnung lässt sich sagen, dass das Gedicht in der Weimarer Republik, genauer auf die 1920er Jahre, einzuordnen ist, einer Zeit, die von politischer Unsicherheit, aber auch von kultureller Blüte geprägt war.

In dem an Satire und Ironie reichen Gedicht verabschiedet sich das lyrische Ich von der Ungebundenheit und Freiheit des Junggesellendaseins, um in den Ehestand zu treten. Dies wird besonders deutlich durch die humorvoll-übertriebenen Schilderungen der Frauenfiguren „Agathe“, „Magdalene“ und „Lotte“. Den Abschied von ihnen sieht das Ich mit Anklängen von Wehmut und Erleichterung.

Im zweiten Strophenteil nimmt das Gedicht eine unerwartete Wendung. Das einzige „Weib“, das dem lyrischen Ich nach der Ehe bleibt, ist die anspielungsreiche Personifikation „Germania“, die als Metapher für das Heimatland steht. Hier drückt das lyrische Ich seine ambivalente Beziehung zu seinem Land aus, das ihm zwar teuer ist, ihm aber auch manchmal Kummer bereitet.

Formal fällt auf, dass sich das Gedicht im Reimschema ABAB hält und drei gleich lange Strophen mit jeweils acht Versen aufweist. Es lässt sich kein festes Metrum identifizieren, was zum lebendigen und humorvollen Charakter des Gedichts beiträgt. Sprachlich verwendet Tucholsky einen direkten und volksnahen Stil und verzichtet auf überhöhte lyrische Bilder, was zur Komik des Textes beiträgt. Insgesamt kann das Gedicht als eine typische Tucholsky'sche Satire auf Ehe und Gesellschaft sowie auf das Verhältnis des Individuums zum Staat gesehen werden.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Abschied von der Junggesellenzeit“ ist Kurt Tucholsky. Tucholsky wurde im Jahr 1890 in Berlin geboren. Im Jahr 1920 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Berlin. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur zuordnen. Bei dem Schriftsteller Tucholsky handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Der Erste Weltkrieg und die daraufhin folgende Entstehung und der Fall der Weimarer Republik hatten großen Einfluss auf die Literatur der Weimarer Republik. Die Neue Sachlichkeit in der Literatur der Weimarer Republik ist von Nüchternheit und distanzierter Betrachtung der Welt gekennzeichnet und politisch geprägt. Es wurde eine Alltagssprache verwendet um mit den Texten so viele Menschen wie möglich anzusprechen. Die Freiheit von Wort und Schrift war zwar verfassungsmäßig garantiert, doch bereits 1922 wurde nach der Ermordung von Walter Rathenau das Republikschutzgesetz erlassen, das diese Freiheit wieder einschränkte. Viele Schriftsteller litten unter dieser Zensur. In der Praxis wurde dieses Gesetz allerdings nur gegen linke Autoren angewandt. Aber gerade die rechts gerichteten Schriftsteller waren es häufig, die in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Die Grenzen der Zensur wurden im Jahr 1926 durch das sogenannte Schund- und Schmutzgesetz nochmals verstärkt. Die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen wurden durch die Pressenotverordnung im Jahr 1931 ermöglicht.

Zur Zeit des Nationalsozialismus mussten viele Schriftsteller ins Ausland fliehen. Dort entstand die sogenannte Exilliteratur. Ausgangspunkt der Exilbewegung ist der Tag der Bücherverbrennung im Jahr 1933 im nationalsozialistischen Deutschland. Alle nicht-arischen Werke wurden verboten und symbolträchtig verbrannt. Daraufhin flohen zahlreiche Schriftsteller aus Deutschland. Die Exilliteratur bildet eine eigene Epoche in der deutschen Literaturgeschichte. Sie schließt an die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik an. Themen wie Verlust der eigenen Kultur, existenzielle Probleme, Sehnsucht nach der Heimat oder Widerstand gegen das nationalsozialistische Deutschland sind typisch für diese Epoche der Literatur. Bestimmte formale Gestaltungsmittel wie zum Beispiel Metrum, Reimschema oder der Gebrauch bestimmter rhetorischer Mittel lassen sich in der Exilliteratur nicht finden. Die Exilliteratur weist häufig einen Pluralismus der Stile (Realismus und Expressionismus), eine kritische Betrachtung der Wirklichkeit und eine Distanz zwischen Werk und Leser oder Publikum auf. Sie hat häufig die Absicht zur Aufklärung und möchte Gesellschaftsentwicklungen aufzeigen (wandelnder Mensch, Abhängigkeit von der Gesellschaft).

Das 162 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 3 Strophen. Kurt Tucholsky ist auch der Autor für Gedichte wie „’s ist Krieg!“, „Achtundvierzig“ und „All people on board!“. Zum Autor des Gedichtes „Abschied von der Junggesellenzeit“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 136 Gedichte vor.

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