Also wat nu – ja oder ja? von Kurt Tucholsky

Wie ick noch n kleena Junge wah,
da hattn wa aufe Schule
een Lehra, den nannten wa bloß: Papa,
een jewissn Dokter Kuhle.
Und frachte der wat, und der Schieler war dumm,
un der quatschte und klöhnte bloß so rum,
denn sachte Kuhle feierlich:
„Also – du weeßt et nich!“
 
So nachn Essen, da rooch ick jern
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in Stillen meine Ssijarre.
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Da denk ick so, inwieso und wiefern,
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und wie se so looft, die Karre.
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Wer weeß det … Heute wähln wa noch rot,
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un morjen sind wa valleicht alle tot.
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Also ick ja nich, denkt jeda. Immahin …
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man denkt sich so manchet in seinen Sinn.
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Ick bin, ick werde, ick bin jewesen …
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Da haak nu so ville Biecher jelesen.
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Und da steht die Wissenschaft uff de Kommode …
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Wie wird det mit uns so nachn Tode?
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Die Kürche kommt jleich eilich jeloofn,
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da jibt et n Waschkorb voll Phillesophn …
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Det lies man. Un haste det hinta dir,
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dreihundert Pfund bedrucktet Papier,
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denn leechste die Weisen
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beit alte Eisen
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un sachst dir wie Kuhle, innalich:
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Sie wissen et nich. Sie wissen et nich.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25 KB)

Details zum Gedicht „Also wat nu – ja oder ja?“

Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
180
Entstehungsjahr
1931
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Das vorgestellte Gedicht stammt von Kurt Tucholsky, einem der bedeutendsten und bekanntesten Schriftsteller und Journalisten in der Weimarer Republik. Tucholsky lebte von 1890 bis 1935. Sein Werk ist eng mit den politischen und sozialen Entwicklungen seiner Zeit verbunden.

Das Gedicht „Also wat nu – ja oder ja?“ gibt zunächst den Eindruck einer alltäglichen und unkomplizierten Erzählung. In einfacher Sprache und mit typischem Berliner Dialekt gelingt es Tucholsky, eine intime und vertraute Atmosphäre zu schaffen.

Inhaltlich geht es in dem Gedicht um Erinnerungen des lyrischen Ichs an seine Schulzeit und verschiedene philosophische Gedanken. Im ersten Teil beschreibt der Dichter eine Anekdote aus seiner Schulzeit, bei der ein Lehrer namens Dr. Kuhle eine wichtige Rolle spielt. Das lyrische Ich erinnert sich daran, wie der Lehrer Fragen stellte und auf die Antwort eines Schülers, der nicht wusste, was er sagen sollte, reagierte: „Also – du weeßt et nich!“.

Der zweite Teil des Gedichts besteht aus den philosophischen Überlegungen des lyrischen Ichs. Es stellt Fragen über das Leben, den Tod und das Wesen der Existenz. Es erwähnt die Unbeständigkeit des Lebens (Vers 13 und 14), das Unverständnis gegenüber der Welt und seine Skepsis gegenüber etablierten Wahrheiten (Vers 24 bis 28).

Die Aussage des lyrischen Ichs kondensiert in den letzten Zeilen zu der Erkenntnis, dass trotz aller Gelehrsamkeit und aller Erkenntnisse der Philosophen niemand wirklich die Antworten auf die großen Fragen des Lebens kennt: „Sie wissen et nich. Sie wissen et nich“.

In Bezug auf Form und Sprache ist das Gedicht in zwei Strophen mit unterschiedlicher Anzahl von Versen unterteilt. Die Verwendung des Berliner Dialekts, der umgangssprachliche Ton und die einfache Syntax tragen zur Schaffung einer volksnahen und ungekünstelte Atmosphäre bei. Trotz der Leichtigkeit und Alltäglichkeit der Sprache behandelt das Gedicht tiefsinnige Themen wie das Leben, den Tod und die Erkenntnistheorie.

Insgesamt ist „Also wat nu – ja oder ja?“ ein Gedicht, das eine scheinbar simple Alltagsgeschichte nutzt, um zu einer tiefgründigen philosophischen Reflexion zu gelangen. Es stellt die Erkenntnis in Frage und betont die Unmöglichkeit, definitive Antworten auf die großen Fragen des Lebens zu finden.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Also wat nu – ja oder ja?“ des Autors Kurt Tucholsky. Der Autor Kurt Tucholsky wurde 1890 in Berlin geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1931 zurück. Der Erscheinungsort ist Berlin. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur zuordnen. Bei Tucholsky handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Inhaltlich wurden in der Literatur der Weimarer Republik häufig die Ereignisse des Ersten Weltkriegs verarbeitet. Die geschichtlichen Einflüsse des Ersten Weltkrieges und der späteren Weimarer Republik sind die prägenden Faktoren dieser Epoche. Das wohl bedeutendste Merkmal der Literatur in der Weimarer Republik ist die Neue Sachlichkeit, die so heißt, da sie schlicht, klar, sachlich und hoch politisch ist. Die Literatur dieser Zeit war nüchtern und realistisch. Ebenso stellt sie die moderne Gesellschaft kühl distanziert, beobachtend, dokumentarisch und exakt dar. Die Autoren der Literaturepoche wollten so viele Menschen wie möglich mit ihren Texten erreichen, deshalb wurde eine einfache und nüchterne Alltagssprache verwendet. Die Freiheit von Wort und Schrift war zwar verfassungsmäßig garantiert, doch bereits 1922 wurde nach der Ermordung eines Politikers das Republikschutzgesetz erlassen, das diese Freiheit wieder einschränkte. Viele Schriftsteller litten unter dieser Zensur. Dieses Gesetz wurde in der Praxis nur gegen linke Autoren angewandt, nicht aber gegen rechte, die teils in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Das im Jahr 1926 erlassene Schund- und Schmutzgesetz verstärkte die Grenzen der Zensur nochmals. Später als die Pressenotverordnung im Jahr 1931 in Kraft trat, war sogar die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen über mehrere Monate möglich.

Zur Zeit des Nationalsozialismus mussten viele Autoren ins Ausland fliehen. Dort entstand die sogenannte Exilliteratur. Ausgangspunkt der Exilbewegung ist der Tag der Bücherverbrennung am 30. Mai 1933 im nationalsozialistischen Deutschland. Alle nicht-arischen Werke wurden verboten und symbolträchtig verbrannt. In Folge dessen flohen viele Schriftsteller aus Deutschland. Die Exilliteratur der Literaturgeschichte Deutschlands bildet eine eigene Literaturepoche und folgt auf die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik. Die Exilliteratur lässt sich insbesondere an den thematischen Schwerpunkten wie Sehnsucht nach der Heimat, Widerstand gegen Nazi-Deutschland oder Aufklärung über den Nationalsozialismus erkennen. Bestimmte formale Merkmale lassen sich jedoch nicht finden. Allerdings gab es einige neue Gattungen, die in dieser Literaturepoche geboren wurden. Das epische Theater von Brecht oder auch die historischen Romane waren neue literarische Textsorten. Aber auch Radioreden oder Flugblätter der Widerstandsbewegung sind hierbei als neue Textsorten zu erwähnen. Oftmals wurden die Texte auch getarnt, so dass sie trotz Zensur nach Deutschland gebracht werden konnten. Dies waren dann die sogenannten Tarnschriften.

Das Gedicht besteht aus 28 Versen mit insgesamt 2 Strophen und umfasst dabei 180 Worte. Die Gedichte „An einen garnisondienstfähigen Dichter“, „An ihren Papa“ und „Apage, Josephine, apage–!“ sind weitere Werke des Autors Kurt Tucholsky. Zum Autor des Gedichtes „Also wat nu – ja oder ja?“ haben wir auf abi-pur.de weitere 136 Gedichte veröffentlicht.

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