Abendlied von Matthias Claudius

Der Mond ist aufgegangen,
Die goldnen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar.
Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar.
 
Wie ist die Welt so stille,
Und in der Dämmrung Hülle
So traulich und so hold!
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Als eine stille Kammer,
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Wo ihr des Tages Jammer
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Verschlafen und vergessen sollt.
 
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Seht ihr den Mond dort stehen? —
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Er ist nur halb zu sehen,
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Und ist doch rund und schön!
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So sind wohl manche Sachen,
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Die wir getrost belachen,
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Weil unsre Augen sie nicht sehn.
 
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Wir stolze Menschenkinder
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Sind eitel arme Sünder,
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Und wissen gar nicht viel.
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Wir spinnen Luftgespinnste,
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Und suchen viele Künste,
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Und kommen weiter von dem Ziel.
 
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Gott, laß uns dein Heil schauen,
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Auf nichts Vergänglichs trauen,
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Nicht Eitelkeit uns freun!
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Laß uns einfältig werden,
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Und vor dir hier auf Erden
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Wie Kinder fromm und fröhlich seyn!
 
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Wollst endlich sonder Grämen
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Aus dieser Welt uns nehmen
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Durch einen sanften Tod!
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Und, wenn du uns genommen,
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Laß uns im Himmel kommen,
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Du unser Herr und unser Gott!
 
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So legt euch denn, ihr Brüder,
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In Gottes Namen nieder;
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Kalt ist der Abendhauch.
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Verschon’ uns, Gott! mit Strafen,
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Und laß uns ruhig schlafen!
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Und unsern kranken Nachbar auch!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.6 KB)

Details zum Gedicht „Abendlied“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
203
Entstehungsjahr
1782
Epoche
Empfindsamkeit

Gedicht-Analyse

In Matthias Claudius' Gedicht „Abendlied“ schildert der Autor ein friedvolles und stummes Abendbild, das auf den Menschen eine Einladung zur Besinnung ausübt. Er beschreibt das bunte Farbenspiel des Sonnenuntergangs und die sich daraus ergebende Harmonie und Stille. Der Mond erscheint, halb verhüllt, am Himmel. Claudius stellt fest, dass unsichtbare Dinge, die wir belächeln, betrachtet zu werden verdienen.

Der Dichter fordert den Leser dazu auf, nüchtern zu betrachten, was das Leben zu bieten hat und nicht das Wichtige gegen Unwichtiges einzutauschen. Er appelliert an die Leser, Gottes Wort zu entsprechen und betont, dass wir ohne Gott weder einzigartig noch vollständig sind. Der Autor bittet Gott, die Menschen vor Sünden zu bewahren und sie in den Himmel aufzunehmen, sobald der Moment der Abreise gekommen ist. Er schließt das Gedicht mit einem Gebet, dass Gott alle unschuldig Schutzbedürftigen, unser aller Nachbarn, schützen möge.

Das Gedicht „Abendlied“ von Matthias Claudius drückt die Sehnsucht des Dichters nach Eintracht und Frieden zwischen allen Menschen aus und nimmt uns mit auf eine emotionale Reise. Es erinnert uns daran, dass wir Gottes Segen und Anleitung benötigen, um aufrichtig und geerdet durchs Leben zu gehen. Trost und Hoffnung, die sich in den Worten des Gedichts manifestieren, können uns in schwierigen Momenten beistehen.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Abendlied“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Matthias Claudius. Im Jahr 1740 wurde Claudius in Reinfeld (Holstein) geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1782 entstanden. Der Erscheinungsort ist Wandsbeck. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Empfindsamkeit kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Claudius handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 203 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 42 Versen mit insgesamt 7 Strophen. Weitere Werke des Dichters Matthias Claudius sind „Kriegslied“, „Kartoffellied“ und „Urians Reise um die Welt“. Zum Autor des Gedichtes „Abendlied“ haben wir auf abi-pur.de weitere 83 Gedichte veröffentlicht.

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