Abendlied von Matthias Claudius
1 |
Der Mond ist aufgegangen, |
2 |
Die goldnen Sternlein prangen |
3 |
Am Himmel hell und klar. |
4 |
Der Wald steht schwarz und schweiget, |
5 |
Und aus den Wiesen steiget |
6 |
Der weiße Nebel wunderbar. |
|
|
7 |
Wie ist die Welt so stille, |
8 |
Und in der Dämmrung Hülle |
9 |
So traulich und so hold! |
10 |
Als eine stille Kammer, |
11 |
Wo ihr des Tages Jammer |
12 |
Verschlafen und vergessen sollt. |
|
|
13 |
Seht ihr den Mond dort stehen? — |
14 |
Er ist nur halb zu sehen, |
15 |
Und ist doch rund und schön! |
16 |
So sind wohl manche Sachen, |
17 |
Die wir getrost belachen, |
18 |
Weil unsre Augen sie nicht sehn. |
|
|
19 |
Wir stolze Menschenkinder |
20 |
Sind eitel arme Sünder, |
21 |
Und wissen gar nicht viel. |
22 |
Wir spinnen Luftgespinnste, |
23 |
Und suchen viele Künste, |
24 |
Und kommen weiter von dem Ziel. |
|
|
25 |
Gott, laß uns dein Heil schauen, |
26 |
Auf nichts Vergänglichs trauen, |
27 |
Nicht Eitelkeit uns freun! |
28 |
Laß uns einfältig werden, |
29 |
Und vor dir hier auf Erden |
30 |
Wie Kinder fromm und fröhlich seyn! |
|
|
31 |
Wollst endlich sonder Grämen |
32 |
Aus dieser Welt uns nehmen |
33 |
Durch einen sanften Tod! |
34 |
Und, wenn du uns genommen, |
35 |
Laß uns im Himmel kommen, |
36 |
Du unser Herr und unser Gott! |
|
|
37 |
So legt euch denn, ihr Brüder, |
38 |
In Gottes Namen nieder; |
39 |
Kalt ist der Abendhauch. |
40 |
Verschon’ uns, Gott! mit Strafen, |
41 |
Und laß uns ruhig schlafen! |
42 |
Und unsern kranken Nachbar auch! |
Details zum Gedicht „Abendlied“
Matthias Claudius
7
42
203
1782
Empfindsamkeit
Gedicht-Analyse
In Matthias Claudius' Gedicht „Abendlied“ schildert der Autor ein friedvolles und stummes Abendbild, das auf den Menschen eine Einladung zur Besinnung ausübt. Er beschreibt das bunte Farbenspiel des Sonnenuntergangs und die sich daraus ergebende Harmonie und Stille. Der Mond erscheint, halb verhüllt, am Himmel. Claudius stellt fest, dass unsichtbare Dinge, die wir belächeln, betrachtet zu werden verdienen.
Der Dichter fordert den Leser dazu auf, nüchtern zu betrachten, was das Leben zu bieten hat und nicht das Wichtige gegen Unwichtiges einzutauschen. Er appelliert an die Leser, Gottes Wort zu entsprechen und betont, dass wir ohne Gott weder einzigartig noch vollständig sind. Der Autor bittet Gott, die Menschen vor Sünden zu bewahren und sie in den Himmel aufzunehmen, sobald der Moment der Abreise gekommen ist. Er schließt das Gedicht mit einem Gebet, dass Gott alle unschuldig Schutzbedürftigen, unser aller Nachbarn, schützen möge.
Das Gedicht „Abendlied“ von Matthias Claudius drückt die Sehnsucht des Dichters nach Eintracht und Frieden zwischen allen Menschen aus und nimmt uns mit auf eine emotionale Reise. Es erinnert uns daran, dass wir Gottes Segen und Anleitung benötigen, um aufrichtig und geerdet durchs Leben zu gehen. Trost und Hoffnung, die sich in den Worten des Gedichts manifestieren, können uns in schwierigen Momenten beistehen.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Abendlied“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Matthias Claudius. Im Jahr 1740 wurde Claudius in Reinfeld (Holstein) geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1782 entstanden. Der Erscheinungsort ist Wandsbeck. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Empfindsamkeit kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Claudius handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 203 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 42 Versen mit insgesamt 7 Strophen. Weitere Werke des Dichters Matthias Claudius sind „Kriegslied“, „Kartoffellied“ und „Urians Reise um die Welt“. Zum Autor des Gedichtes „Abendlied“ haben wir auf abi-pur.de weitere 83 Gedichte veröffentlicht.
+ Wie analysiere ich ein Gedicht?
Das Video mit dem Titel „Matthias Claudius Abendlied“ wurde auf YouTube veröffentlicht. Unter Umständen sind 2 Klicks auf den Play-Button erforderlich um das Video zu starten.
Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Matthias Claudius
Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Matthias Claudius und seinem Gedicht „Abendlied“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.
- Claudius, Matthias - Abendlied (Interpretation)
- Goethe, Johann Wolfgang von - Prometheus (Interpretation)
- Schubert, Franz - Der Tod und das Mädchen (Analyse)
- Claudius / Schubert "Der Tod und das Mädchen"
- Schubert / Claudius "Der Tod und das Mädchen"
Weitere Gedichte des Autors Matthias Claudius (Infos zum Autor)
- Den Pythagoras betreffend
- Ein Lied hinter’m Ofen zu singen
- Kriegslied
- Kartoffellied
- Urians Reise um die Welt
- Der Mensch
- Bekränzt mit Laub den lieben vollen Becher
- Bei dem Grabe meines Vaters
- Die Sternseherin Lise
- Der Tod
Zum Autor Matthias Claudius sind auf abi-pur.de 83 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
Freie Ausbildungsplätze in Deiner Region
besuche unsere Stellenbörse und finde mit uns Deinen Ausbildungsplatz
erfahre mehr und bewirb Dich direkt