Ein Lied hinter’m Ofen zu singen von Matthias Claudius

Der Winter ist ein rechter Mann,
Kernfest und auf die Dauer;
Sein Fleisch fühlt sich wie Eisen an,
Und scheut nicht Süß noch Sauer.
 
War je ein Mann gesund, ist er’s;
Er krankt und kränkelt nimmer,
Weiß nichts von Nachtschweiß noch Vapeurs,
Und schläft im kalten Zimmer.
 
Er zieht sein Hemd im Freien an,
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Und läßt’s vorher nicht wärmen;
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Und spottet über Fluß im Zahn
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Und Kolik in Gedärmen.
 
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Aus Blumen und aus Vogelsang
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Weiß er sich nichts zu machen,
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Haßt warmen Drang und warmen Klang
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Und alle warme Sachen.
 
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Doch wenn die Füchse bellen sehr,
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Wenn’s Holz im Ofen knittert,
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Und um den Ofen Knecht und Herr
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Die Hände reibt und zittert;
 
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Wenn Stein und Bein vor Frost zerbricht,
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Und Teich’ und Seen krachen;
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Das klingt ihm gut, das haßt er nicht,
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Denn will er sich todt lachen. –
 
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Sein Schloß von Eis liegt ganz hinaus
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Beym Nordpol an dem Strande;
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Doch hat er auch ein Sommerhaus
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Im lieben Schweizerlande.
 
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Da ist er denn bald dort bald hier,
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Gut Regiment zu führen.
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Und wenn er durchzieht, stehen wir
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Und sehn ihn an und frieren.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.3 KB)

Details zum Gedicht „Ein Lied hinter’m Ofen zu singen“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
187
Entstehungsjahr
1782
Epoche
Empfindsamkeit

Gedicht-Analyse

Das zu interpretierende Gedicht stammt von Matthias Claudius, einem deutschen Dichter der Aufklärung, der von 1740 bis 1815 lebte. Claudius war ein Vertreter des Biedermeier und seine Werke sind gekennzeichnet durch eine einfache, volksnahe Sprache und thematisieren häufig das einfache Leben und die Natur. Das Gedicht „Ein Lied hinter’m Ofen zu singen“ ist ein Paradebeispiel dafür.

In dem Gedicht steht der Winter als Personifizierung für Robustheit und Ausdauer. Er wird als ein „rechter Mann“ beschrieben, der hart und belastbar ist („kernfest und auf die Dauer“). Er kennt keine Krankheiten („krankt und kränkelt nimmer“) und scheut weder Kälte noch Unannehmlichkeiten („scheut nicht Süß noch Sauer“). Claudius beschreibt ihn als jemanden, der die einfachen Freuden und Unannehmlichkeiten des Lebens schätzt: das Ziehen seines Hemdes im Freien, das Lachen über den Schmerz und die Kälte.

Das lyrische Ich in diesem Gedicht zeigt Bewunderung, vielleicht sogar Neid, für diese Unbeugsamkeit des Winters. Es scheint sich des Kontrastes zwischen der eigenen Empfindlichkeit und der Robustheit des Winters bewusst zu sein. Wenn der Winter kommt, zittern sie und reiben sich die Hände am Ofen, während er sich in seinem Eisschloss am Pol wohl fühlt.

In Bezug auf Form und Sprache ist das Gedicht in acht Strophen mit jeweils vier Versen geschrieben. Die Sprache ist einfach und leicht verständlich. Claudius verwendet eine volksnahe, alltagsbezogene Sprache, die den winterlichen Gegenstand des Gedichts und seine gesellschaftliche Bedeutung unterstreicht. Die Strophenführung und der Reim vermitteln ein Gefühl von Ordnung und Regelmäßigkeit, passend zur Darstellung des Winters als einer beständigen und zuverlässigen Kraft.

Insgesamt kann das Gedicht „Ein Lied hinter’m Ofen zu singen“ als eine Hommage an den Winter und dessen Unbezwingbarkeit interpretiert werden. Es lädt zur Reflexion über die einfachen Freuden und harten Realitäten des Lebens ein, die der Winter symbolisiert.

Weitere Informationen

Matthias Claudius ist der Autor des Gedichtes „Ein Lied hinter’m Ofen zu singen“. Claudius wurde im Jahr 1740 in Reinfeld (Holstein) geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1782 zurück. Der Erscheinungsort ist Wandsbeck. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Empfindsamkeit zuordnen. Der Schriftsteller Claudius ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 187 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 32 Versen. Matthias Claudius ist auch der Autor für Gedichte wie „Den Pythagoras betreffend“, „Kriegslied“ und „Kartoffellied“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Ein Lied hinter’m Ofen zu singen“ weitere 83 Gedichte vor.

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