Der untreue Knabe von Johann Wolfgang von Goethe

Es war ein Knabe frech genung,
War erst aus Frankreich kommen,
Der hatt ein armes Mädel jung
Gar oft in Arm genommen
Und liebgekost und liebgeherzt,
Als Bräutigam herumgescherzt,
Und endlich sie verlassen.
 
Das braune Mädel das erfuhr,
Vergingen ihr die Sinnen,
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Sie lacht' und weint' und bet' und schwur;
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So fuhr die Seel von hinnen.
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Die Stund, da sie verschieden war,
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Wird bang dem Buben, graust sein Haar,
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Es treibt ihn fort zu Pferde.
 
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Er gab die Sporen kreuz und quer
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Und ritt auf alle Seiten,
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Herüber, hinüber, hin und her,
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Kann keine Ruh erreiten,
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Reit' sieben Tag und sieben Nacht;
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Es blitzt und donnert, stürmt und kracht,
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Die Fluten reißen über.
 
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Und reit' in Blitz und Wetterschein
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Gemäuerwerk entgegen,
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Bindt 's Pferd hauß an und kriecht hinein
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Und duckt sich vor dem Regen.
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Und wie er tappt und wie er fühlt,
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Sich unter ihm die Erd erwühlt;
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Er stürzt wohl hundert Klafter.
 
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Und als er sich ermannt vom Schlag,
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Sieht er drei Lichtlein schleichen.
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Er rafft sich auf und krabbelt nach;
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Die Lichtlein ferne weichen;
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Irrführen ihn die Quer und Läng,
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Treppauf, treppab, durch enge Gäng,
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Verfallne, wüste Keller.
 
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Auf einmal steht er hoch im Saal,
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Sieht sitzen hundert Gäste,
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Hohläugig grinsen allzumal
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Und winken ihm zum Feste.
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Er sieht sein Schätzel untenan
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Mit weißen Tüchern angetan,
42 
Die wendt sich
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.8 KB)

Details zum Gedicht „Der untreue Knabe“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
222
Entstehungsjahr
1749 - 1832
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Johann Wolfgang von Goethe ist der Autor des Gedichtes „Der untreue Knabe“. Der Autor Johann Wolfgang von Goethe wurde 1749 in Frankfurt am Main geboren. Zwischen den Jahren 1765 und 1832 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Goethe handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Als Sturm und Drang (auch Genieperiode oder Geniezeit) bezeichnet man eine Literaturepoche, die auf die Jahre 1765 bis 1790 datiert werden kann. Sie knüpfte an die Empfindsamkeit an und ging später in die Klassik über. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das literarische und philosophische Denken im deutschen Sprachraum. Der Sturm und Drang „stürmte“ und „drängte“ als Protest- und Jugendbewegung gegen die aufklärerischen Ideale. Ein wesentliches Merkmal des Sturm und Drang ist somit ein Auflehnen gegen die Epoche der Aufklärung. Die Schriftsteller des Sturm und Drang waren zumeist junge Autoren, häufig unter 30 Jahre alt. In den Gedichten wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Werke vorheriger Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Dennoch wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Schiller, Goethe und natürlich die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.

Zwei gegensätzliche Anschauungen hatten das 18. Jahrhundert bewegt: die Aufklärung und eine gefühlsbetonte Strömung, die durch den Sturm und Drang vertreten wurde. Die Weimarer Klassik ist eine Verschmelzung dieser beiden Elemente. Die Weimarer Klassik nahm ihren Anfang mit der Italienreise Goethes im Jahr 1786 und endete mit dem Tod von Johann Wolfgang von Goethe im Jahr 1832. Literarisches Zentrum und Ausgangspunkt der Weimarer Klassik (kurz auch oftmals einfach nur Klassik genannt) war Weimar. Zu den essenziellen Motiven der Klassik gehören unter anderem Menschlichkeit und Toleranz. In der Lyrik haben die Dichter auf Stil- und Gestaltungsmittel aus der Antike zurückgegriffen. Beispielsweise war so die streng an formale Kriterien gebundene Ode besonders beliebt. Darüber hinaus verwendeten die Dichter eine pathetische, gehobene Sprache. Die berühmtesten Schriftsteller der Weimarer Klassik sind Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Weitere Schriftsteller der Weimarer Klassik sind Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried Herder. Die beiden zuletzt genannten arbeiteten jeweils für sich. Einen konstruktiven Austausch im Sinne eines gemeinsamen Arbeitsverhältnisses gab es nur zwischen Schiller und Goethe.

Das 222 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 42 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Weitere Werke des Dichters Johann Wolfgang von Goethe sind „An Lida“, „An den Mond“ und „An den Schlaf“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der untreue Knabe“ weitere 1617 Gedichte vor.

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