Hochzeitlied von Johann Wolfgang von Goethe
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Wir singen und sagen vom Grafen so gern, |
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Der hier in dem Schlosse gehauset, |
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Da, wo ihr den Enkel des seligen Herrn, |
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Den heute vermählten, beschmauset. |
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Nun hatte sich jener im heiligen Krieg |
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Zu Ehren gestritten durch mannigen Sieg, |
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Und als er zu Hause vom Rösselein stieg, |
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Da fand er sein Schlösselein oben; |
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Doch Diener und Habe zerstoben. |
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Da bist du nun, Gräflein, da bist du zu Haus, |
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Das Heimische findest du schlimmer! |
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Zum Fenster, da ziehen die Winde hinaus, |
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Sie kommen durch alle die Zimmer. |
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Was wäre zu tun in der herbstlichen Nacht? |
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So hab ich doch manche noch schlimmer vollbracht, |
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Der Morgen hat alles wohl besser gemacht. |
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Drum rasch, bei der mondlichen Helle |
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Ins Bett, in das Stroh, ins Gestelle. |
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Und als er im willigen Schlummer so lag, |
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Bewegt es sich unter dem Bette. |
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Die Ratte, die raschle, solange sie mag! |
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Ja, wenn sie ein Bröselein hätte! |
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Doch siehe! da stehet ein winziger Wicht, |
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Ein Zwerglein so zierlich mit Ampelenlicht, |
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Mit Rednergebärden und Sprechergewicht, |
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Zum Fuß des ermüdeten Grafen, |
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Der, schläft er nicht, möcht er doch schlafen. |
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»Wir haben uns Feste hier oben erlaubt, |
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Seitdem du die Zimmer verlassen, |
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Und weil wir dich weit in der Ferne geglaubt, |
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So dachten wir eben zu prassen. |
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Und wenn du vergönnest und wenn dir nicht graut, |
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So schmausen die Zwerge, behaglich und laut, |
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Zu Ehren der reichen, der niedlichen Braut.« |
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Der Graf im Behagen des Traumes: |
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»Bedienet euch immer des Raumes!« |
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Da kommen drei Reiter, sie reiten hervor, |
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Die unter dem Bette gehalten; |
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Dann folget ein singendes klingendes Chor |
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Possierlicher kleiner Gestalten; |
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Und Wagen auf Wagen mit allem Gerät, |
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Daß einem so Hören als Sehen vergeht, |
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Wie's nur in den Schlössern der Könige steht; |
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Zuletzt auf vergoldetem Wagen |
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Die Braut und die Gäste getragen. |
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So rennet nun alles in vollem Galopp |
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Und kürt sich im Saale sein Plätzchen; |
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Zum Drehen und Walzen und lustigen Hopp |
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Erkieset sich jeder ein Schätzchen. |
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Da pfeift es und geigt es und klinget und klirrt, |
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Da ringelt's und schleift es und rauschet und wirrt, |
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Da pispert's und knistert's und flistert's und schwirrt; |
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Das Gräflein, es blicket hinüber, |
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Es dünkt ihn, als läg er im Fieber. |
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Nun dappelt's und rappelt's und klappert's im Saal |
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Von Bänken und Stühlen und Tischen, |
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Da will nun ein jeder am festlichen Mahl |
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Sich neben dem Liebchen erfrischen; |
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Sie tragen die Würste, die Schinken so klein |
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Und Braten und Fisch und Geflügel herein; |
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Es kreiset beständig der köstliche Wein; |
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Das toset und koset so lange, |
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Verschwindet zuletzt mit Gesange. |
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Und sollen wir singen, was weiter geschehn, |
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So schweige das Toben und Tosen. |
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Denn was er so artig im kleinen gesehn, |
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Erfuhr er, genoß er im großen. |
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Trompeten und klingender singender Schall |
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Und Wagen und Reiter und bräutlicher Schwall, |
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Sie kommen und zeigen und neigen sich all, |
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Unzählige, selige Leute. |
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So ging es und geht es noch heute. |
Details zum Gedicht „Hochzeitlied“
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1749 - 1832
Sturm & Drang,
Klassik
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichtes „Hochzeitlied“ ist Johann Wolfgang von Goethe. 1749 wurde Goethe in Frankfurt am Main geboren. Im Zeitraum zwischen 1765 und 1832 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Goethe handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.
Als Sturm und Drang (auch Genieperiode oder Geniezeit) bezeichnet man eine Literaturepoche, die auf die Jahre 1765 bis 1790 datiert werden kann. Sie knüpfte an die Empfindsamkeit an und ging später in die Klassik über. Der Sturm und Drang war eine Protestbewegung, die aus der Aufklärung hervorging. Der Protest richtete sich gegen den Adel und dessen höfische Welt, sowie andere absolutistische Obrigkeiten. Er richtete sich aber auch gegen das Bürgertum, das als eng und freudlos galt, und dessen Moralvorstellungen veraltet waren. Als Letztes richtete sich der Protest der Epoche des Sturm und Drang gegen Traditionen in der Literatur. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig Schriftsteller im jungen Alter, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. Um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen, wurde besonders darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Die Nachahmung und Idealisierung von Künstlern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.
Johann Wolfgang von Goethe (* 28. August 1749 in Frankfurt am Main; † 22. März 1832 in Weimar) ist einer der bekanntesten Dichter der Weimarer Klassik. 1786 unternahm Goethe eine Italienreise, diese wird als Beginn der Weimarer Klassik angesehen. Das Ende der Literaturepoche ist im Jahr 1832 auszumachen. Sowohl die Bezeichnung Klassik als auch die Bezeichnung Weimarer Klassik sind gebräuchlich. Das literarische Zentrum dieser Epoche lag in Weimar. Die Autoren der Weimarer Klassik wollten die antiken Stoffe aufleben lassen. Mit der antiken Kunst beschäftigte sich Goethe während seiner Italienreise. Die Antike gilt nun als Ideal, um Harmonie und Vollkommenheit erreichen zu können. In der Weimarer Klassik wird eine geordnete, einheitliche Sprache verwendet. Allgemeingültige, kurze Aussagen (Sentenzen) sind häufig in Werken der Weimarer Klassik zu finden. Da man die Menschen früher mit der Kunst und somit auch mit der Literatur erziehen wollte, legte man großen Wert auf formale Ordnung und Stabilität. Metrische Ausnahmen befinden sich immer wieder an Stellen, die hervorgehoben werden sollen. Die bedeutenden Schriftsteller der Klassik sind Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Weitere Schriftsteller der Klassik sind Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland. Die beiden letztgenannten arbeiteten jeweils für sich. Einen produktiven Austausch im Sinne eines gemeinsamen Arbeitsverhältnisses gab es nur zwischen Schiller und Goethe.
Das vorliegende Gedicht umfasst 475 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 72 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Wolfgang von Goethe sind „An den Selbstherscher“, „An die Entfernte“ und „An die Günstigen“. Zum Autor des Gedichtes „Hochzeitlied“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 1617 Gedichte vor.
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